Auslaufmodell Westen

Auslaufmodell WestenDie Angst hat die Seite gewechselt. Heute wohnt sie bei uns, hier im Westen und in Israel. Die arabischen Völker proben den Aufstand nicht, sie führen ihn real durch mit der Folge, dass der hegemoniale Anspruch des Westens auf den nahen und mittleren Osten zerbricht.

Wenn man betrachtet, wie unsere Regierungen die Menschen der arabischen Hemisphäre behandelt haben und noch behandeln, dann erscheint es eher unwahrscheinlich, dass die Menschen dieser Region sich unter frei gewählten Volksvertretern auch weiterhin in dem Maße ausbeuten lassen werden, wie dies bisher geschah. Dennoch scheint der Lauf der Dinge nicht aufzuhalten und deshalb proben sich unsere Volksvertreter nun in Schmeicheleien gegenüber der arabischen Welt. Breit angelegte PR- Aktionen sollen dabei helfen, unter den Demokratiebewegungen des Magreb um Sympathie zu buhlen. So erklärte Bundespräsident Christian Wulff am vergangenen Montag im arabischen Emirat Quatar, die Zeit der Diktaturen sei abgelaufen. Mittlerweile raten US-Experten sogar zu einer Annäherung an Teheran, um nicht den westlichen Einfluss im mittleren Osten zu gefährden. Von den USA bis Europa sondern Politiker auf einmal demokratische Geräusche ab, spiegeln vor, sich mit den Bevölkerungen dort zu solidarisieren. Die Araber wissen jedoch, dass ein Wolf, auch wenn er Kreide frisst, dennoch ein Wolf bleibt. Zugleich beweisen wir den Muslimen dieser Welt unsere Verachtung, indem wir uns beharrlich weigern, selbst nachfolgende Generationen der einstigen Gastarbeiter zu integrieren. Frei nach dem Motto: Wenn eine Kuh in einem Pferdestall zur Welt kommt, ist das noch lange kein Pferd. So schafft man sich keine Freunde.

Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?

Die Christen. Phase I der Abwehr von Demokratie in Nordafrika war daher das Sähen von Angst in die Köpfe und Herzen der Menschen bei uns. Da werden gigantische Flüchtlingsströme angekündigt, unter deren Last der Westen zusammenbräche. Ebenso en vogue, das Schüren einer ausgeprägten Islamophobie. Die antiislamischen Hetzkampagnen haben einen einfachen Grund. Die Muslimbruderschaft ist die einzige NGO im nahen Osten, die in der Lage wäre, große Stimmmehrheiten auf sich zu vereinigen, sollte es zu freien, demokratischen Wahlen kommen. Seit ihrer Entstehung haben sie zahlreiche Schulen, Armenküchen und Krankenhäuser gegründet, die sie seit dem notwendigerweise betreiben. Zugleich haben sie sich über die gesamte arabische Welt verteilt und dort neue Splittergruppen gebildet. Dabei haben sich zugleich unterschiedliche Strömungen des islamischen Widerstands gegen den Westen herausgebildet. Während die ägyptische Muslimbruderschaft es vorzöge, an den Schalthebeln parlamentarischer Staatsmacht zu agieren, verachten andere Gruppierungen dieses Vorgehen und ziehen den aktiven Kampf vor. Wenn uns derzeit etwas Angst bereitet, so ist es der Islam. Genauer gesagt das Bild, welches hier von unseren publizistischen Leitschafen verbreitet wird. Es ist ein hässliches Bild. Da verbrennen Frauen in ihren Häusern, weil sie gerade kein Kopftuch zur Hand haben und daher von selbsternannten Religionswächtern in das Feuerinferno zurückgetrieben werden, bis sie tot sind. Da geschehen an allen Ecken Ehrenmorde, zumeist an Frauen, die die Ehre ihrer Familie beschmutzt haben, indem sie sich von ihrem eigenen Onkel oder Bruder vergewaltigen ließen. Unser Grundgesetz wollen sie durch die Sharia ersetzen oder, besser noch, uns gleich alle auf einmal umbringen. Wenn ich bedenke, wie oft ich, auch des nachts im Dunkeln, bereits Musimen begegnet bin, erscheint es wie ein Wunder, dass ich noch am Leben bin.

