Anstehender Umzug - heute und damals

Anstehender Umzug - heute und damals Bianca und Joy sind heute gemeinsam in die Schweiz abgereist. Es war ein schwerer Abschied,.obwohl wir uns nächsten Samstag bereits wieder sehen, denn dann wird der Umzug der Möbel und des Privatbesitzes der beiden anstehen. Ich werde den mit ihren Sachen beladenen Transporter in die Schweiz fahren. Auch hier habe ich ein Dejà-vu. Vor 28 Jahren bereits hatte ich den Transporter für meinen eigenen Umzug nach Italien gefahren. Und nun tue ich das Gleiche für meine Tochter, diesmal in die Schweiz.
Meine Gedanken kreisen darum, wie es den beiden in den nächsten Tagen ergehen wird. Dank Skype, Facebook und Co. werde ich bereits morgen Neuigkeiten erfahren, z.B. wie es Joy an ihrem ersten Schultag ergangen sein wird und wie es ihr im Schulhort gefällt.
Trotz der aktuellen Ereignisse will ich mich jetzt aber rückbesinnen auf meine Anfänge als alleinerziehende Mutter und  meine Geschichte weiter erzählen.
Zuletzt hatte ich über meinen ersten Arbeitstag im Büro berichtet. Die Kinder hatten ihren ersten Tag in der KiTA bzw. in der Kinderkrippe erlebt und alles war gut gelaufen. Das machte mir Hoffnung und Mut für den nächsten Tag.
Auch am zweiten Tag lief alles bestens. Die Kinder fühlten sich wohl in ihrer neuen Umgebung. Bianca fand schnell Anschluss und Marco konnte mir mit seinen 1,5 Jahren noch nichts berichten, aber laut den Kinderpflegerinnen lief alles prima.
Am dritten Tag dann fing Marco plötzlich bitterlich zu weinen an, als ich ihn morgens zur Krippe brachte. Die Pflegerinnen sagten, das wäre ganz normal, es könne sein, dass der Abschied nun ein paar Tage tränenreich verlaufen würde, aber dann hätte er die Eingewöhnungsphase hinter sich und würde nicht mehr weinen.  Es fiel mir trotz dieser Erklärung unendlich schwer, ihn dort zu lassen. Er streckte seine Ärmchen nach mir aus und rief weinend "Mama". Schweren Herzens warf ich ihm eine letzte Kusshand zu und verließ die Kinderkrippe. Den ganzen Tag sah ich meinen weinenden kleinen Sohn vor mir. Ich machte mir Sorgen und hatte ein schlechtes Gewissen ihm gegenüber. Doch ich musste durchhalten, ich hatte keine Wahl. Marco auch nicht.
Endlich, endlich war es 16.30 Uhr geworden und ich machte mich nervös und aufgewühlt nach einem anstrengenden Arbeitstag auf den Weg zu den Kindern.
Wie würde ich Marco vorfinden? Würde er weinen? Was würden mir die Kinderpfegerinnen erzählen?
Ich trat durch das Gartentörchen der Kinderkrippe und schaute in den Garten mit dem Sandkasten, in dem die Kleinen spielten. Ich sah Marco sofort. Ich war unendlich erleichtert, ihn wieder im Sand spielen zu sehen, als wäre nichts passiert. Ganz versunken saß er da und füllte sein Eimerchen mit Sand. Ich trat auf ihn zu und sagte sanft:"Hallo Marco!" und lächelte ihn an. Da lächelte er selig zurück und streckte mir seine Ärmchen entgegen, damit ich ihn hochnahm. Er freute sich, dass ich wieder da war, genauso wie die letzten 2 Tage zuvor. Von seiner Traurigkeit am Morgen war nichts mehr übrig und ich war sehr erleichtert zu sehen, dass es ihm gut ging. Auch seine Betreuerinnen erzählten mir, dass er ungefähr noch 10 Minuten nach unserem Abschied geweint hätte und dann aber mit den Bauklötzchen zu spielen angefangen hätte und sich dabei schnell beruhigt hätte.
