Wie die Digitalisierung in einer Hamburger Goldschmiede abläuft

Wie die Digitalisierung in einer Hamburger Goldschmiede abläuft

Je traditioneller das Handwerk, desto größer ist der Stellenwert der Tradition. Was zunächst nur nach einer unbedeutenden Floskel klingt, kann für viele Branchen über das Fortbestehen in der Zukunft entscheiden. Denn gerade traditionsreiche Branchen wie das Goldschmiede-Handwerk tun sich verhältnismäßig schwer mit der zunehmenden Digitalisierung von (kosten- und zeitintensiven) Herstellungsprozessen, die auch bei den Kunden immer mehr in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rückt. Wir schauen uns an, wie die Digitalisierung in einer Hamburger Goldschmiede abläuft und wie sich der Arbeitsprozess an der Werkbank des Goldschmieds durch neue und innovative Technologien vollständig neu gestalten lässt - oder vielmehr: gestalten muss.

Traditionelle Arbeit in der Goldschmiede

Wir befinden uns zu Besuch bei einer der bekanntesten Hamburger Goldschmiede-Familien in Hamburg, den Goldschmieden Heinz und Tomas Otto, die seit mehr als zwei Generationen als eine Goldschmiede im Eppendorfer Weg in Hamburg-Eimsbüttel führen. Zwar bietet die Hansestadt Hamburg mit rund 140 Goldschmieden in Altona, St. Pauli, Winterhude, Alsterdorf, Blankenese, Barmbek und dem Hamburger Umland zwar eine verhältnismäßig hohe Dichte an Goldschmiede-Betrieben, jedoch sind nur die wenigsten Manufakturen und Goldschmiede dazu bereit, sich digitalen Fertigungsmethoden und neuer Technologie zu öffnen.

Möglicherweise liegt das auch daran, dass die meisten Goldschmiede nur ein recht beschränktes Sortiment aus Eheringen, Antragsringen, Ketten und Kolliers sowie einigen einfachen Armbändern und Ohrringen fertigen, die im klassischen 8-Stunden-Tagesrhythmus der Edelmetall-Handwerker gut untergebracht werden können.

Das häufigste Argument: „Das haben wir schon immer so gemacht."

Aber im Zeitalter von Disruption, Digitalisierung und New Economy ist diese Einstellung der Garant für ein langsames und kontinuierliches Scheitern. Die meisten Betriebe haben noch nicht einmal eine anständige Website, die ausreichend Informationen über das eigene Goldschmiede-Handwerk, die Fertigungsmethoden geschweige denn eine Anfahrt samt Öffnungszeiten bietet.

Viele traditionsreiche Goldschmiede argumentieren gerne damit, dass nur die reinste Handarbeit mit all ihren Konsequenzen für die Geldbörse des Kunden ein „echtes Goldschmiede-Handwerk" ist. Inklusive Zeichnung, Modellierung in Wachs, Guss in Sandküvetten und ewiger Feilerei, bis das Ergebnis nach zwei Wochen elendiger Arbeit endlich passt und der Kunde zufrieden ist. Oder eben auch nicht.

Führt man dieses Argument aus der Sicht der Goldschmiede-Inhaber fort, könnte man meinen, dass der durchschnittliche Stammkunde im Sektor 50+ ja ohnehin genau weiß, was die benachbarte Goldschmiede so alles leistet. Das stimmt ja auch. Aber damit ist dann maximal der Zeitraum der nächsten 20-30 Jahre abgesichert, bevor der Anteil an Stammkunden so langsam ausstirbt und die nächste, neue Generation nachrückt, die mit Goldschmiede so gar nichts am Hut hat.

Und die nachfolgende Generation?

Die ist damit beschäftigt, ihren umweltoptimierten Lifestyle über Instagram, WhatsApp und Co. zu organisieren, während im Supermarkt - falls das Budget es erlaubt - nur noch biologisch angebaute Lebensmittel im Jutebeutel nach Hause transportiert werden, wo der übrige Elektronik-Bedarf via Amazon aus Fernost im Prime-Abo am nächsten Tag vor der Haustür landet. Auch wenn hier vielleicht einige Stereotypen zusammengewürfelt werden, ist es zumindest auffällig, dass die junge Generation sich immer weniger für traditionelles Handwerk interessiert - und das schlägt sich nicht nur auf den Arbeitsmarkt nieder.

