Atacama-Mumie

Atacama-Mumie
Detailaufnahme des Kopfes des immer noch rätselhaften Körpers des sog. "Atacama Humanoiden" (Ata).
| Copyright/Quelle: Greer, S.T.A.R. Research, sirius.neverendinglight.com

Saarbrücken (Deutschland) - Seit der Veröffentlichung des Dokumentarfilms "Sirius", in dem die ersten Untersuchungsergebnisse einer gerade einmal 15 Zentimeter großen, menschenartigen Mumie aus der Atacama-Wüste durch Mediziner und Genetiker der Stanford University präsentiert wurden (s. Video u.), haben diese zu zahlreiche Kontroversen, Diskussionen und Missverständnissen - sowohl unter Laien, Experten und in den Medien geführt. Um mit diesen Missverständnissen über die Untersuchungsergebnisse und die tatsächlichen Ansichten der beteiligten Experten aufzuräumen, hat "grenzwissenschaft-aktuell.de" den die DNA-Analysen durchführenden Stanford-Genetiker Dr. Garry Nolan um ein Interview gebeten.

GreWi: Dr. Nolan, viel der gerade von den Mainstream-Medien zitierten, jedoch nicht an den Untersuchungen direkt beteiligten Experten behaupten offenbar, dass es sich bei der Atacama-Mumie lediglich um einen stark mutierten, frühzeitig abgegangenen Fötus handelt. Gemeinsam mit Ihrem Kollegen Dr. Ralph Lachman (einem anerkannten Experten u.a. für Skelettfehlbildungen) zufolge, habe dieses Wesen jedoch bis zu acht Jahre lang gelebt. Somit könnte es sich doch gar nicht um das Skelett bzw. die Mumie eines Fötus handeln?


Nolan: Zunächst möchte ich klarstellen, dass es falsch wäre, die Aussagen derart zu interpretieren, dass Dr. Lachman oder ich irgendwelche "Schlussfolgerungen" über das Alter des Wesens gezogen hätten. Die Dokumentation (innerhalb von "Sirius") sollte als eine Art Einblick in den wissenschaftlichen Prozess verstanden werden. Ich selbst habe also dem Zuschauer meine "dynamischen" damaligen Spekulationen angesichts der damals vorliegenden Datengrundlage vermittelt. Es handelte sich um den Versuch, den Menschen zu zeigen, wie saubere Wissenschaft auch auf kontroversen Gebieten funktionieren kann. Man muss also bedenken, dass in diesem Prozess zu einem Zeitpunkt Dinge und Folgerungen akzeptiert werden, die man später dann wieder verwirft, sobald neue Beweise auftauchen.


Atacama-Mumie
Dr. Garry Nolan
| Copyright: G.Nolan, med.stanford.edu

Vor diesem Hintergrund betrachtet, sollten also alle Spekulationen, die sie von mir in "Sirius" hören, als Stand der Dinge zum damaligen Zeitpunkt verstanden werden - und noch im Film selbst hören sie mich schon (zu einem späteren Zeitpunk) meinen eigenen Folgerungen widersprechen, sobald die neuen Daten vorlagen.


Meine erste Aussage im Film ist die, dass ich erkläre, dass dieses Wesen wahrscheinlich gegessen und gelebt hatte. Davon bin ich mittlerweile nicht mehr ganz so überzeugt. Dr. Lachman hat derartiges übrigens zu keiner Zeit so gesagt. Es wäre also falsch, ihn in diese Aussage einzubinden. Ich will es nochmals betonen: Die Absicht und die Grundlage der Dokumentation (Sirius) war der Ansatz, meine damaligen Spekulationen darzustellen - nicht meine Schlussfolgerungen. Selbst zum Zeitpunkt des letzten Interviews für "Sirius" glaubten wir lediglich, dass die Knochen ein höheres Alter des Wesens nahe legten als seine (geringe) Größe dies zunächst Glauben machen kann.


Die Ergebnisse der Knochenbegutachtung ist bislang das einzige, was das besagte Alter (6-8 Jahre) nahe legt. Dass eine Sache "etwas nahe legt" bedeutet aber noch nicht, dass sie diese auch "beweist". Der Umstand, dass die Epiphysenkerne 6-8 Jahr alt erscheinen, bedeutet also auch nicht, dass sie auch 6 bis 8 Jahre alt waren (als das Wesen starb). Dieser Umstand stellt nur die Frage in den Raum, "warum" diese Knochen derart alt aussehen. Handelt e sich um ein Artefakt der Mumifizierung oder des Austrocknungsprozesses? Oder um eine neue, bislang gänzlich unbekannte Form der überschnellen Alterung? Ich weiß es nicht und ich bin mir sicher, dass wir es ohne eine ganze Menge weiterer Arbeit auch nicht erfahren werden. Ich bin mir manchmal sogar nicht ganz sicher, ob dieses Exemplar überhaupt die ganze Aufregung, Mühe und sorgsame Erforschung Wert ist.

