Zerlumpte, Hüttenbewohner und Fußballfans

So eigentlich comes football home. Jedenfalls könnte man das glauben, denn die Einschwörer auf die Weltmeisterschaft in Brasilien bereiten ihr Publikum mit dieser Erkenntnis darauf vor. Uns stehe nämlich die größte Fußballparty aller Zeiten bevor. Zwar sei England das Mutterland des Fußballs - worüber man logischerweise trefflich streiten könnte -, aber Brasilien sei das Land der Fußballbegeisterung, der Verinnerlichung dieses Sports schlechthin. Denn dort zähle nichts außer futebol, futebol und nochmals futebol.

Zerlumpte, Hüttenbewohner und Fußballfans

© Yasuyoshi Chiba/AFP/Getty Images

Ich kann diesen Unsinn nicht mehr hören. Seit Monaten gehen in Brasilien immer wieder Menschen auf die Straße. Sie beanstanden, dass für Prestigeobjekte wie die Weltmeisterschaft Gelder verteilt werden, die im Bildungs- und Gesundheitswesen und in der Infrastruktur zurückgehalten werden. Diese Menschen fordern kurz und gut mehr Respekt im Umgang mit ihnen. Und das ist beileibe kein Einbruch in das »eitel Sonnenschein« Brasiliens, keine Randnotiz aus einem Land, in dem die Menschen immer in Feierlaune sind. Verdammt, der Protest der Deklassierten und Hemdlosen ist mindestens genauso brasilianisch, wie der enthusiastische Eifer beim Fußball.

Die cabanos, die Hüttenbewohner und weitere Gruppen der Unterschicht lehnten sich 1835 gegen die Oberschicht auf. In anderen Teilen des Landes taten dies zur gleichen Zeit die farrapos, die Zerlumpten. Schon zur Kolonialzeit brodelte es in Brasilien. Die Sklaven der Herrenschicht entwickelten in Tanz getarnte Kampftechniken, capoeira genannt. Der Aufstand der Entrechteten ist überhaupt ein großes Erbe des südamerikanischen Kontinents. Der Protest gegen Machtstrukturen hat also Tradition.
Diese romantischen »Die sind immer gut drauf«-Reden unterbuttern die Diskrepanzen innerhalb Brasiliens. Es ist eben kein Volk von Strahlemännern und -frauen. Ja, ich könnte laut aufschreien, wenn ich sowas höre. Es hört sich an wie: »Die sind arm, aber doch glücklich.« Also Hartz IV-Empfänger, nehmt euch doch mal ein Beispiel! Überwindet die Armut durch Freude, seid ausgelassen und fröhlich! Hinter dieser »guten Laune« steckt die uralte europäische Überheblichkeit, wonach Armut in warmen Gefilden etwas sei, was man aushalten könne. So ein Bullshit!
Haben die Vertreter dieser These schon mal die Favelas besucht? Schon mal gesehen, wie die Bewohner dieser Elendsviertel im Dreck der Bessergestellten wühlen, um etwas zum Fressen zu finden?
Dass die FIFA und der privilegierte Teil der Welt die Weltmeisterschaft in Länder tragen, die das Geld für die benötigte Infrastruktur aus Mitteln aufwenden müssen, die für die Bevölkerung schon nicht zur Verfügung gestellt werden, ist eine Gemeinheit. Dass sich die Öffentlichkeit dieses bessergestellten Teils der Welt aber hinstellt und so tut, als gäbe es soziale Verwerfungen nur als kuriose Randnotiz und stattdessen etwas vom »größten Fußballfest aller Zeiten« schwafelt, das setzt dem ganzen die Krone auf.
Brasilianer sind doch keine feierwütigen Fußball-Zombies, keine Feierbiester, die nichts interessiert außer ihre Nationalelf. Das könnte man schon mal betonen. Aber man will sich eben die Laune nicht verderben. Und zu unser aller Bespaßung haben die Demonstrationen gegen die Auswüchse der neoliberalen Regentschaft hintanzustehen.
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