Der Schmuck-Konsum verändert sich

Auch im Konsum von Schmuck- und Juwelierswaren hat sich der Anspruch junger Generationen gewandelt. Während früher eher selten Schmuck gekauft wurde, dafür aber durchweg hochwertige Feingold-, Silber- und Platinlegierungen ihren Weg in die Schmuckkästen der Damen (und zum Teil auch Herren) gefunden haben, sind es heute oftmals billige Schmuckwaren aus Fernost, die zu Preisen unter 50 Euro über Social-Media Netzwerke verkauft und weltweit gehandelt werden.

Damit wird der selten-bewusste Konsum durch den übermäßigen Massenkonsum verdrängt, der auch zunehmend die traditionsreiche Goldschmiede-Branche in Bedrängnis bringt. Schließlich können lokale Goldschmiede-Betriebe in Hamburg und in den meisten anderen europäischen Städten nicht zu Hungerlöhnen produzieren, die für eine Eingliederung in solch niedrige Preisniveaus zwingend nötig machen würden.

Junge Menschen geben lieber mehr als Tausend Euro für ein neues Smartphone aus, während Schmuck nur noch als Massenkonsumgut taugt und längst nicht mehr von Generation zu Generation weitergereicht wird. Die einzigen Erbstücke kommen heutzutage höchstens noch von der Vorkriegsgeneration und wird zumeist auch direkt beim Edelmetallhändler um die Ecke gegen Bares eingetauscht - der hohe Goldpreis trägt seinen Teil dazu bei.

Schließlich kann man einen massiven Ring aus 950er Gelbgold auch problemlos gegen ein neues Smartphone Designed in California eintauschen, das mindestens einen zwei Jahre währenden Produktlebenszyklus aufweist. Wem ist das zu verübeln, wenn man oder Frau später lieber seinen Social-Media Account an den Nachwuchs vererbt, als eine Schweizer Uhr oder ein Schmuck-Unikat?

Wie die Hamburger Goldschmiede mit der Digitalisierung umgeht

Anders die Hamburger Goldschmiede. Seit rund drei Jahren wird das traditionelle Handwerk am Goldschmiedetisch durch moderne Technologie ergänzt - nicht etwa ersetzt. Moderne 3D-CAD Technologie, wie sie etwa im Automobilbau seit jeher Anwendung findet, hat bei den Hamburger Goldschmieden seinen Weg in die Vier-Werkstatt-Wände gefunden. Am leistungsfähigen PC werden Rohmodelle und Renderings für den Kunden erstellt, der nach kurzer Zeit ein mögliches Endergebnis sehen kann.

Erst wenn alle individuellen Wünsche des Kunden aufgenommen sind, werden die CAD-Dateien für den 3D-Druck optimiert. Auch diese Technologie ist alles andere als neu, war aber bis dato nur wenigen Betrieben vorbehalten und findet nun auch in der Goldschmiede einen praxisnahen Einsatz. Doch welche Vorteile hat der 3D Druck?

Sobald ein Design-Wunsch durch den Kunden übermittelt ist, beispielsweise durch einen 3D-Konfigurator mit Online-Shop, kann der Goldschmied das entsprechende Schmuckteil für den 3D-Druck vorbereiten und erhält innerhalb von 12-24 Stunden das fertige Druckobjekt, das aus einem wachsähnlichen Harz gedruckt wird. Vormals mussten sämtliche Guss-Modelle aufwändig von Hand modelliert werden - ein enorm zeitfressender Prozess, der sich auch in der Kalkulation des Goldschmieds niederschlägt.

Alleine durch den 3D-Druck spart der digitale Goldschmied rund 30-50% an Fertigungszeit, weil der gesamte physische Modellierungsprozess wegfällt und im Fehlerfall (z.B. bei einem Fehlguss) sogar vollständig reproduzierbar ist. Die frei gewordene Zeit kann der Goldschmied für das Marketing, Kundenpflege oder seine kreative Arbeit nutzen und neue Designs entwickeln.