GreWi: Gibt es zu dieser Frage des Alters des Lebewesens zum Zeitpunkt seines Todes also "neue" Erkenntnisse?

Nolan: Ich beabsichtige das Alter zum Zeitpunkt des Todes durch eine Bestimmung der Verhältnisse zwischen fötalen und ausgereiften Hämoglobinwerten nochmals genau zu ermitteln. Dabei wird es sich dann um eine unabhängige Einschätzung des möglichen Alters zum Todeszeitpunkt handeln, die dann zudem hoffentlich auch nicht von Veränderungen beeinflusst wird, wie sie durch ein wie auch immer geartetes Syndrom hervorgerufen werden könnten.


GreWi: Das deutsche Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" (bzw. Spiegel-Online) zitiert in einer Meldung Dr. Jürgen Spranger, den Mitautor des wichtigsten Kompendiums für Skelettfehlbildungen, der auf Anfrage die Röntgenaufnahmen der Mumie begutachtete. Dieser habe erklärt, dass zwar "die in den Kniefugen gefundenen Epiphysenkerne dafür (sprechen), dass Ata mehrere Jahre gelebt hat", dass aber "diverse Verknöcherungen, etwa in den Händen sowie am Schambein fehlten, die bei einem Kind eigentlich vorhanden sein müssten." Gemeinsam mit mehreren Fachleuten glaubt Spranger eine Erklärung gefunden zu haben: "Alle Experten (Anm. d.GreWi-Red.: ...die Spranger kontaktiert hatte) sind der Meinung, dass es sich um einen Fötus in etwa der 24. Schwangerschaftswoche handelte." Wahrscheinlich habe der Fötus am sogenannten Wiedemann-Rautenstrauch-Syndrom (WS) gelitten. Wie stehen sie zu dieser Einschätzung?


Nolan:
Dr. Spranger könnte in Bezug auf das Wiedemann-Rautenstrauch-Syndrom Recht haben. Allerdings sollte man bedenken, dass diese Syndrome oft nur eine Ansammlung von Geburtsdefekten mit ähnlicher Erscheinungsform sind. Syndrome haben nicht immer die gleiche Genetik, genauso wenig, wie ein Beutelwolf kein enger Verwandter eines Grauwolfs ist. Anders ausgedrückt, es kann Übereinstimmungen von Merkmalen aus sehr unterschiedlichen Gründen geben.


Erst vor wenigen Wochen haben Dr. Spranger und ich via E-Mail eine Zusammenarbeit besprochen, um gemeinsam den Grund der Mutation herauszufinden. Er hat mir einige Vorschläge zu potentiell ähnlichen fötalen und geborenen menschlichen Exemplaren gemacht, die möglicherweise interessant sind, um zu bestimmen, ob hier eine gemeinsame genetische Schädigung vorliegt, wie sie auch das Atacama-Exemplar aufweist.


Ich möchte aber nochmals sagen, dass basierend auf der angefertigten Sequenz, (das Atacama-Exemplar) keine genetischen Anomalien aufweist, die auf irgendeine bekannte Form von Progerie (überschnelles Altern im Kindesalter) hinweist. Und so mir bekannt ist (ich berufe mich hierbei auf die letzte, mir bekannte Publikation von 2007: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/17728088) liegt für das Wiedemann-Rautenstrauch-Syndrom bislang keine bekannte Genetik vor. Sollte Dr. Spranger von anderen Genen als jenen in dem verwiesenen Bericht wissen, bin ich froh, davon zu erfahren und werde die Gensequenz (der Atacama-Mumie) gerne daraufhin überprüfen, mit ihm die Ergebnisse teilen und gemeinsam publizieren.


Das Problem könnte aber natürlich polygenetischer Art sein oder (die Merkmale der Mumie) wurden durch eine andere Form von Erkrankung hervorgerufen - beispielsweise durch umweltbedingte Teratogene (Anm. GreWi: ...also äußere Einwirkungen, die Fehlbildungen beim Embryo hervorrufen können, etwa Chemikalien wie fruchtschädigende Stoffe, Viren und ionisierende Strahlung).

Atacama-Mumie
Die als "Atacama Homanoid" (Ata) bekannt gewordene Mumie. (Hier als Teil der "Unsolved Mysteries"-Ausstellung in Berlin, 2005.)
| Copyright: André Kramer

GreWi: In vielen Medienberichten wird Ihrer vorsichtigen Haltung zu einer Einschätzung mit anderen Expertenmeinungen begegnet, die davon überzeugt sind, eine gewöhnliche Erklärung für die Anomalien der Mumie zu kennen. Was sagen sie dazu?

