Ärzteprotest: Why now?

Ärzteprotest: Why now?
Ärzteprotest: Why now?

Die Ärztekammer hielt gestern (21.11.2012) eine außerordentliche Vollversammlung im MQ ab, um gegen die geplante Gesundheitsreform zu protestieren:
Die Kammermediziner fühlen sich nicht nur ausgeschlossen, sie warnen auch vor als Kostendämpfungen verschleierten Einsparungen.
(http://orf.at/stories/2152238/2152239/).  

Bereits im Vorfeld schossen die politischen Verhandler der „Reform“ scharf. Die werden schon wissen warum!

Die Wiener Gesundheitsstadträtin Wehsely ließ sich in der KRONE bejubeln, dass sie den Kammerfunktionären ihre Spesen kürzen würde (http://wp.me/p1kfuX-vC).
Die frischgebackene Wiener Patientenanwältin dankte dem Wiener Rathaus ihren gut bezahlten Wechsel von der grünen Kritikerin zum Sprachrohr neuer HerrInnen (http://sprechstunde.meinblog.at/?blogId=77432) mit einer durchsichtigen Polemik im Vorfeld der Kammerveranstaltung: „Gesundheitsreform:
Seh ich weg von dem Fleck, ist die Ärztekammer weg? Kommentar der anderen Sigrid Pilz
(http://derstandard.at/1353206671643/Gesundheitsreform-Wenn-Standesvertreter-zu-Wutbuergern-werden)
Für den Feinschmecker zeigt der Unterschied zwischen Artikelüberschrift und Link den redaktionellen Entstehungsprozess des Artikels.

LH Pühringer grollte von „Reformunwilligen Beharrungskräften“ und 
BuMin Stöger beschuldigte die Ärzte, dass sie mit ihren Plakaten (Spital weg, Ordination weg) „die Patienten falsch informieren“.
Ob er da gute PR-Berater hatte, mag übrigens bezweifelt werden, denn natürlich werden österreichweit Spitäler und Abteilungen geschlossen. Das werden die betroffenen Bürger erleben und das können sie in den diversen Regionalen Gesundheitsplänen (RSGs) schon jetzt lesen. Das das im Einzelfall ökonomisch durchaus Sinn macht, steht auf einem anderen Blatt, aber den Menschen vorzugaukeln, dass das alles gar nicht passiert, was sie am eigenen Leib erleben, ist politisch nicht unkühn.

Dass die ganze Aufregung um den Meilenstein Gesundheitsreform schön langsam nervt, nachdem es seit einem Jahrzehnt IMMER WIEDER geheißen hat, dass NUN ENDLICH die
GROSSE GESUNDHEITSREFORM GESCHAFFT wurde, steht auf einem anderen Blatt, bzw. Blog-Beitrag: http://sprechstunde.meinblog.at/?blogId=78799

Was mich heute beschäftigt ist, dass bereits vor fast einem halben Jahr der Durchbruch in der großen Reform verkündet wurde (http://sprechstunde.meinblog.at/?blogId=78799) 
und die Ärztekammer erst jetzt zum großen Protest ausholt. Nicht auffällig?

Dass sie in die Gespräche zur „Gesundheitsreform die Neueste“ NIE wirklich eingebunden war, hätte unserer Kammer eigentlich schon früher auffallen können.

Überfliegt man die Presseartikel zum Protestkonvent, dann schien dies keinen unserer Journalisten aufgefallen zu sein:

Der Standard: Ärzte wehren sich gegen geheime Reformverhandlungen
"Die Gesundheitsreform soll kein Geheimthema sein", sagt Artur Wechselberger, Präsident der österreichischen Ärztekammer. Sie werde hinter verschlossenen Türen verhandelt, es seien "Geheimverhandlungen", die Ängste in der Bevölkerung und in der Ärzteschaft schüren. Leistungskürzungen seien unvermeidlich, sagt die Ärztekammer.
http://derstandard.at/1353206834422/Aerzte-wehren-sich-gegen-geheime-Gesundheitsreformverhandlungen  

Kurier: Ärzte erhöhen den Druck 
http://kurier.at/politik/inland/aerzte-erhoehen-den-druck/1.351.337  

Heute: Harte Gangart vs. Regierung - Wegen Reform: Ärzte drohen mit Dienst nach Vorschrift http://www.heute.at/news/politik/art23660,827501  

Wiener Zeitung: Der Anbieter kann nicht über den Markt entscheiden
Wären die Ärzte in den Verhandlungen, wären wir noch nicht so weit. Die Ärzte sollen keine Politik machen, sondern sich um die Patienten kümmern. Medizin ist nicht gleich Gesundheitspolitik, die soll die Politik machen. Im Übrigen halte ich die Proteste vor Abschluss der Reform für schlechten Stil.
Schellings Welt im Originalton
http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/oesterreich/politik/502962_Der-Anbieter-kann-nicht-ueber-den-Markt-entscheiden.html  