Diese Szenen wiederholten sich noch ein paar Tage. Morgens weinte er und abends war er gut drauf. Dann, von einem Tag auf den anderen, weinte er morgens nicht mehr und ging von da an fast immer gerne in die Kinderkrippe.
Bianca bekam nie eine Weinphase. Sie war ja bereits in Italien in den Kindergarten gegangen. Der Tagesablauf war dort ähnlich gewesen wie jetzt in der KiTa in Stuttgart. Sie gewöhnte sich sehr schnell und ohne sichtbare Probleme ein.
Danach wurde das Arbeiten für mich auch leichter. Meine Gedanken kehrten mit der Zeit während des Arbeitens immer weniger zu den Kindern zurück. Ich konnte mich immer besser auf meine Aufgaben konzentrieren. Ein Problem jedoch sollte mich die ganzen nächsten Jahre, in denen ich meine Kinder morgens zur KiTa brachte und abends wieder abholte, begleiten: das war das Problem des pünktlichen Abholens nach Feierabend. Ich konnte nicht immer um Punkt half fünf den Stift fallen lassen und meinen Arbeitsplatz verlassen. Manchmal musste auch noch etwas dringend fertig gemacht werden, das etwas länger dauerte. Dann kam ich regelmäßig ins Schwitzen. Einerseits war da mein Arbeitgeber, der von mir erwartete, dass ich z.B. einen Brief zu Ende schrieb. Andererseits waren da meine Kinder, die auf mich warteten. Außerdem waren die Erzieherinnen nicht erfreut, wenn eine von ihnen mit meinen Kindern länger als 17 Uhr auf mich warten musste. Auch für die Kinder war das unangenehm. Alle anderen Kinder waren bereits abgeholt und sie mussten alleine mit einer Erzieherin auf ihre unpünktliche Mutter warten. In der Anfangszeit kam es ab und zu vor, dass ich die Kinder zu spät abholte. Dann wurde mir unmissverständlich klar gemacht, dass das so nicht weitergehen könne. Ich musste nach einer Lösung des Problems suchen und fand sie in meinen Eltern. Mein Vater erklärte sich bereit, in Ausnahmefällen, wenn ich länger arbeiten musste, die Kinder abzuholen und sie mit in seinen Laden zu nehmen. Dort konnte ich sie dann im Rahmen seiner Öffnungszeiten bis 18.30 Uhr abholen. Das war eine große Erleichterung für mich und eine willkommene Abwechslung für die Kinder, die sehr gerne bei ihren Großeltern im Laden waren.
So spielte sich nach und nach alles ein. Der Alltag kehrte für uns ein.
Es fehlte nur noch unsere eigene Wohnung.
Unaufhaltsam drängte die Zeit. Meine Eltern waren langsam am Ende ihrer Kräfte angekommen. Sie sehnten sich wieder nach mehr Ruhe in ihren eigenen vier Wänden, verständlich wie ich meine. Auch für die Kinder und mich war das 9m² große Kinderzimmer auf Dauer keine Lösung. So suchte ich intensiv nach einer bezahlbaren Wohnung für uns, doch das war nicht so leicht. Als 24 Jahre alte alleinerziehende Mutter zweier Kinder, die vor Kurzem von Italien nach Deutschland zurückgekehrt war und auch erst seit Kurzem arbeitete, gehörte ich nicht gerade zu den Wunschkandidaten der Vermieter. Viele Vermieter sagten mir bereits am Telefon, dass sie entweder keine alleinerziehende Mutter als Mieterin haben wollten, oder sie störten sich an den Kindern. Ich bekam sehr viele Absagen, aber ich gab nicht auf. Über eine Kollegin dann, deren Bekannter ein Makler war, bekam ich die Chance, eine wunderschöne 2-Zimmer-Wohnung als Erstbezug direkt am Hang einer der vielen Weinberge Stuttgarts in einem Terrassengebäude zu besichtigen. Die Wohnung war toll. Sie lag im Erdgeschoss und hatte eine schöne und große Terrasse. Insgesamt hatte sie knapp 60m² Wohnfläche, die aufgeteilt waren in ein großes Wohnzimmer, das zur Küche hin offen war, einem Schlafzimmer, einem Bad und einem extra WC. Alles nagelneu und modern. Diese Wohnung gefiel mir auf Anhieb, in Gedanken war ich sie bereits am Einrichten, das Schlafzimmer würde das Kinderzimmer werden, hier im Wohnzimmer am Seitenfenster würde ich die Essecke hinstellen, dort die Couch, auf der ich schlafen würde,...hier würden wir uns sicher wohl fühlen und ich fragte den Makler nach dem Preis. "Die Wohnung kostet 750 DM kalt!" sagte er. Ich erschrak! Das war viel zu viel, ich hatte mir ein Limit von 500 DM gesetzt. Wie um alles in der Welt sollte ich diese für die damalige Zeit teure Miete nur bezahlen? Trotzdem sagte ich dem Makler, ich wäre sehr interessiert und würde ihm am nächsten Tag meine Entscheidung mitteilen.
