Es gibt Fernsehbilder, die man nicht vergessen kann. Einige werden zu einem Teil des Bilderkanons der Gesellschaft (Muhammad Ali steht über dem am Boxen liegenden Sonny Liston). Ein anderer Teil wird zu einer persönlichen Erinnerung. Ein Fernsehbild, das sich mir persönlich besonders eingeprägt hat, stammt aus dem Kampf zwischen Andreas Sidon und Nikolai Valuev. Der Kampf war, soweit ich weiß, noch nie in voller Länge im deutschen Fernsehen zu sehen. Ich sah ihn bei Andreas Sidon zu Hause, der die Masterbände von dem Kampf besitzt.
Für Sidon war der Kampf am 07. Mai 1999 in einem Theater in Prag erst der zweite Auftritt als Profi. Valuev war amtierender russischer Meister im Schwergewicht. Er sah Furcht einflößend aus. Mit seinen 2,17 Metern war er ganze 20 Zentimeter größer als Sidon und in 19 Profikämpfen ungeschlagen geblieben. Nur drei seiner Gegner hatten den Schlussgong stehend erreicht. „Ich wusste durch mein Sparring mit Timo Hoffmann, der auch eine Riesenkante ist, dass große Boxer auch Nachteile haben, z. B. bei der Sauerstoffversorgung“, erzählte Sidon. Sidon schlug sich bravourös. Allein die Tatsache, dass der kleinere und unerfahrene Boxer den Kampf aufnahm und den Sieg suchte, brachte Sidon die Unterstützung der Zuschauer ein. In der dritten Runde passierte dann etwas Unerwartetes: Der Ringrichter brach den Kampf unnötigerweise ab, nachdem Sidon einige Treffer hatte nehmen müssen. Die Situation eskalierte, als das Publikum, das Schiebung vermutete, Gegenstände in den Ring warf. Sidon einigte sich mit Valuev darauf, den Kampf weiterzuführen. Der Referee verließ den Ring. Irgendjemand machte den Zeitnehmer und sogar die Nummerngirls zeigten weiter die Runden an. Die beiden Boxer brachten die angesetzten sechs Runden vor einem begeisterten Publikum zu Ende. Allerdings war die letzte Runde wohl etwas kürzer. Der Fight steht als „no contest“ in den Kampfrekorden von Sidon und Valuev.
Der Kampf der Beiden war einfach spektakulär: Zwei Boxer tragen ihren Kampf inmitten von Chaos aus. Einmal ist ein Mann mit Besen noch zu sehen, der die Flaschen zusammenkehrt, ein anderes Mal ist noch ein Nummerngirl im Ring, während Sidon und Valuev miteinander kämpfen. Aber das Bild, das ich mich am meisten beeindruckte, war, wie Sidon immer wieder den Kopf des wohl völlig erschöpften Valuevs mit der Linken nach unten zog um einen rechten Aufwärtshaken zu landen.
Als dann Valuev als neue Schwergewichtshoffnung und in Richtung WM-Herausforderer aufgebaut wurde, gab es Überlegungen einen Rückkampf zu organisieren. Angeblich ist der dann aber am Veto der ARD gescheitert. Es wurde kolportiert, die ARD hätte Angst gehabt um die Gesundheit von Sidon. Ich persönlich halte diese Entscheidung der ARD für eine ganz schlechte. Sidon hatte zu diesem Zeitpunkt noch nicht seine Niederlagen gegen Alexander Dimitrenko (02.07.2006), Taras Bydenko (28.10.2006) und Odlanier Solis (27.04.2007) hinnehmen müssen. Mir, der ich gesehen habe, mit welcher Leichtigkeit Sidon den Kopf von Valuev herunterzieht um ihn zu schlagen, kann kaum an die Menschliebe der ARD glauben. Ich vermute eher, dass die ARD damals eher Angst um den Kampfrekord „ihres“ Schwergewichtlers hatte. Außerdem hätten sie ja dann auch Sidon Geld für die Aufnahmen des ersten Kampfes geben müssen, um ihn den Zuschauern zu zeigen.
© Uwe Betker