Kleine Zeitung: Übertreibungskünstler im weißen Kittel
http://www.kleinezeitung.at/allgemein/tribuene/3171280/uebertreibungskuenstler-weissen-kittel.story  

OÖ Nachrichten: Ärzte sperren am 16. Jänner die Ordinationen http://www.nachrichten.at/nachrichten/politik/innenpolitik/Aerzte-sperren-am-16-Jaenner-die-Ordinationen;art385,1013349  

Die Presse: Ärzte mobilisieren gegen die Gesundheitsreform
Die Kritik richtete sich gegen die „Geheimverhandlungen“ zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherungen. Die Ärzteschaft fühlt sich ausgeschlossen und meint, den Grund dafür zu kennen: In Wahrheit handle es sich um „eine Finanz- und Organisationsreform“ mit schmerzhaften Folgen für die Patienten, wie Wechselberger und seine vier Stellvertreter bereits am Vormittag in einer Pressekonferenz moniert hatten.
http://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/1315322/Aerzte-mobilisieren-gegen-die-Gesundheitsreform?_vl_backlink=/home/politik/innenpolitik/index.do  

Krone: Ärzte-Resolution gegen „biblisches Desaster“ http://www.krone.at/Oesterreich/Aerzte-Resolution_gegen_biblisches_Desaster-Gesundheitsreform-Story-341700  


Die Antwort auf die brennende Frage, weshalb die Ärztekammer erst jetzt protestiert, da eigentlich nur mehr die Feinabstimmung der §15a Textierung zur Debatte steht, die wiederum nur Bund und Länder betrifft, bleibt in all den Artikeln unbeantwortet.
Ja, nicht einmal die Frage wurde gestellt.

Eine Ärztekammer,

die in zähen Verhandlungen seit Jahrzehnten nichts dabei findet, dass die Kassen Einzelleistungen mit absurd niedrigen Tarifen abgelten (rektale Untersuchung: 2,75€ http://sprechstunde.meinblog.at/?blogId=78799),
die seit Jahrzehnten übersieht, dass der angeblich „freie Beruf Arzt“ inzwischen mehrheitlich von angestellten Ärzte repräsentiert wird,

die vom „Hausarzt“ schwärmt, während Fachärzte heute die Mehrheit aller Ärzte stellen, und die kaum begreift, dass der Wahlarztsystem (hier zahlt die Kasse nur 75% des Tarifs, alles andere der Patient) inzwischen zu einer Privatisierung ganzer Sonderfächer geführt hat…

diese Kammer protestiert jetzt, weil ihr das Recht abgesprochen wird, den Stellenplan der niedergelassenen Ärzte direkt mit den Krankenkassen (Hauptverband) auszumachen.
Dadurch verliert die Kammer die wichtigste Machtposition gegenüber den Kassen aber auch gegenüber ihren Zwangsmitgliedern. 
Aber dies kann sie weder der Öffentlichkeit noch ihren Mitgliedern sagen ….

Verstehen Sie mich richtig, ich unterstütze voll die angedrohten Ärzteproteste gegen die Art und Weise wie in Österreich gegen ärztliches Wissen und Erfahrung Gesundheitspolitik gemacht wird.

Ich protestiere gern dagegen, dass die Wirtschaftskammer (siehe ELGA Artikel http://sprechstunde.meinblog.at/?blogId=78930) heute mehr Einspruchsrechte im Gesundheitssystem hat, als die Ärztekammer.

Wer sich aber auf diesem Blog nur ein bisschen „umherliest“, der sollte schnell mitbekommen, dass ich argumentativ gegen viele „Entwicklungen“ unserer Gesundheitspolitiker protestiere und einen solidarischen Widerstand der Ärzteschaft nur begrüßen würde,

ABER

die Ärztekammer sagt hier nicht die ganze Wahrheit über ihre Beweggründe.
Damit reiht sie sich in die österr. Realpolitik ein, denn auch der Herr Schelling möchte uns Glauben machen, dass er lediglich der Überbringer der frommen Denkungsart wäre und nicht eingesetzt wurde, damit sich die Arbeitgeber etwas an Lohnnebenkosten ersparen.

Ich bezweifle, ob Ingeborg Bachmann wirklich die „Wahrheit zumutbar“ war und ich weiß, dass sie nicht jedem Patienten zumutbar ist, wenn er sich in einer außergewöhnlichen Situation befindet,
aber immer dort, wo in der Politik die „Wahrheit nicht zugemutet wurde“, kam Schreckliches ans Tageslicht.
 


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