Die Antwort auf die Frage, ob der Islam eine friedliche Religion ist oder zur Gewalt neigt, lautet: Sowohl als auch. Einerseits umfasst der Islam das gesamte Spektrum liberal eingestellter, zutiefst friedlicher und auch säkularer Muslime, die sich bereitwillig an demokratische und pluralistische Wertvorstellungen anpassen. Es gibt jedoch auch Muslime, die die Nase voll haben von christlicher Heuchelei und Missionierung zum Zwecke der Ausbeutung durch den Westen. Diese Menschen, wir bezeichnen sie als Islamisten, kämpfen mit politischen Mitteln für eine Umgestaltung der islamischen Gesellschaft und die Durchsetzung der Sharia als gültige Rechtsnorm, da sie diese als gerechter empfinden als unsere Rechtssystem. Und sie erfahren Zulauf. Daneben eine Reihe militanter Extremisten, die den Islam auch unter Anwendung von Gewalt durchsetzen wollen. Dass es sich hierbei um eine Minderheit handelt, wird gerne verschwiegen. Genauso wie die Tatsache, dass die allermeisten unter den Muslimen friedlich, herzlich und über alle Maßen gastfreundlich sind. Dennoch nehmen wir unsere Gefährdung durch militante Islamisten völlig überhöht wahr.

Alternative Gottesstaat

Welches sind die Gründe, die zum Erstarken des Islamismus geführt haben? Es ist ein tiefsitzendes Trauma in der muslimischen Welt, für das alleine wir die Verantwortung tragen. Bis in die Neuzeit hinein haben sie unter unserem Kolonialismus leiden müssen. Ständig erleben sie die politische, wirtschaftliche und militärische Dominanz des christlichen Westens. Der Islam hingegen sagt von sich, er sei allen anderen Religionen überlegen. Daher seien Muslime die beste Gemeinschaft, die je auf Erden entstanden ist (Sure 3,110). Die Muslime trauern dem „Goldenen Zeitalter des Urislam“ nach, welches vom siebten bis hinein ins siebzehnte Jahrhundert währte, bevor wir es zerstörten. Zugleich fühlen sie sich zu Recht angegriffen und erniedrigt durch Ereignisse wie in Israel und Palästina, Bosnien, Tschetschenien, Afghanistan und dem Irak. Sie sehen zugleich, wie verroht und unkultiviert unsere Soldaten mit dreckigen Schuhen durch ihre Moscheen stampfen und ihren heiligen Boden entweihen. Die Menschenwürde der Muslime ist in unseren Augen offenbar alles andere als untastbar. Unsere ständigen Einmischungen in deren Angelegenheiten sorgt dafür, dass sie sich ohnmächtig und herabgewürdigt fühlen. Das ebenso logische wie auch gerechtfertigte Ergebnis ist Zorn. Zugleich ist der Einsatz von Gewalt im Koran erlaubt, wenn sich Muslime bedrängt oder angegriffen sehen (Sure 2,190f; 9,5 u. a.). Prägend auf die islamistische Gesinnung wirkt zudem der Märtyrertod zahlreicher bekannter Persönlichkeiten für den Islam. Darunter einflussreiche islamische Theologen wie Ahmad Ibn Hanbal und Ibn Taimiya oder auch der Begründer des modernen Jihad, Sayyid M. Qutb, der als legendärer Führer der Muslimbruderschaft 1966 von der ägyptischen Regierung gehenkt wurde.

Was kommt nach der Revolution?

Gut, während der zweiten Phase der französischen Revolution hatte Frankreich das Pech, ausgerechnet den Jakobinern, allen voran Robespierre, in die Hände zu fallen. Deren Terror erwies sich als ungleich schlimmer, als jener, den die verhasste und zum Teufel gejagte Monarchie ausgeübt hatte. Die Guillotineure arbeiteten im Akkord bis zu ihrem letzten Kunden, Robespierre selbst, der am Schluss seinen eigenen Kopf verlor. Das kopflose Frankreich benötigte Jahrhunderte, um sich von dem Verlusst seiner Bildungsschicht zu erholen und eine neue Geisteselite aufzubauen. Dass die Geschicke der arabischen Welt den selben Lauf nehmen, ist hingegen eher unwahrscheinlich. Zu hoch ist die geistige und kulturelle Entwicklung der Menschen von heute, die Aufklärung hat, auch dank Internet, einen nie zuvor gewesenen Stand erreicht. Eben deshalb rumort es auch an immer mehr Plätzen dieser Welt. Die chinesische Parteiführung hat bereits eine akute Jasminallergie entwickelt. Allerdings beginnt allmählich die Stimmung auch im Westen zu kippen. In einem Artikel der Fachzeitschrift Internationale Politik, dem außenpolitischen Leitmedium der Berliner Politik- und Wirtschaftseliten, wird die öffentliche Meinung über die Rolle der Muslimbruderschaft im nahen Osten mittlerweile zur Disposition gestellt. Einer Umfrage des Blattes zufolge ist ein Viertel der Bundesbürger der Ansicht, die Bundesregierung solle eine ägyptische Regierung unter Führung der Muslimbruderschaft nicht anerkennen. Dem entgegen steht eine Mehrheit von 65 Prozent der Deutschen, welche die Meinung vertritt, die Bundesregierung solle den Ausgang der anstehenden Wahlen in jedem Fall respektieren.

