Es gibt eine neue Form des Terrors: Der unpolitische Linksextremismus. Ein typischer Vertreter ist beispielsweise der junge Arbeitslose, den die Polizei nach monatelanger Fahndung gefasst hat. Der 27-Jährige soll aus Frust und einem „diffusen Sozialneid“ heraus Dutzende von Autos in Berlin in Brand gesetzt haben. Für seine Taten wählte er vor allem teure deutsche Automarken aus, Audi, BMW oder Mercedes.
Spätestens seit den Kaufhausbrandstiftungen aus den Anfangszeiten der RAF weiß man selbstverständlich, dass es irgendwie links ist, etwas anzustecken. Also muss es auch einen irgendwie linken Hintergrund haben, wenn deutsche Qualitätsautos angezündet werden. Bei Asylantenheimen oder Dönerbuden ist der Hintergrund dann natürlich irgendwie rechts, hat aber oft auch mit diffusem Sozialneid, Frust und einem ziemlich beschränkten Weltbild zu tun.
Eine politische Botschaft hatte der nun erwischte Autobrandstifter allerdings nicht. Aber die braucht es auch gar nicht. Der unpolitische Linksextremist hat manchmal auch nur ein Handy und wohnt am falschen Ort, beispielsweise in Dresden, insbesondere wenn in seiner Gegend gerade eine Anti-Nazi-Demo statt findet, bei der auch politische Linksextremisten ihr Unwesen treiben. Dann reicht es schon, wenn das Handy in der Funkzelle eingebucht ist, die gerade aus Gründen der akuten Gefahrenabwehr überwacht wird. Schon wird aus dem vermeintlich braven Bürger ein unpolitischer Linksextremist, der vorsichtshalber gleich mit überwacht werden muss. Man kann ja nie wissen, ob er nicht vielleicht doch politisch wird und sich dann mit Absicht zur falschen Zeit am falschen Ort aufhält. Gelegentlich mutiert der unpolitische Linksextremist nämlich zum Wutbürger – siehe Stuttgart 21 oder die Demos gegen Fluglärm. Da geht es zu wie zu Hochzeiten der Anti-Atom-Bewegung. Lauter Extremisten!
Ich bin derzeit durchaus versucht, auch Occupy als Phänomen des unpolitischen Linksextremismus einzustufen – auch wenn ich die Behauptung, dass es nur ums gute Aussehen und nicht um den Klassenkampf ginge, schon ein wenig zu ironisch finde. Den zugegebenerweise allzu diffus geäußerten Unmut der Leute als Live-Style-Kram abzutun, ist zwar bequem, trifft es aber nicht. Die Leute sind tatsächlich wütend und frustriert.
Allerdings sehe ich auch keinen Klassenkampf – eine Klasse, die kämpfen will, muss sich zum einen als Klasse empfinden, zum anderen ein Ziel haben, für dass es sich zu kämpfen lohnt. Sich als Teil der 99 Prozent zu empfinden, die halt nichts zu sagen haben, ist ein viel zu kleiner gemeinsamer Nenner für ein Klassenempfinden. Von den 99 Prozent geht es noch immer vielen viel zu gut, um ernsthaft gegen das System zu sein. Und das Ziel, den Banken ein bisschen auf die Finger zu schauen, bringt denjenigen, denen es derzeit schon nicht gut geht, auch nichts. Insofern ist Occupy schon erschreckend unpolitisch. Mal sehen, wie lange noch.