25. Stück: Woran man merkt, dass eine Fernsehserie den Bach runter geht

Über das unsägliche Ende der einstmals hervorragenden Serie Lost habe ich mich ja bereits ausgelassen. Allerdings ist dies leider kein Einzelfall. Die meisten Serien, die nicht mangels Quoten abgesetzt wurden, bevor es soweit kommen konnte, gehen irgendwann den Bach runter. Ally McBeal hatte eine Staffel zu viel, die Gilmore Girls hatten zwei Staffeln zu viel, Nip/Tuck hatte eineinhalb Staffeln zu viel und bei den Desperate Housewives habe ich nach der fünften Staffel nur noch sporadisch weitergeguckt, weil ich mir dieses Elend nicht länger zu Gemüte führen wollte.

Woran aber merkt man, dass eine Serie ihr Pulver verschossen hat? Das wäre doch gut zu wissen, dann braucht man nur bis zu dem Punkt zu schauen, in der die Serie noch in Ordnung ist und dann kann man sie in guter Erinnerung behalten. Meiner Meinung nach (das kann gern ergänzt oder für Quatsch erklärt werden), fängt es damit an, dass sich bestimmte Handlungsmotive wiederholen. Bei den Desperate Housewives zieht zum Beispiel zu Beginn jeder Staffel ein neuer Nachbar ein, den irgendein total finsteres Geheimnis umtreibt und am Ende jeder Staffel gibt es irgendeine Katastrophe, die die Wisteria Lane fast zerstört, aber nicht ganz, damit nicht für die nächste Staffel alle umziehen müssen. Meistens stirbt auch irgendjemand, der in der laufenden Staffel gerade erst für ein wenig Spannung und Konfliktpotential gesorgt hatte.

Wenn eine Serie ihren Schwanengesang hält, erhöht sich zumeist die Fluktuation von Figuren. Die Figuren, die man schon von Anbeginn ‚kannte‘ gehen plötzlich, ohne dass die Drehbuchautoren sich besondere Mühe gäben, der Figur einen würdigen Ausstieg zu bescheren. Meistens bekommen die Figuren eine tödliche Krankheit verpasst oder – wie bei Ally McBeal, wo sie spontan umdisponieren mussten, als Robert Downey Jr. wegen Drogengeschichten in den Knast wanderte – sie sind dann einfach weg und hinterlassen eine Notiz, sie seien umgezogen. Und danach geben sich die neuen Figuren die Klinke in die Hand, noch bevor sie Zeit hatten, sich in den etablierten Figurenkonstellationen zu positionieren, geschweige denn ihren Charakter zu entwickeln. Auch hier ist Ally McBeal ein gutes Beispiel. Neue Anwälte, die zu Beginn der fünften (misslungenen) Staffel eingestellt wurden, wurden nach der Hälfte der Staffel wieder gefeuert und gründeten dann ihre eigene Kanzlei (was schon in den Staffeln zuvor passiert war, da wären wir wieder bei der Wiederholung von Handlungsmotiven), dann tauchte auch noch eine zehnjährige Tochter von Ally aus dem Nichts auf (Ally hatte ganz vergessen, dass sie ja irgendwann vor zehn Jahren mal eine Eizelle hatte einfrieren lassen) und zieht bei ihr ein und dann scheitert eine Beziehung nach der nächsten, unter anderem mit Jon Bon Jovi (hab seinen Rollennamen vergessen) und dann erkennt Ally am Ende, dass die Mutterschaft ihre wahre Erfüllung ist und sie ja eigentlich keinen Mann braucht.

Womit wir schon beim nächsten Punkt wären, der ein deutliches Indiz für das Den-Bach-runter-gehen einer Serie ist. Wenn die Figuren anfangen, sich ihrem Seriencharakter entsprechend, unlogisch und absurd zu verhalten oder wenn die Figuren zugunsten billiger Gags ‚verraten‘ werden, ist das spätestens der Moment, das Zuschauen einzustellen. Wenn Susan in Desperate Housewives wieder mal ihre Komplexe kriegt und nach Mike greint oder ihrer Tochter die Ohren vollheult und dann wieder einmal – Achtung witzig! – über irgendetwas stolpert und leichtbekleidet irgendwo reinfällt, weiß man, diese Figur hat ausgedient. Wenn Gabrielle plötzlich verrückt wird und eine Obsession für irgendeine komische Puppe entwickelt, steht das im kompletten Widerspruch zu ihrem sonstigen Charakter, auch diese Figur hat offenbar nichts mehr zu bieten und deswegen wird ihr mal eben irgendeine absurde Geisteskrankheit auf’s Auge gedrückt. Natürlich verhalten sich Menschen im ‚richtigen‘ Leben auch mal unlogisch und widersprüchlich und entwickeln auch manchmal Geisteskrankheiten, die man ihnen so nicht zugetraut hätte. Aber wenn die Geisteskrankheit nur dem Effekt dient und nicht in der Handlung oder der Geschichte begründet liegt, wirkt das einfach nur absurd. Überhaupt sollte man aufhören, eine Serie zu verfolgen, wenn die Charakterzüge der Figuren plötzlich ins Groteske überzeichnet werden und nur noch der Effekthascherei dienen. Wenn die Charakterzüge die ganze Zeit grotesk überzeichnet sind, kann man das ja unter Umständen als Stilmittel gelten lassen. Aber wenn die Zeichnung der Charakterzüge ursprünglich ‚realistisch‘ war und plötzlich übertrieben wird, zeigt das, dass den Autoren nichts mehr eingefallen ist und sie versuchen, das mit billigen Tricks zu übertünchen.


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