Gino Chiellinos Muttersprache ist das Italienische, aber seine Gedichte schreibt der 1946 in Carlopoli in Kalabrien geborene Lyriker seit dreißig Jahren auf Deutsch. 1969 kam der Student der Soziologie und Germanistik in die Bundesrepublik, um über die wirtschaftliche und soziale Lage italienischer Arbeiter in einem deutschen Metallbetrieb zu forschen. Chiellino blieb länger, als ursprünglich geplant. Er schloß ein Aufbaustudium in Germanistik an, promovierte und wurde Italienischlektor an der Uni Gießen. Heute gilt er als Spezialist für Probleme der Interkulturalität; der Begriff „interkulturelle Literatur“ ist ihm lieber als das Wort „Migrantenliteratur“.
Doch man darf annehmen, daß Chiellino sich wünscht, daß man den Dichter und den Wissenschaftler auseinanderhalten möge. Als Wissenschaftler nennt er sich Carmine (sein zweiter Vorname), als Dichter Gino Chiellino. Von Letzterem ist soeben im Carl Hanser Verlag eine schöne Sammlung seiner Gedichte erschienen, in denen freilich auch Themen seiner wissenschaftlichen Arbeit, in der verwandelten Sprache des Gedichts, immer wieder aufscheinen: „Mit 16 Arbeitsstunden täglich wurde ihnen die Nacht zum Tag“, heißt es etwa in dem Gedicht „Nachruf“ über die „zwischen Baracke und Bahnhof“ pendelnden Gastarbeiter, die erst „mit den Jahren lernten…ihr Leben in Liedern und Tänzen unterzubringen.“ …
In Dresden ist Gino Chiellino übrigens kein Unbekannter: 2003 übernahm er er die Chamisso-Poetik-Dozentur der TU Dresden. Seine im Thelem-Verlag erschienenen Bücher „Ich in Dresden. Eine Poetikdozentur“ und „In Sprache leben. Meine Ankunft in der deutschen Sprache“ künden davon. Am 8. Dezember kommt der Dichter, als Gast des Literaturforum Dresden, für einen Abend zurück in unsere Stadt und stellt, in der Buchhandlung „LeseZeichen“ und im Gespräch mit Patrick Beck, seine Gedichte vor. / Volker Sielaff, Dresdner Neueste Nachrichten 6.12.