29. Unverdrossen

Dennoch wird unverdrossen Lyrisches produziert. Große Publikumsverlage wie Suhrkamp, Hanser, C.H. Beck oder auch Luchterhand pflegen ihre Lyriker ebenso wie die zahllosen Kleinverlage, die vor allem jungen Autoren oder „schwierigen“ Texten eine Plattform bieten – beispielhaft genannt seien hier nur kookbooks (Motto: „Poesie als Lebensform“), die auf den amerikanischen Kontinent spezialisierten luxbooks, die sprachakrobatische Edition Korrespondenzen aus Wien oder die bewundernswerte Edition Rugerup, die von der schwedischen Provinz aus den deutschsprachigen Lyrikmarkt befeuert. Und davon, dass man mit Gedichten nach wie vor auch eine breitere Leserschaft erreichen kann, zeugen die unzähligen Lyrikanthologien und eine ganze Reihe von erfolgreichen Lyrikkalendern, die dem Jahreslauf sozusagen ein poetisches Fundament unterlegen.

Nachdenklich stimmt allenfalls die Tatsache, dass ausgerechnet die Literaturkritik das Gedicht ein wenig aus dem Blick verloren hat. Die Zahl der Lyrikbesprechungen nimmt stetig ab – und Lyrik wird zudem oft nur noch von Lyrikern besprochen –, in den Literatur- und Kultursendungen des Fernsehens hält man sich lieber an Romane und Theaterstücke, und dass es beim viel beachteten Deutschen Buchpreis keine Sparte für den besten Gedichtband eines Jahres gibt, hat schlicht damit zu tun, dass dieser Preis als Marketinginstrument des Branchenverbands einzig und allein dazu gedacht ist, das Geschäft mit der Literatur anzukurbeln. (…)

Dieses „Haltbarmachen“ des Vergänglichen geschieht mittels der lyrischen Kunstmittel, zu denen nicht nur Reim und Vers gehören, sondern vor allem die sogenannten poetischen Lizenzen, also all die sprachlichen Freiheiten, die man sich im Raum des Gedichts hemmungsloser herausnehmen kann als in den anderen Gattungen: gewagte Metaphorik, grammatikalische Normabweichungen, wortschöpferische Kreativität, Anspielungsreichtum.

bist frau? bist eulen? – heult
effendi im effektenfieber,
er kann ja nicht verstehen,
dass er nicht sehen darf,
was unterm hemdchen
dümpelt.
doch da versteift sich eulen-
fräulein
auf den zeigesinn, da gimpelt’s
brüstlein vor, zurück ein stück
effendi gibt sich süßverzaubert,
das andere taubert um die gim
pelbrust
herum. ( . . . )

Das Sprachfeuerwerk, das die deutsche Buchpreisträgerin Kathrin Schmidt hier abbrennt, macht auch deutlich, dass sich Gedichte nicht ausschließlich an den Intellekt oder die Vorstellungskraft des Lesers richten. Mindestens genauso wichtig ist in den meisten Fällen die auditive Wahrnehmung, die den Klang des Gedichts, den „Sound“ eines Dichters, wie Gottfried Benn das nannte, aufzunehmen bereit ist.  / Wiener Zeitung

/ Der Autor  Andreas Wirthensohn hat gemeinsam mit Michael Frey bei dtv den Band  „Wieder alles weich und weiß. Gedichte vom Schnee“herausgegeben. In dieser Anthologie sind zeitgenössische und historische Gedichte zusammengestellt, die winterlichem Niederschlag gewidmet sind: „Gestern hats geschneiet / Heute hats geregnet; / Oder hats geregnet / Gestern, heut geschneiet?“ (Friedrich Rückert). Illustriert wurde der Band von Rotraut Susanne Berner.


 



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