Nolan: Ich wurde (von Greer und dem Sirius-Team) hinzugezogen, um zu helfen und nicht um ein "Experten gegen Experten"-Spielchen in und durch die Medien loszutreten. Mich haben in den letzten Wochen zahlreiche bekannte Paläo-Anthropologen und Mediziner kontaktiert, die glauben, dass es noch zahlreiche andere Krankheiten sein könnten. Während also WS das die Anomalien verursachende Syndrom sein könnte, so gibt es zugleich aber auch noch viele andere Ideen und Vorschläge von nicht minder sachkundigen Experten. Die Zuschauer von "Sirius" und auch Ihre Leser sollten - um die Auszüge im Film einordnen zu können - verstehen, dass es viele "Syndrome" gibt, die keine bekannte mit ihnen verbundene Genetik besitzen. Folglich führt die Diagnose einer Probe mit einem Syndrom nicht immer auch zu einer formellen Diagnose der Grundursache.


GreWi: Im Dokumentarfilm "Sirius" erklären Sie, dass die Analyse der mitochondrialen DNA (mDNA) eindeutig zeigt, dass dieses Lebewesen das Kind einer menschlichen Mutter, einer Indiofrau (Haplogruppe B2A) jener chilenischen Region ist, in der die Mumie auch gefunden wurde. Was sagt Ihre bisherige Analyse über den Vater des Wesens aus?


Nolan: Wir vergleichen derzeit die normale DNA mit den bekannten Allel-Frequenzen der indigenen Einheimischen des südamerikanischen Kontinents. Derzeit bin ich zwar noch völlig offen eingestellt, was das Ergebnis dieser Analysen anbetrifft, zugleich erwarte ich aber auch, dass die DNA-Analyse am Ende das Wesen als rein menschlich und auch den Vater als Einheimischen der Fundortregion ausweisen wird. Ich denke, zum jetzigen Zeitpunkt kann man mit ziemlicher Sicherheit und kaum noch Zweifeln sagen, dass das Wesen menschlich ist.

Atacama-Mumie

Weitere Detailansicht der Ata-Mumie. | Coypright: André Kramer
GreWi: Vor dem Hintergrund der offenkundig zahlreiche Missverständnisse in der Öffentlichkeit bezüglich Ihrer Aussagen in "Sirius", erlauben Sie mir die Frage, ob sie es mittlerweile bedauern, in dieser Form Teil der Dokumentation zu sein?


Nolan: Nein. Ich fühle mich zu keinem Zeitpunkt während der Dreharbeiten zum Film und auch nicht unmittelbar danach falsch zitiert oder, dass meine Arbeit (an dem Körper) falsch von den Filmemachern dargestellt wurde. Ich habe ja bereits vielfach deutlich gemacht, dass der Film den Prozess meiner Arbeit und nicht deren Endergebnis oder Schlussfolgerungen darstellt und dass diese Ergebnisse und Schlussfolgerungen sich auch noch während der weiteren Untersuchungen ändern können.


Nochmals: Es handelt sich um einen dynamischen Prozess und man darf davon ausgehen, dass meine Ergebnisse am Ende anders sein werden als während der Dreharbeiten. Da so viele Reporter und Journalisten versucht haben, mich in eine Position zu bringen, in der ich mich entweder für oder vorzugsweise gegen die Macher von "Sirius" stelle und ihnen vorwerfen soll, mich falsch darzustellen - obwohl diese mir großzügigerweise Zugang zu den Daten der Mumie ermöglicht haben, werde ich respektvoll aber entschieden bis zur geplanten Fachpublikation über meine Untersuchungen keine Journalistenfragen mehr beantworten.


GreWi: Dr. Nolan, vielen Dank für diese vielen interessanten und vielfach hochaktuellen Informationen und Einblicke. Gibt es noch etwas, was Sie abschließen hinzufügen möchten?


Nolan: Alles, was ich sonst derzeit noch sagen würde, wäre reine Spekulation und ich kann jetzt schon all meinen Spekulationen in dieser Angelegenheit in den Zeitungen und Nachrichtenmeldungen hinterherlaufen. Ich werde also nicht mehr spekulieren. Stattdessen werde ich alle Daten, Fakten und Beweise für einen Fachartikel über die Atacama-Mumie zusammentragen in dem dann auch die Überlegungen vieler Experten abgeglichen werden können. Das wird alles wird aber wohl noch einige Monate in Anspruch nehmen, da diese Untersuchung innerhalb meiner Arbeit nicht die höchste Priorität besitzt.


Ich glaube, am Ende dieser Untersuchungen werden wir eine konventionelle Erklärung für die 6-8 Jahre alt erscheinenden Epiphysenscheiben finden und ich hoffe, dass wir auch für die sonstigen Anomalien genetische Ursachen finden und dass diese Informationen dann dabei helfen können, derartigen oder ähnlichen Geburtsdefekten zu begegnen.


GreWi: Dr. Nolan, nochmals besten Dank für Ihre Ausführungen.

Quelle: www.grenzwissenschaft-aktuell.de

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