Willkommen in der Seifenblase – Nachrichten vom unwerten Leben

Nach meinem letzten Artikel wurde ich mal wieder getrollt, wenn es auch beiweitem nicht so schlimm ist wie auf anderen Blogs. Dazu hier ein paar Gedanken.

In meinem Artikel zu den Übergriffen in der Silvesternacht in Köln schrieb ich sinngemäß folgende, zusammengefasste Meinung auf:
Die Leute, die sich jetzt vehement für ‘Frauenrechte einsetzen und gegen Flüchtlinge wettern, haben bislang den Feminismus immer verspottet; Vergewaltigung und sexualisierte Gewalt gibt es überall, auch in Deutschland, deshalb ist ein pauschalisierender Zusammenhang zwischen der Herkunft der Täter und der Tat selbst nicht gegeben und falsch; Wir sollten uns mehr gegen sexualisierte Gewalt engagieren und endlich die Lücken im Strafrecht schließen.

Daraufhin erhielt ich ein paar nichtssagende Trollmeldungen, die ich gar nicht erst freischaltete. Auf Twitter bedauerte ich die zunehmende Verrohung. Daraufhin entspann sich eine Art Gespräch mit einem Nutzer:

K: jeder andersdenkende ist nicht gleich ein troll. Sie sollten demokratischer werden und andere meinungen akzeptieren lernen. ich: Oh bitte keine Zeigefinger. Beschimpfer sind Trolle, Beleidiger, nicht Andersdenkende, die sachlich sprechen.
K: auch das ist teil demokratischer meinung. ein erwachsener mensch sollte damit umgehen können.
aber leider ist festzustellen das zuviel gejammert wird anstatt sich kritik zu stellen. aber da viele argumente wischi waschi sind, bleibt auch nur gejammer. Sehrarm.
ich: Nein, er muss es sich nicht gefallen lassen. Demokratie verlangt Respekt und Achtung. Sie steht nicht über Menschenrecht.
K: achtung und respekt sind-auch dank willkommenskultur-untergehende relikte besserer tage. Gewöhnen sie sich dran.
ich: Nein! Wir haben das in der Hand, Sie sollten nicht so sehr jammern und schimpfen.
K: dann werden sie wohl jammernd mit dem rest untergehen.
ich: Komisch: Ich jammere gar nicht. Hier jammert nur einer. K: und schon endet ihre “argumentation” in zuweisungen. Deswegen sind sie im drittklassigen radio und nicht bei den lebenden.
ich: Sie haben das Konzept der Menschenrechte nicht verstanden, zumindest nicht, solange Sie selbst kein Opfer sind. Ach übrigens: Danke für das Kompliment. Von Ihresgleichen ist drittklassiges Radio wirklich großartig. K: und schon sind sie angepisst. wie wollen sie denn bestehen wenns mal richtig ernst wird?
ich: Ich bin nicht angepisst. Ich bin lediglich nicht Ihrer Meinung, etwas, was Sie als guter Demokrat ertragen sollten. :-)
K: menschenrechte? Gehen sie mal an die frische luft. da sind menschenrechte so häufig wie ein fisch in der sahara.
ich: Gerade deshalb. Es geht ja auch darum, ihnen Geltung zu verschaffen. K: vielleicht ist das in ihrer bunten seifenblase noch so. hofftl platzt die nicht so schnell.
ich: Ich freue mich über Ihre guten Wünsche, das ist doch schon mal ein Anfang zur Mitmenschlichkeit.
K: sie würden staunen wie menschlich man auf meiner seite der realität sein kann. würde sie gerne noch ein bissl vorführen muss leider das taschengeld für die #rapefugees erarbeiten (“Rapefugees” wird aus Rape für Vergewaltigung und Refugees für flüchtlinge zusammengesetzt). ich: Okay, das ist auch das Ende der Debatte.

Ich gebe zu, dass meine Argumentation nicht gerade geschliffen war. Wenn Sie sich jetzt fragen, warum ich das alles hier wiedergebe, dann lesen Sie weiter, denn die Geschichte ist noch nicht zu ende.

