Weshalb ich die Partei „Die Freiheit“ für rechtspopulistisch und nicht-humanistisch halte

Weshalb ich die Partei „Die Freiheit“ für rechtspopulistisch und nicht-humanistisch halteSicher. Erst einmal liest sich das Grundsatzprogramm der Partei1 eingängig und erfreulich. Aber nur auf den ersten Blick und nur auf den ersten Seiten.

Schauen wir etwas genauer hin und klären wir vor allem erst einmal die Begriffe.

Wikipedia definiert Rechtspopulismus so:

Der Rechtspopulismus ist eine politische Strömung in mehreren europäischen Staaten, die sich ab den späten 1970er Jahren in Westeuropa herausbildete und in den 1990ern auch in den Staaten Osteuropas Fuß fasste. Die Vertreter dieser Strömung verbinden radikal rechte Positionen mit einem Bekenntnis zur Demokratie und wenden sich in populistischer Manier etwa gegen Zuwanderer, die Europäische Union und die etablierten Parteien. Stattdessen fordern sie unter anderem eine leistungsorientierte Gesellschaftsordnung, ein Bekenntnis zu „Christlichem Abendland“ und nationaler Kultur oder eine „Law-and-Order“-Politik.2

Das liest sich wie die Quintessenz des Grundsatzprogrammes der Partei „Die Freiheit“. Das Grundsatzprogramm fordert unter Punkt 9 einen Polizeistaat mit starken Eingriffsrechten in die persönliche Freiheit des Einzelnen.
Es möchte den Einfluss der Europäischen Union stark einschränken (Punkt 11.4.), dafür aber Israel in die NATO holen (Punkt 11.5.) und die Türkei dafür nicht in der EU (Punkt 11.6.) sehen.

Schon in den Leitsätzen des Programms ist zu lesen, dass die Freiheit gegen „linksideologische motivierte Experimente zur Umerziehung der Bevölkerung“ sei. Mir ist zwar nicht klar, worauf sich das bezieht, denn diese Gefahr kann ich in der aktuellen Gesellschaft wahrlich nicht sehen, aber es passt halt ins Bild einer rechtspopulistischen Partei.

Es mag auf den ersten Blick erfreulich und verlockend klingen, wenn „Die Freiheit“ über mehr Mitbestimmung des Volkes bei politischen Entscheidungen spricht (Punkt 1.6. und 1.7.) – dass sie im gleichen Papier aber eine deutliche Abgrenzung zwischen (so nicht benannten, aber gemeinten) der „deutschen“ Bevölkerung und den „Zuwanderern“ macht (die aus jeder politischen Entscheidungsfindung ausgeschlossen sind), ist dann eher weniger demokratisch.Richtig ist auch, dass „Die Freiheit“ im Grundsatzprogramm nicht offensichtlich gegen Ausländer hetzt. Aber Sätze wie „Billige Arbeitskräfte aus dem Ausland drücken die Löhne in Deutschland. Dies führt zu Dumping-Löhnen und zur Arbeitslosigkeit der einheimischen Bevölkerung.“ (Punkt 4.5.) erinnern dann doch sehr deutlich an ein Vokabular, das nicht zeitgemäß ist und schon manches Unheil gebracht hat. Hier zeigt sich sehr deutlich das neoliberale Denken der Partei, der in dem Satz gipfelt: „…der von uns angestrebten Vollbeschäftigung.“ (Punkt 5.3.) Vollbeschäftigung ist auch ein Begriff, den die Kanzlerin gern benutzt – völlig unbeeindruckt von der Tatsache, dass es jetzt (und zukünftig in weit größerem Umfange) nicht mehr sondern eher weniger Arbeit geben wird.

