«Edel sei der Mensch, hilfreich und gut», heisst es in Johann Wolfgang von Goethes Gedicht «Das Göttliche». Auf weiterführende Anlagetipps verzichtet der Dichter, doch seine lyrische Maxime scheinen sich viele Anleger dennoch zu Herzen zu nehmen. Das steigende Volumen nachhaltiger, ethisch korrekter und sozial verträglicher Investments ist einer der grossen Trends im Finanzwesen der letzten zwanzig Jahre. …
In vielen Fällen beschränkt sich die ethische Korrektheit indes auf den Verzicht auf Investitionen in Unternehmen, die als «sündig» oder «lasterhaft» wahrgenommenen Branchen entstammen («Sin Stocks»). Dazu zählen die Herstellung von und der Handel mit Alkoholika und Tabak sowie die Glücksspielbranche. Oft verzichten Fonds, die sich Nachhaltigkeit auf die Fahnen heften, auch auf Investitionen in Waffenproduzenten. Wenngleich viele Menschen den Produkten dieser Branchen gerne zusprechen*, wollen sie deren Titel im eigenen Depot (oder dem des Pensionsfonds) offenbar nicht sehen. …
Die Aussicht auf ansprechende Erträge sowie womöglich auch die Faszination, die das Sündige an sich auf viele Menschen ausübt, haben in der Vergangenheit die Entstehung dezidiert unethischer Investmentvehikel begünstigt. Deren bekanntestes ist wohl der «Vice Fund» des amerikanischen Fondsanbieters USA Mutuals, einer Tochter der amerikanischen Geschäftsbank US Bancorp. Der Name – «Vice» ist das englische Wort für Laster – ist Programm. Der Fonds investiert ausschliesslich in Unternehmen aus den Branchen Alkoholika, Tabak, Glücksspiel und Waffen. …
Ob man freilich an den geschwärzten Lungen und zirrhotischen Lebern junger Inder und Chinesen verdienen möchte, bleibt letztlich eine Frage des eigenen Gewissens**. / Christian Gattringer, NZZ 23.5.
*) Bekanntlich hat der Schweizer Mann seine Waffe im Schrank.
**) Die zerschossenen oder zersprengten Körperteile junger Asiaten und Afrikaner wollen wir uns hier nicht vorstellen, obwohl man daran traditionell gut verdient.