Когда умирают люди — поют песни.
Wenn Menschen sterben – singen sie Lieder.
dichtete Welimir Chlebnikow.
Ich passe es der Nachrichtenlage an:
Когда умирают газеты — поют песни.
Wenn Zeitungen sterben – singen sie Lieder.
Manche auch ein paar Jahre früher. Von der Frankfurter Rundschau lese ich:
Der Herausgeber versuchte es mit Gedichten
Als Wolfram Schütte die Rundschau zum Feuilleton der neuen Gedanken machte, wussten die Politikjungs gar nicht, wie wichtig das war, um neben Gewerkschaften, SPD und evangelischer Kirche auch die linksliberalen Studentenkreise und die Kulturszene für sich zu gewinnen. Ganz zu schweigen von damaligen Randgruppen wie Frauen. Die Rundschau war männlich und streng – und basta.
Der legendäre Herausgeber, Chefredakteur und also uneingeschränkte Herrscher Karl Gerold hielt seine eigenen Gedichte zur Propagierung des Linksliberalismus für Kultur. Er publizierte sie gnadenlos auf Seite 3, obwohl sie nach Einschätzung von sachverständigen Zeitzeugen “fürchterlich” waren: “Kaum einer sieht, wie hinterrücks der fahle / Faschismus rings um diesen Erdball rennt.” / taz 1.12.
Frauen und andere Randgruppen. Lyrikleser zum Beispiel. (Schreiber brauchen wir nicht – das macht der Chef selber).
Heute bei der abschiednehmenden Financial Times Deutschland:
Zum Abschluss ein Abgesang auf die FTD des geschätzten Kollegen Georg Dahm in Reimform:
Auf rosa Socken
Seit Jahren kommst du, Nikolaus,
zu uns mit schönen Gaben.
Wie schade, dass in unsrem Haus
die Socken Löcher haben.
In deiner Güte brachtest du
uns jedes Jahr Millionen.
Doch jetzt lässt du dein Säcklein zu
und willst uns nicht mehr schonen.
Es ist dir zu viel Geld zerronnen,
du traust dem Strumpf nicht mehr.
Denn all die Ehr’, die wir gewonnen,
nährt nicht den Aktionär.
Die rosa Socken bleiben leer,
der Wind pfeift durch die Maschen,
das Licht geht aus, das Herz wird schwer,
die Redaktion leert Flaschen.
Wo sollen wir ab Montag schreiben,
was die Nation bewegt?
Was Banker, Bonzen, Kanzler treiben
und Leser schwer erregt?
Ach, unsre Leser, schenkst du sie
nach Düsseldorf und München?
Nach Frankfurt gar, wo man sie braucht,
um den Verlust zu tünchen?
Dort sind die Socken fest und warm,
hat man dir stolz gesagt.
Doch glaub uns: Auch dort ächzt das Garn;
der Tod ist nur vertagt.
Wir wollten doch die Löcher flicken!
Die Nadel lag bereit!
Doch man vergaß, uns Garn zu schicken,
und nun ist Abschiedszeit.