Und wer nicht arbeiten will, der – so die Freiheit – hat auch kein Recht auf ein anständiges Leben: „[Unser] arbeitsmarktpolitisches Konzept ersetzt staatliche Transferleistung durch eine verpflichtende, in der Regel gemeinnützige Arbeit, die in jedem Fall obligatorische eingefordert wird.“ (Punkt 4.2.) Das klingt für mich irgendwie nach „Autobahnbau“. Aber vor allem danach, den Sozialstaat das endgültige Garaus zu machen. Wer nicht arbeitet (warum auch immer) soll auch nicht essen. Das ist ein echtes, protestantisches Verständnis von der Würde des Menschen.

Gleiches gilt für das Familienbild der Partei. „Wir betrachten die eheliche Mutter-Vater-Kind-Familie keinesfalls aus Auslaufmodell.“ (Punkt 2.1.) und – ebenfalls schwer vom christlichen Leitbild geprägt der „Schutz des ungeborenen Lebens“. (Punkt 2.2.) Daraus folgt – als logische Konsequenz für das Grundsatzprogramm, dass Menschen, die keine Kinder in die Welt setzten, weniger Rente beziehen sollen (Punkt 2.7.) – die sollen sich privat versichern (Punkt 2.8.). Völlig unabhängig davon, ob sie sich selbstbestimmt gegen Kinder entschieden haben oder aus – zum Beispiel medizinischen – Gründen nicht in der Lage waren, zu zeugen. 3

Wie steht es schon in den Leitsätzen: „Wir gehen [...] vom positiven Menschenbild aus, wie es das Neue Testament der Bibel verkündet.“

Dazu passt dann auch, dass unter dem Punkt 8 (Gesundheit) zu lesen ist: „Wir stellen uns gegen jeden Versuch, den freien Diskurs und die kritische Debatte über die Schulmedizin zu unterbinden und fordern eine transparente Untersuchung und Evaluation alternativer Heilmethoden.“ (Punkt 8.1.)

Nur noch am Rande noch bemerkt: die Partei, die sich „Die Freiheit“ nennt, ist für die Einführung einheitlicher Schulkleidung und Sanktionen gegen Eltern, deren Kinder der Schule fernbleiben. (Punkt 8.3.)

Soweit erst einmal meine Beweggründe, weshalb ich „Die Freiheit“ für populistisch ad definition halte.
Humanistisch kann ich diese Eingriffe in die persönlichen Freiheiten jedenfalls nicht nennen.

Rassismus

Schwieriger ist es, den rassistischen Background der Partei zu bestimmen. Einfach auch deshalb, weil sie sich im Grundsatzpapier nicht direkt rassistisch äußert. Wer allerdings verfolgt, was die Protagonisten René Stadtkewitz und Aaron (Stefan) König öffentlich von sich geben, bekommt eine Ahnung, was sich hinter dem einschlägigen Punkt 10 des Grundsatzprogrammes verbirgt.

Dazu vorab der Hinweis, dass ich folgende Definition von Rassismus4 anwende: “Rassismus ist nicht unbedingt “rassisch” begründet. Sondern gruppenbezogen und bedeutet, dass eine Kategorisierung nach ähnlichen Merkmalen (von Menschen) und deren daraus abgeleitete Abgrenzung als Rassismus zu werten ist.” (Nach Dr. Hendrik Cremer, Deutsches Institut für Menschenrechte) – diese Definition ist nicht unumstritten, aber gibt erst einmal den Rahmen für meine Bewertung. Letztlich geht es mir vor allem und immer darum, anhand der „Allgemeinen Menschenrechte“ zu bewerten, was ethisch vertretbar ist.

Für mich widerspricht eine Aussage, dass einzig der „volkswirtschaftliche Nutzen der Zuwanderung“ maßgeblich für den Wert der Menschen sei (Vgl. Punkt 10.1.) jeglichen humanistischen Idealen. Auch die Forderung eines Zuwanderungsstopp „mindestens bis zur Lösung der vorhandenen Integrationsprobleme, die insbesondere durch Zuwanderung aus islamisch geprägten Ländern“ (Punkt 10.2.) verursacht wurden. Das ist eine deutliche Kategorisierung von Menschen nach gruppenbezogenen Merkmalen. Und also: rassistisch.

