Alle(s) neu und so modern?

Die Medien halten seit mehr als sechs Jahren Ausschau nach ihnen, diejenigen, die es sind, wollen es nicht sein und ihre Kritikerinnen bezweifeln, dass es sie jemals in nennenswerter Zahl gegeben hat. Die Rede ist von den ‚neuen Vätern‘. Eigentlich ist es ja ganz einfach, jeder Mann, der zum ersten Mal Vater wird, ist ein ‚neuer’ Vater. Der Begriff ‚neue Väter’ überhöht aber diesen einfachen biologischen und sozialen Vorgang und verbindet ihn mit Erwartungen an Haltung und Verhalten der Väter. Das Mindeste dabei sind zwei Monate Elternzeit und eine anschließende Arbeitszeitreduzierung.

Der Begriff ‚neue Väter’ ist aber gar keine Erfindung von Frau von der Leyen, die eben diese zwei Vätermonate, Partnermonate heißen sie im Gesetz, eingeführt hat. In der Begleitkampagne tönte es dazu, ‚krabbeln lerne ich bei Mama, laufen dann bei Papa’. Damit war abgesteckt, was neu sein durfte und was beim Alten bleiben sollte.

Die Bezeichnung ‚neue Väter’ ist schon vor 25 Jahren in den Medien aufgetaucht. Ich habe sie vor einigen Jahren bei meinen Recherchen in einer Ausgabe der ‚Brigitte’ vom Oktober 1988 gefunden. Dort geht es unter der Überschrift ‚Männer – neue Väter oder alte Chauvis?’ um die Differenz zwischen dem Reden und dem Tun oder wie es seinerzeit der Soziologe Ulrich Beck ausdrückte, „verbale Aufgeschlossenheit bei weitgehender Verhaltensstarre“. ‚Brigitte‘ skizzierte die Herausforderungen etwas differenzierter und übte sogar Selbstkritik:

„Theoretisch haben die jungen Männer schon einiges von echter Partnerschaft begriffen. Und sogar praktisch deuten sich erfreuliche Tendenzen an. Nur: Wenn ein Kind kommt, ist meistens Feierabend. Dann tauchen die alten Rollenbilder wieder auf – Papi füllt Konto. Mutti schaukelt Baby. Ein Wunder ist es nicht: Das Modell der Versorgerehe wird leider noch von allen Seiten gefördert, von der Arbeitswelt, von Schulen, Kindergärten – und von den Frauen selbst.“

Und diese Aufgabenteilung hat etwas mit Familienpolitik zu tun. Da wird viel Geld ausgegeben und die Wirkung bleibt aus, es werden immer weniger Kinder geboren und überhaupt, ‚Familien sind anders!‘ lautet der Titel eines Buches, der gerade auf meinem Schreibtisch liegt. ‚Anstöße für eine neue Familienpolitik‘ heißt es im Untertitel. Beim Überfliegen bin ich im Abschnitt ‚Tendenzwende‘ hängen geblieben, da schreiben die Autoren ‚Wenn wir abends mit den Ehepaaren sprachen … so war es fast in allen Familien selbstverständlich, dass beide Elternteile – Mütter wie Väter – abwechselnd die Kinder mit Liebe und Geduld trösteten, und es kam häufig vor, dass die Kinder ausdrücklich nach dem Vater riefen, wenn sie wach wurden, oder dass die Väter die Kinder als erste hörten, wenn sie weinten.‘ Die erwähnte Untersuchung ist nicht in den vergangenen Jahren in den skandinavischen Ländern gemacht worden, sondern in den Jahren 1977 bis 1979 in deutschen Unterschichtsfamilien.

Da stellt sich doch die Frage, was erwartet Frau eigentlich heute vom neuen Mann und Vater? Heute, fast 35 Jahre nach dieser Veröffentlichung. Ich beschränke mich an dieser Stelle darauf, die Aussagen einer Mutter von zwei erwachsenen Söhnen wiederzugeben, die gut ausgebildet und frisch verheiratet kurz nacheinander Väter geworden sind.

Ihre ebenfalls gut ausgebildeten Partnerinnen haben nach der Geburt der Kinder ihre Berufe an den Nagel gehängt, kümmern sich zu Hause liebevoll um den Nachwuchs und erwarten von ihren Männern, dass sie genügend Geld nach Hause bringen. Bei gestiegenen Kosten und einem weggefallenen Einkommen keine leichte Aufgabe. Dass sie sich nach Feierabend liebevoll um ihre Kinder kümmern und selbstverständlich auch danach und am Wochenende die Hälfte der im Haushalt anfallenden Arbeiten erledigen und so den Partnerinnen auch Zeit für ihre Hobbys verschaffen. Die jungen Männer versuchen diese Erwartungen zu erfüllen.

Die (Groß-) Mutter jedoch macht sich Sorgen, „da wird wirklich zuviel von ihnen erwartet“ und um die Partnerschaften, für die kaum Zeit übrig bleibt. In dem Zusammenhang fällt mir dann auch das Ergebnis einer Online-Befragung von Müttern ein, die ein Kollege vor einigen Jahren durchgeführt hat. Er ist fast vom Hocker gefallen, als er die Antworten der ‚neuen’ Mütter auf die Frage: „Wie wichtig ist Ihnen der berufliche Erfolg ihres Partners?“ in den Händen hielt. 95 Prozent hatten mit „ist mir wichtig“ und „sehr wichtig“ geantwortet. Das sind auch ein Vierteljahrhundert nach der Brigitte Initiative keine wirklich guten Bedingungen für neue und alte Väter.

Väter ticken heute anders, ergab eine neulich veröffentlichte Trendstudie, aber in einer Partnerschaft nutzt es wenig, wenn nur einer oder eine anders ticken möchte. Es braucht Absprachen und Aushandlungen darüber, wer wann für die Kinder da ist, wer die alltäglichen Arbeiten im Haushalt übernimmt und wer wann ‚Karriere‘ machen kann. Die Entscheidungen von heute stellen die Weichen für die zukünftigen Chancen und der vermeintlich einfachere Weg, Mutter bleibt zuhause und verdient dazu und Vater trägt die Verantwortung für das Familienauskommen, führt zu Unzufriedenheiten auf beiden Seiten. Es braucht Mut zu Entscheidungen, die den Vorstellungen von Partnerschaftlichkeit passen, die vor der Geburt der Kinder, vielfach geteilt worden sind. Ich kann Sie nur ermutigen, diese Wege zu gehen, auch Väter können es mit kleinen Kindern und Mütter sich im Beruf durchsetzen.

Ein Gastbeitrag von Hans-Georg Nelles. Er ist Sozialwissenschaftler, Erwachsenenbildner und Organisationsberater und seit mehr als 15 Jahren für die Durchführung von Projekten im Themenfeld “Vereinbarkeit von Arbeit und Leben” verantwortlich. Mehr unter Väter & Karriere. Er bloggt außerdem auf vaeterblog.de.  


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