Der diesjährige Peter-Huchel-Preis für deutschsprachige Lyrik geht an die 1969 in Essen geborene und in Berlin lebende Lyrikerin Marion Poschmann. Die Jury würdigte in ihrer Sitzung am 14. und 15. Januar 2011 in Freiburg ihren im Suhrkamp-Verlag erschienenen Band „Geistersehen“ als herausragende Neuerscheinung des Jahres 2010.
Marion Poschmanns Lyrik überzeuge, so die Jury in ihrer Begründung, durch sprachliche Virtuosität und gedankliche Geschlossenheit. Streng komponiert und motivisch eng verschränkt nutze ihr dritter Gedichtband Repertoire und Formsprache klassischer Dichtung, vor allem Ode und Sonett, um stilsicher und intellektuell brillant Möglichkeiten und Grenzen der Wahrnehmung auszuloten. In poetischen Versuchsanordnungen schaffe die Autorin aus Testbildern, Störbildern, Trugbildern und Spiegelungen einen Resonanzraum von kühler Schönheit. Die Spannweite der Gedichte reiche von den Kindheitslandschaften ihrer Heimat im Ruhrgebiet bis zu den Kräuterbüchern des Mittelalters und der bildenden Kunst. Auf seinen Erkundungsgängen durch unscharfe Realitäten gerate das lyrische Ich immer wieder an die Grenze der Auflösung. Das Ergebnis seien „fluide Textgebilde mit irritierenden Moiré-Effekten“. Am Ende blieben „Lehrpfade der Abwesenheit“, so der Titel der letzten Gedichte des Bandes.
Marion Poschmann studierte Germanistik, Slawistik und Philosophie in Bonn und Berlin, wo sie auch lebt. 2002 debütierte sie mit dem Roman „Baden bei Gewitter“. Es folgten die Gedichtbände „Verschlossene Kammern“ und „Grund zu Schafen“. Ihr zweiter Prosaband „Schwarzweißroman“ wurde 2005 für den Deutschen Buchpreis nominiert. Sie erhielt zahlreiche Stipendien und Literaturpreise.
Der vom Land Baden-Württemberg und dem Südwestrundfunk gestiftete Peter-Huchel-Preis für deutschsprachige Lyrik ist mit 10.000 Euro dotiert und wird seit 1983 für ein herausragendes lyrisches Werk des vergangenen Jahres verliehen. Er soll die literarische Arbeit deutschsprachiger Lyrikerinnen und Lyriker würdigen. Zugleich will er das Interesse der Öffentlichkeit auf die von den Medien oftmals marginalisierte Gattung Lyrik lenken.
Der Preis erinnert an den Namensgeber Peter Huchel – geboren am 3. April 1903 in Groß-Lichterfelde bei Berlin, gestorben am 30. April 1981 in Staufen im Breisgau –, den bedeutenden Lyriker und Chefredakteur von „Sinn und Form“. Seinem Anspruch und seiner Unbestechlichkeit fühlen sich Preisgeber und die aus sieben unabhängigen Literaturkritikern, -wissenschaftlern und Autoren bestehende Jury verpflichtet.
Der Peter-Huchel-Preis wird am 3. April 2011, dem Geburtstag Huchels, in Staufen im Breisgau verliehen. Zu den Preisträgerinnen und Preisträgern gehörten zuletzt Ulf Stolterfoht, Gerhard Falkner und Friederike Mayröcker.
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