Künstlergespräch zwischen Thomas Ruff und Okwui Enwezor im Münchner Haus der Kunst
Künstler und ihre Exegeten sind ein seltsames Gespann: Aufeinander angewiesen, verhalten sie sich in unmittelbarer Nähe des anderen wahlweise wie frisch Verliebte oder wie ein verstocktes Ehepaar. Der Exeget ist auf den Künstler angewiesen, klar. Aber umgekehrt? Ja, in einer Gesellschaft, die auf Rationalität und Verwissenschaftlichung aller Lebensbereiche setzt, braucht der Künstler einen Übersetzer. Aber wo die Deutung allzu sehr brilliert, wird die Kunst nur noch instrumentalisiert. Und: Wenn der Künstler dasselbe mit Worten hätte sagen können, hätte er es getan. Es gibt also eine Art magischen Rest, der sich aller Interpretation widersetzt, und das ist gut so.
Das heutige Podiumsgespräch zwischen dem Fotokünstler Thomas Ruff, dessen aktuelle Ausstellung im Münchner Haus der Kunst gerade gepriesen wird, und Okwui Enwezor, Direktor des Hauses der Kunst, war eine Lektion in Sachen Kommunikation. Eine skurrile Idee, es in Englisch abzuhalten – vermutlich dem englischsprachigen Direktor zuliebe. In der Weltsprache wirkt alles auch gleich viel internationaler. Das Ruff kein sehr glückliches Bild abgab und immer wieder nach den richtigen Worten rang, nahm man halt in Kauf, wohl ein Kollateralschaden. Vielleicht war es also ja bloß den Sprachschwierigkeiten geschuldet, wenn Ruffs Antworten knapp ausfielen und mehr als einmal lauteten: „I have no idea“ – „keine Ahnung“. Den gelegentlich zudringlichen Fragen des Kunsthistorikers, der die Deutungshoheit verkörperte, entzog und verweigerte er sich aber damit auch: Sprachlosigkeit als Behauptung künstlerischer Autonomie.
Und die Rampensau zu geben, ist ja auch nicht jedermanns Sache. Eines Thomas Ruff ist sie definitiv nicht. Er ist ein Tüftler, ein Nerd. Das „Forschen“, das auch Enwezor als Qualität von Ruffs Kunst anführte, ist vor allem ein Erforschen technischer Möglichkeiten, vor allem mit Photoshop. Da kommt einer auf die Idee, ein winziges Bild, dessen Dateiformat eine hohe Komprimierungsrate aufweist, großformatig aufzublähen - und zu schauen, was aus den Pixeln wird. Auf die Frage, worin der die Herausforderungen der Fotografie heutzutage sehe, antwortete er, dass sie den technischen Entwicklungen hinterherlaufe und man keine Entscheidungsfreiheiten habe. In der Reihe hinter mir empörtes Raunen. Dieses pure Materialismus bar jeden Erkenntnisgewinns ist ja schon sehr zeitgemäß, und das mag – boshaft gesagt - ein Grund für Ruffs Erfolg sein.
Ihn mit Caspar David Friedrich zu vergleichen, wie in einigen Besprechungen der Münchner Ausstellung geschehen, halte ich jedenfalls für völlig verfehlt. Nur weil der eine übers Nebelmeer und der andere zum Mars oder auf den Planeten der Beliebigkeit guckt, haben beide noch lange nichts gemeinsam.
Dass der gebürtige Schwarzwälder als Fotograf gehandelt wird, sollten alle Beteiligten mal überdenken. Ruff gab zu, seit mehr als zehn Jahren kein eigenes Foto mehr gemacht zu haben, kein kunstwürdiges Foto jedenfalls. Ob er privat knipst, hat er nicht dazu gesagt. Seit dessen Aufkommen verarbeitet er ausschließlich Fotos aus dem Internet, die ebenso von der Dekonstruktion des Autors zeugten wie die mediale Vermittlung in die Nähe der Fiktion rückten. Die Nutzungsrechte habe er meist nicht, räumt er ein. Das sei viel zu aufwändig, Aber wenn ein Urheber mal in seine Galerie käme und ein Bild entdecke, das ursprünglich er gemacht habe, dürfe er sich gerne melden. Prost Mahlzeit, nur Facebook ist schlimmer.
Ein Zuhörer stellte Ruff die kluge Frage, ob er sich überhaupt noch als Fotograf verstehe. Als Künstler, entgegnete der nach kurzem Nachdenken und schob die Begründung nach: „Ich war ja auf einer Kunstakademie.“ Aua. An dieser Stelle des Podiumsgesprächs war mein Nachbar bereits gegangen, und ich folgte ihm in Gedanken.