Abends besprach ich mich mit meinen Eltern. Sie hatten in letzter Zeit mitbekommen, wie schwierig dieWohnungssuche für mich war. Daher sprachen sie mir Mut zu und rieten mir, die Wohnung zu nehmen, sollte ich sie bekommen. Sie würden mich zwar nicht finanziell unterstützen, aber sie würden mir auf andere Weise helfen, uns immer wieder mit Lebensmitteln und Gegenständen des täglichen Bedarfs unterstützen, die sie günstig beim Großhändler einkaufen konnten. So würde sich das benötigte Haushaltsgeld reduzieren. Ich rechnete hin und her. Mein kleines Gehalt plus das Kindergeld, mehr hatte ich nicht. Italo bezahlte damals keinen Cent Unterhalt. Dem standen als Ausgaben gegenüber: Kosten der Kinderbetreuung, Miete, Nebenkosten wie Strom und Heizung, Haushaltsgeld und das Auto. Ein Telefonanschluss war nicht drin. Wir würden uns sehr einschränken müssen, sehr, sehr sparen müssen, dann sollte es mit der zugesagten Unterstützung meiner Eltern funktionieren.
Es war äußerst knapp kalkuliert und mir war nicht ganz wohl bei dem Gedanken, trotzdem rief ich am nächsten Tag den Makler an und sagte ihm, dass ich die Wohnung nehmen würde, wenn ich sie bekommen würde. Und zu meiner Überraschung bekam ich sie tatsächlich! Auf der einen Seite war ich sehr froh, dass die Kinder und ich nun bald unser eigenes Zuhause haben würden, auf der anderen Seite drückte mich die finanzielle Last, die mit dieser Wohnung verbunden war.
Es war mittlerweile September geworden. Zum 1. Oktober konnten wir einziehen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten uns meine Eltern 4 Monate beherbergt. Auch sie waren sehr froh, dass wir bald in unsere eigene Wohnung ziehen würden.
4 Wochen waren es noch bis dahin. Jetzt hatten wir eine Wohnung in Stuttgart, vieles würde dadurch leichter werden. Aber nun stellte sich erst mal die Frage, mit was ich die Wohnung einrichten konnte. Ich war aus Italien zurück gekommen mit meinen beiden Kindern, einem alten Auto und 2 Koffern voller Klamotten. Ich besaß nichts mehr, selbst die kleinsten Dinge wie Töpfe, Gläser oder ein Bügeleisen, Handtücher oder Bettwäsche, alles hatte ich in Italien zurück gelassen. Das bisschen Geld, das ich bis dahin gespart hatte, reichte gerade für die Kaution. Wo sollte ich Möbel herbekommen? Betten für die Kinder, Schränke, eine Couch, die Küche, die komplett ausgestattet werden musste...wie sollte ich ohne Geld all diese Dinge besorgen?
Die nächste große Aufgabe wartete auf mich.


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