22. Wie ein Sack, der die Treppe runterfällt

Die Piratin Marina Weisband kapert ein russisches Lied und schreibt darüber:

Die eigentliche Tragödie beginnt dann, wenn ich mir den gereimten Text ansehe. Die russische Sprache klingt zwar oberflächlich härter, ist in ihrem Wesen aber  fließender. Das Deutsche hingegen klingt im Vergleich dazu – in meinen Ohren – wie ein Sack mit kaputten Schreibmaschinen und Besteck, der die Treppe runterfällt.

Während Rilke es schafft, der Sprache Eleganz zu entlocken, vermag ich das leider gar nicht. Vielleicht fehlt mir hier das Gespür einer Einheimischen für Sprache. Mir ist es wichtig, dass die Sprache nicht stolpert. Also benutze ich gern vokalreiche Worte, die die Sprachmelodie des Originals besser wiedergeben.

Wie geschickt man es auch macht – und ich habe viele professionelle Übersetzungen gelesen – zumeist verliert ein Gedicht gegenüber seiner Originalsprache. Je besser das Werk, desto mehr verliert es, denn umso mehr gab es zu verlieren. Während Fachtexte an unseren Verstand gerichtet sind, zupft Lyrik im Normalfall emotionale Saiten. Die Emotionen entstammen unserer Gewohnheit, unserer Sozialisation, unserer Kultur. Sie sind weniger übertragbar, sie sind das, was uns seit Kindheit im Innersten anrührt.  Wie erreicht man sie genau so, wie sie bei ganz anders gestrickten Menschen erreicht werden? Ich weiß nicht. Mir ist klar, dass eine gute Übersetzung im Prinzip fast ein neues Gedicht in der Zielsprache sein muss. Es wird gegenüber dem Original viel verlieren und viel Eigenes gewinnen. Mich macht es traurig, dass ich das, was ich wirklich zeigen will, nie zeigen kann. Ich übersetze nur. Ich schicke es in die Welt hinaus und hoffe, dass es irgendwo, bei irgendjemandem, etwas anrührt.

/ faz-blog



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