Vielleicht darf man von Kunst auch nicht so viel erwarten, keine Erlösung oder Antwort auf drängende oder gar existenzielle Fragen. Kunst ist im Grunde das gleiche wie ein schickes Auto oder eine modische Espressomaschine. Das glaube ich jetzt aber selbst nicht;-)
Künstler und ihre Exegeten sind ein seltsames Gespann: Aufeinander angewiesen, verhalten sie sich in unmittelbarer Nähe des anderen wahlweise wie frisch Verliebte oder wie ein verstocktes Ehepaar. Der Exeget ist auf den Künstler angewiesen, klar. Aber umgekehrt? Ja, in einer Gesellschaft, die auf Rationalität und Verwissenschaftlichung aller Lebensbereiche setzt, braucht der Künstler einen Übersetzer. Aber wo die Deutung allzu sehr brilliert, wird die Kunst nur noch instrumentalisiert. Und: Wenn der Künstler dasselbe mit Worten hätte sagen können, hätte er es getan. Es gibt also eine Art magischen Rest, der sich aller Interpretation widersetzt, und das ist gut so.
Das heutige Podiumsgespräch zwischen dem Fotokünstler Thomas Ruff, dessen aktuelle Ausstellung im Münchner Haus der Kunst gerade gepriesen wird, und Okwui Enwezor, Direktor des Hauses der Kunst, war eine Lektion in Sachen Kommunikation. Eine skurrile Idee, es in Englisch abzuhalten – vermutlich dem englischsprachigen Direktor zuliebe. In der Weltsprache wirkt alles auch gleich viel internationaler. Das Ruff kein sehr glückliches Bild abgab und immer wieder nach den richtigen Worten rang, nahm man halt in Kauf, wohl ein Kollateralschaden. Vielleicht war es also ja bloß den Sprachschwierigkeiten geschuldet, wenn Ruffs Antworten knapp ausfielen und mehr als einmal lauteten: „I have no idea“ – „keine Ahnung“. Den gelegentlich zudringlichen Fragen des Kunsthistorikers, der die Deutungshoheit verkörperte, entzog und verweigerte er sich aber damit auch: Sprachlosigkeit als Behauptung künstlerischer Autonomie.
Und die Rampensau zu geben, ist ja auch nicht jedermanns Sache. Eines Thomas Ruff ist sie definitiv nicht. Er ist ein Tüftler, ein Nerd. Das „Forschen“, das auch Enwezor als Qualität von Ruffs Kunst anführte, ist vor allem ein Erforschen technischer Möglichkeiten, vor allem mit Photoshop. Da kommt einer auf die Idee, ein winziges Bild, dessen Dateiformat eine hohe Komprimierungsrate aufweist, großformatig aufzublähen - und zu schauen, was aus den Pixeln wird. Auf die Frage, worin der die Herausforderungen der Fotografie heutzutage sehe, antwortete er, dass sie den technischen Entwicklungen hinterherlaufe und man keine Entscheidungsfreiheiten habe. In der Reihe hinter mir empörtes Raunen. Dieses pure Materialismus bar jeden Erkenntnisgewinns ist ja schon sehr zeitgemäß, und das mag – boshaft gesagt - ein Grund für Ruffs Erfolg sein.
Ihn mit Caspar David Friedrich zu vergleichen, wie in einigen Besprechungen der Münchner Ausstellung geschehen, halte ich jedenfalls für völlig verfehlt. Nur weil der eine übers Nebelmeer und der andere zum Mars oder auf den Planeten der Beliebigkeit guckt, haben beide noch lange nichts gemeinsam.
Dass der gebürtige Schwarzwälder als Fotograf gehandelt wird, sollten alle Beteiligten mal überdenken. Ruff gab zu, seit mehr als zehn Jahren kein eigenes Foto mehr gemacht zu haben, kein kunstwürdiges Foto jedenfalls. Ob er privat knipst, hat er nicht dazu gesagt. Seit dessen Aufkommen verarbeitet er ausschließlich Fotos aus dem Internet, die ebenso von der Dekonstruktion des Autors zeugten wie die mediale Vermittlung in die Nähe der Fiktion rückten. Die Nutzungsrechte habe er meist nicht, räumt er ein. Das sei viel zu aufwändig, Aber wenn ein Urheber mal in seine Galerie käme und ein Bild entdecke, das ursprünglich er gemacht habe, dürfe er sich gerne melden. Prost Mahlzeit, nur Facebook ist schlimmer.
Ein Zuhörer stellte Ruff die kluge Frage, ob er sich überhaupt noch als Fotograf verstehe. Als Künstler, entgegnete der nach kurzem Nachdenken und schob die Begründung nach: „Ich war ja auf einer Kunstakademie.“ Aua. An dieser Stelle des Podiumsgesprächs war mein Nachbar bereits gegangen, und ich folgte ihm in Gedanken.
Vielleicht darf man von Kunst auch nicht so viel erwarten, keine Erlösung oder Antwort auf drängende oder gar existenzielle Fragen. Kunst ist im Grunde das gleiche wie ein schickes Auto oder eine modische Espressomaschine. Das glaube ich jetzt aber selbst nicht;-)
Thomas Ruff und Okwui Enwezor beim Podiumsgespräch
"It's a photograph and it's large": So definierte Thomas Ruff die Düsseldorfer Schule.
Fotos: Christine Wawra