K leitete dann meinen Tweet mit meinem Link zu dem Artikel über sexualisierte Gewalt weiter und kommentierte ihn.
K: Raus aus der Seifenblase, rein ins echte Leben. Gefahr: könnte sie sehend machen!

Ich lächelte über diesen Tweet und stellte fest, dass ihm die Argumente ausgingen, denn er musste ja wissen, dass ich blind bin. Schließlich verunglimpfte er den Ohrfunk als drittklassiges Radio, was nur möglich ist, wenn er ihn gehört und seine Seite gelesen hat, dachte ich. Als mein Freund Franz-Josef Hanke diesen Tweet als Geschmacklosigkeit gegenüber einem behinderten Menschen charakterisierte, schrieb K: hab ich was verpasst? Ist @radiojens (Mein Name auf Twitter) behindert? Dann tut mir das echt leid wenn ich da was falsch formuliert habe. Als ich ihm sagte, dass ich blind sei, bat er aufrichtig um Entschuldigung. Behinderte Menschen wollte er ganz offensichtlich nicht trollen. Ich sagte ihm, er solle es vergessen, es würde meine Meinung über ihn nicht besonders beeinflussen. Seine Antwort:
K: gut. Meine auch nicht. erklärt aber warum ihr eingangs erwähnter artikel vollkommen weltfremd daherkommt.

Ach so ist das: Meine Blindheit ist schuld, dass ich nichts gegen Flüchtlinge habe, und dass ich sexualisierte Gewalt nicht nur bei Arabern und Nordafrikanern sehe, sondern auch bei Deutschen und überall sonst auf der Welt? Wegen meiner Blindheit lebe ich in einer Seifenblase?

Es ist ja nett, dass Sie mich nicht wegen meiner Behinderung trollen wollten, auch wenn Sie es am Schluss doch noch getan haben. Heute gehören Menschen mit Behinderung wohl noch zu den schützenswerten, genau wie die deutschen Frauen. Morgen werden wir wohl wieder unwertes Leben sein, wenn Sie sich durchsetzen und bemerken, dass Sie trotz der Abschiebung oder Ermordung aller Flüchtlinge und Ausländer doch nicht im Paradies leben. Dann werden Sie und Ihresgleichen sich neue Feindbilder suchen, und dazu werden auch die Menschen mit Behinderung gehören, die vom Staat ja nur durchgefüttert werden, weltfremd sind und unproduktiv. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche, es geschieht immer, wenn Ihresgleichen die Macht übernimmt.

Nein: Von Ihnen möchte ich nicht geschützt und verteidigt werden, Sie meinen Mitmenschlichkeit nicht ernst.

Ich mag in einer Seifenblase leben, aber in einer Seifenblase, in der ich nach Solidarität und Mitmenschlichkeit strebe. Das liegt nicht an meiner Behinderung, sondern an meiner Erziehung. Meine Eltern haben die Nazi-Zeit mitgemacht, und ich weiß, wovor ich mich hüten muss.

Franz-Josef Hanke hat wegen der vielen Trolle auf seinem Blog die Kommentarfunktion abgeschaltet. Das bedauere ich sehr. Er gibt die Kommentarspalten verloren, schließt damit eine konstruktive auseinandersetzung aus, beraubt sich guter Ideen und Ansätze. Aber verstehen kann ich es auch, es tut mir nur leid. So weit werde ich nicht gehen, aber mein Blog bleibt moderiert. Hetze und Schmutz wird hier nicht mehr veröffentlicht, aber sachliche Meinungen dürfen sich gern artikulieren, auch wenn es nicht meine Meinungen sind. Zwischen Schmutz und meiner Meinung bleibt ein wahrlich großer Spielraum.

Eigentlich ist das ganze kindisch. Aber es sind die harmlosen Ausläufer der Welle, die derzeit durchs Internet und durch die Politik tobt. Ich bleibe davon einigermaßen verschont, aber ich bin ja weder Frau noch besonders bekannt.

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