Zuletzt gezweifelt

Man liest jetzt viel, was Schirrmacher gewesen sein soll. Seine größte Bedeutung war vielleicht, dass er als Journalist den neoliberalen Reformismus überwunden hat und plötzlich Zweifel an »den Märkten« anmeldete.

Zuletzt gezweifelt

Bild: ddp

Wendepunkt war wohl die Krise des neoliberal-kapitalistischen Finanzsystems. Vorher fiel Schirrmacher weniger durch Kritizismus als durch Herunterleiern von neoliberaler Agenda auf. Sein »Methusalem-Komplott« von 2004 war dafür exemplarisch. Er griff die Diskussionen zum demographischen Wandel auf und seine Rezepte zur Lösung klangen so wie die eines neoliberalen Spin-Doctors. Er hat damals stark an der Zerrüttung des Vertrauens gegenüber der umlagefinanzierten Rente mitgewirkt. Vor drei Jahren schrieb er dann in der »Frankfurter Allgemeinen«, dass er »zu glauben [beginne], dass die Linke recht hat«. Nach Jahren der Krise und der Erkenntnis, dass das neoliberale Reformkonzept nicht gefruchtet, sondern die Situation nur noch verschlimmert hatte, näherte sich Schirrmacher linken Wirtschaftspositionen an - freilich ohne gleich Linker zu werden. Diese Einsicht gipfelte in seinem Buch »Ego: Das Spiel des Lebens«, in dem er den radikalen Egoismus ohne Moral verurteilte, der das amtierende Wirtschaftssystem kennzeichne.

In den letzten Jahren wurde Schirrmacher wieder ein kritischerer Chronist des Zeitgeschehens. Es war so, als ob ihn Selbstzweifel plagten. War er einst auf dem richtigen Zug gesprungen? Oder irrte auch er sich, wie so viele Journalisten in Zeiten der Anpassung? Nach all den Jahren, in denen der Konservatismus von der Marktliberalen übernommen wurde, schien sich an seiner Person die Befreiung von diesem Zugriff zu manifestieren. Er war das prominente Vorzeigebild dafür, dass die ehemaligen Befürworter des neuen Kurses in der Wirtschafts-, Sozial- und Arbeitsmarktpolitik, in eine Sinnkrise geraten waren. Andere Konservative haben das mit einer weiteren Radikalisierung beantwortet und »eingesehen«, dass nur noch mehr Reformen und weitere Einschnitte zu einem Ausweg aus dem Dilemma führen. Schirrmacher wandte sich davon ab. Fand zurück zu einer eher klassischen konservativen Haltung in diesen Fragen, zog sich aus der neoliberalen Hysteriemaschinerie heraus, die Erkenntnisgewinn zugunsten von Meinungsmache unterdrückte.
Es ist Schirrmachers Verdienst, dass er das Feuilleton der FAZ wieder auf die Pfade von Aufklärung und Besonnenheit geführt hat. Manchmal sah es fast so aus, als ob »sein« Feuilleton eine linke Bastion zwischen Legionen aus konservativ-rechten Artikeln war. Der Mann hat bewiesen, dass auch Konservative umdenken können. Das macht Hoffnung, dieses falsche Wirtschaftssystem doch noch irgendwie überwinden zu können.
Gleichwohl bleibt mir Schirrmacher aber auch als jemand in Erinnerung, der als zuletzt »linksliberaler« Wirtschaftsdenker, immer auch sonderbare Positionen vertrat. Ich erinnere mich da an einen Text, in dem er junge Muslime in Deutschland mit den Nationalsozialisten verglich. Diese Seite seines Wirkens darf nicht unterschlagen werden. Und so bleibt er mir als Konservativer in Erinnerung, der trotz aller Affekte, die man sich in diesem politischen Milieu so anlegt, den Mut hatte, sich aus den Klauen des Neoliberalismus zu winden. Das FAZ-Feuilleton wird ohne ihn sicher wieder ungenießbar - und in Wirtschaftsfragen marktorientierter.
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