Nach dem 3D-Druck bettet der Goldschmied die Modelle in eine Küvette ein, die mit einem gips-ähnlichen Material aufgefüllt wird und dann in den Ofen zum Ausbrennen wandert. Dort wird das wachsähnliche (hier blaue) Material vollständig ausgebrannt und ergibt einen Negativ-Abdruck innerhalb der Gipsform, die im nächsten Schritt in eine Induktions-Gussmaschine eingesetzt wird.

Hier wird das Edelmetall (im Regelfall Silber oder Gold-Legierungen aus nachhaltigen Quellen) unter Induktion geschmolzen und im Vakuum in die ausgebrannte Negativ-Form gegossen, wo es schließlich abkühlt und das rohe Schmuckstück an einem sog. Gussbaum übrig bleibt.

Bis zu diesem Schritt hat die innovative Fertigung erheblichen Aufwand eingespart, womit ein völlig neu strukturierter Fertigungsprozess ermöglicht wird. In der Goldschmiede können durch den Einsatz von 3D-CAD Schmuckdesign, 3D-Druck und Vakuum-Feinguss innerhalb von 24-48 Stunden vollständig individualisierte Schmuckstücke gefertigt werden, die nach dem Gussprozess aber dennoch vollständig traditionell von Hand durch den Goldschmied nachbearbeitet werden müssen.

Die Hamburger Schmuck-Marke Harbourd entsteht

Für das Team um die Hamburger Goldschmiede war klar: Es ist schlichtweg nicht möglich, den sich verändernden Anspruch der Konsumenten durch eine kostengünstigere Produktion in Fernost aufzufangen, wenn man den traditionsreichen Handwerks-Charakter einer Goldschmiede mit Ladengeschäft nicht nur erhalten, sondern auch langfristig an einem Standort wie der Hamburg Innenstadt sichern will.

Also mussten gleich zwei Probleme gelöst werden: Das veränderte Bewusstsein für Nachhaltigkeit und lokale Fertigung sowie das Konsumverhalten, das keine Luft für hohe Preise lässt.

Die Lösung: Der Design- und Fertigungsprozess in der Goldschmiede wird digital abgebildet und soweit optimiert, dass eine wirtschaftliche Manufaktur-Produktion vor Ort in der Hamburger Goldschmiede möglich bleibt, ohne dass dazu ein überdurchschnittlich hohes Preisgefügte nötig ist.

Dazu entwickelte der Goldschmied aus Hamburg zusammen mit einem Partner eine neue Marke, die ab sofort das Prinzip „100% Handmade in Hamburg" sowie den Anspruch, einzigartige und seltene Materialien in einer Goldschmiede-Manufaktur traditionell zu verarbeiten, unter einen Hut bringen sollte. Die Marke Harbourd war geboren und ab sofort das Aushängeschild für eine Just-in-Time-Produktion in der lokalen Hamburger Goldschmiede.

So wurden einzigartige Designs geschaffen, die das maritime Flair der Hafenmetropole zusammen mit exotischen Materialien wie Rochenleder, Seidenkordel und Fairtrade-Silber und Waschgold aus Skandinavien in minimalistischen Armband-Designs für Damen und Herren kombiniert und so eine ganz individuelles Schmuckerlebnis für jeden Kunden ermöglicht.

Schließlich können die Armbänder in dem eigens für das Projekt entwickelten Online-Shop von Harbourd individuell konfiguriert werden und werden erst im Anschluss an eine Bestellung durch einen Kunden mit Hilfe von 3D-Druck und Feinguss produziert und von Hand auf die jeweiligen Kundenwünsche angepasst.

Auch wenn der aufwändige Herstellungsprozess dieser handgefertigten Armbänder aus Hamburg alles andere als einfach ist, können die meisten Armbänder bereits mit erschwinglichen Verkaufspreisen ab 150,00 Euro in der Hamburger Manufaktur und im Online-Shop angeboten werden und sind damit gerade für junge Kunden attraktiv, denen andernfalls nur der Massenkonsum aus Fernost übrig bleiben würde. Und wir wissen alle: Tradition währt am längsten - selbst wenn sie durch Technologie vereinfacht wird!

Hier kommst du zu der aktuellen Armband-Kollektion von Harbourd Wie die Digitalisierung in einer Hamburger Goldschmiede abläuft

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