Wir sind nicht länger die Guten

Dies haben auch die Moslems gemerkt. Früher, während der Kolonialzeit, haben wir die Drecksarbeit noch selbst gemacht und Aufstände in den kolonialisierten Gebieten mit große Härte und Brutalität niedergeschlagen. Heute liefern wir stattdessen Waffen an die Militärs und Regime, die ihre eigenen Länder für uns besetzt halten. Es stellt sich daher die Frage, weshalb es all den westlichen Vorzeigedemokraten nicht möglich ist, Geschäfte mit Ländern zu machen, in denen eine echte Volksdemokratie herrscht. Und warum erschauert der Westen so sehr vor der sich anbahnenden Demokratisierung jenseits des Mittelmeeres? Eine der Antworten lautet: Weil die Menschen in der islamischen Welt noch eine Rechnung mit uns offen haben. Die mögen uns nicht, und das aus gutem Grund. Mehr als drei Jahrhunderte lang haben die Europäischen Monarchien unter dem Deckmäntelchen christlicher Missionierung ein solch ungeheures Maß an Leid und Elend über die Völker dieser Welt gebracht, dass diese sich zu Recht von uns abgewandt haben. Auch als die Besiedelung der neuen Welt, die mit der fast vollständigen Ausrottung aller indigenen Völker des amerikanischen Kontinents einherging, abgeschlossen war und sich westlich des Atlantiks eine neue Imperialmacht geformt hatte, gingen die Greuel munter weiter. Der christliche Westen war niemals gewillt, seinen hegemonialen Herrschaftsanspruch und die Kontrolle über die Ressourcen des nahen und mittleren Ostens aufzugeben. Unser gesamter Reichtum basiert auf der Armut unterdrückter und ausgebeuteter Völker. Bereits im sechzehnten Jahrhundert verdienten sich hanseatische Kaufleute eine goldene Nase, indem sie abertausende Menschen von der Elfenbeinküste entführten, weiter verkauften oder selbst versklavten, um sie nach Jamaika zu verschiffen. Dort mussten die Ärmsten unter unmenschlichen Bedingungen in Zuckerrohrplantagen schuften. Der aus dem Zuckerrohr gebrannte Rum wurde wiederum in europäische Hafenstädte verschifft und dort vergoldet. Mit diesem Gewinn kauften die vornehmen Hanseaten dann weitere Sklaven und hielten so das Karussel in Bewegung. Die schmucken Prachthäuser unserer norddeutschen Altstädte sind also zu einem guten Teil das Ergebnis von Menschenraub und dem Handel mit harten Drogen, denn nichts anderes ist Alkohol. Hinter jedem großen Vermögen steht stets ein großes Verbrechen. Unsere gesamte Zivilisationsgeschichte ist eine einzige Geschichte des Verbrechens. Dafür mag es eine einfache Erklärung geben. Verbrecher sind stets dort zu finden, wo es was zu holen gibt. Warum sollte sich das bis heute geändert haben? Die ägyptische Armee setzt Mubaraks Schlagstockpolitik nach wie vor für den Ressourcenhungrigen Westen fort. Schließlich hat sie ihre Waffen von uns und wird von uns finanziell gefördert. Ohne die Getreidelieferungen des reichen Westens würde das Land großflächig verhungern. Genauso wie in Libyen, wo unter Mussolini mindesten ein Viertel der libyschen Bevölkerung den Tod im Kampf gegen die Besatzer und durch Verhungern fanden.

Und nun?

Die einzige reelle Chance, die ich noch sehe, ist ein aufeinander Zugehen der Völker und Religionen dieser Welt. Auf Augenhöhe und ohne jedwede Bevormundung müssen wir ihnen die Hand reichen. Wir müssen sie aufrichtig um Verzeihung bitten für das, was wir ihnen angetan haben und ein für allemal klarstellen, das wir sie künftig als einziger Souverän im eigenen Land bedingungslos akzeptieren. Araber haben ein großes Herz, vielleicht sogar groß genug für Menschen wie uns.

Quellennachweis

  • German Foreign Policy
  • Worldlingo
  • Internationale Politik
  • Telepolis
  • EAD
  • Linkezeitung

Weiterführende Links

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