Zumal dabei völlig außer Acht gelassen wird, dass auch aus islamisch geprägten Ländern Menschen nach Deutschland kommen, die eben deshalb kommen, weil sie einer der religiösen Mehrheit widersprechenden religiösen (oder atheistischen) Minderheit angehören und daher verfolgt werden.

„Die Einbürgerung steht am Ende eines Assimilationsprozesses“ (Punkt 10.8.) heißt nichts weiter als: Migranten haben ihre kulturellen Wurzeln bitte am Eingang zur Passstelle abzugeben. Doch eine Gesellschaft lebt fort wegen (und nicht trotz) der kulturellen Vielfalt. Der Zwang zur Assimilierung bedeutet nicht zwangsläufig Integration. Integration bedeutet „Ineinander-Aufgehen“ ohne Verlust der eigenen Wertvorstellungen; aber unter Beachtung von grundlegenden gemeinsamen Regeln. Das heißt: das Grundgesetz, die Einhaltung und Akzeptanz der Allgemeinen Menschenrechte sind zwingend. Jegliche persönliche kulturelle Identität darf und muss jedoch beibehalten werden können.

Assimilation bedeutet das völlige Aufgeben der eigenen Kultur und Werte und ist im soziologischen Sinne eine völlig unsinnige Forderung. (Auch die Deutschen in Spanien bleiben Deutsche, selbst wenn sie Jahrzehnte in Spanien leben.)

Integration ist nach Meinung der Partei eine Bringeschuld (Punkt 10.9.) und von den Zuwanderern selbst zu finanzieren. Dazu kann ich – ohne Zynismus – wirklich nichts sagen.

Ich könnte noch mehr dazu schreiben, aber ich denke, das genügt. Zu viel im Dreck herum wühlen will ich ja nun doch nicht. Dem Nachweis der Berechtigung des Rassismusvorwurfs gegen die Partei „Die Freiheit“ sollte Genüge getan worden sein.

Vereinbarkeit von Humanismus und „Der Freiheit“

Humanismus ist eine säkulare Definition von Menschenwürde. Verletzungen dieser Würde durch Armut führen zum Verlust der Selbstachtung. Selbstachtung ist aber eine Kernbedingung für geistige Kompetenz und die soziale Fähigkeit zur Selbstbeurteilung und Selbstbestimmung. (Dietrich Mühlberg in „Humanistisches Sozialwort“ – Seite 31)5

Ich meine, dass Menschenwürde in der Gedankenwelt von Neoliberalismus keine Rolle spielt. Und schon allein daher kann ich im Grundsatzprogramm der Partei „Die Freiheit“ keinen Humanismus erkennen. Ich sehe eher eine deutliche Unvereinbarkeit.

Da ist mir die Idee von Uwe Lehnert zur Gründung einer Humanistischen Partei6 dann doch sympathischer.

Nic


PS: Dieser Artikel bezieht sich auf meinen Artikel “Ein Rechtspopulist als Humanist?” und die Entgegnung von Felix Thiessen “Statement der Jungen Atheisten“.

  1. Ich verlinke bewusst nicht auf die Webseiten der Partei und auch nicht auf das Grundsatzprogramm.
  2. Der Wikipedia-Artikel ist gut und lesenswert.
  3. Ich gehe hier nicht auf die wirtschaftlichen Beweggründe des Grundsatzprogrammes ein; das ist noch eine ganz andere, neoliberal-kritische Baustelle.
  4. http://nicsbloghaus.org/2010/10/24/was-ist-rassismus/
  5. http://nicsbloghaus.org/2010/10/25/horst-groschopp-hrsg-humanistisches-sozialwort/
  6. http://nicsbloghaus.org/2011/03/01/scheitert-der-humanismus-in-deutschland-eine-antwort/

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