Wer ist Maler, wer Modell und wer Galeriebesucher?

Von Stefan Sasse
Eine recht eigenwillige Analyse von Guttenbergs Rücktritt liefert Thomas Steg, ehemaliger stellvertretender Regierungssprecher von 2002 bis 2009, in einem Gastbeitrag in der Süddeutschen. Demnach wurde Guttenberg ein Opfer des Versuchs, sein Bild in den Medien nach seinen eigenen Vorstellungen zu formen, was laut Steg nicht funktionieren kann. Promintestes Beispiel für diese These ist bei ihm Rudolf Scharping, der nie sein Langweiler-Image loswerden konnte, egal was er versuchte. Laut Steg kann ein Politiker nur dann einen Imagewandel durchmachen, wenn er dabei "glaubwürdig und authentisch" bleibt - Stegs Beispiel hierfür ist Joschka Fischer. Der Artikel endet mit einer Auflistung aktueller Politiker und den ihnen von "den Menschen" zugeschriebenen Attributen. Allein, in Stegs Darstellung kommen "die Menschen" (ein furchtbares Mode-Sammelwort) zu ihren Einschätzungen von Politikern wie die Jungfrau zum Kinde. 
Die Allerwenigsten haben jemals einen Spitzenpolitiker live erlebt, noch viel weniger sind ihm persönlich begegnet oder kannten ihn vor seinem Aufstieg. Ein großer Teil "der Menschen" hat noch nicht einmal direkte Rede von irgendeinem Spitzenpolitiker im Fernsehen oder Radio erlebt. Ich kann mich beispielsweise nicht entsinnen, jemals Aigner, Ramsauer oder Jung im O-Ton erlebt zu haben. Beim Erschaffen des Bildes eines Politikers muss sich die überwältigende Mehrheit "der Menschen" auf Mittler verlassen. Von diesen Mittlern gibt es zwei: einerseits die Medien, und andererseits die Parteien selbst. Die letzteren treten meist aber nur im Wahlkampf direkt an den Bürger heran. In den restlichen dreieinhalb Jahren konzentrieren sie sich hauptsächlich darauf, die Medien zu beeinflussen, damit diese in ihrem Sinne berichten - den Regierungssprechern kommt dabei eine elementare Rolle zu. 
Bei Steg gibt es diese beiden Glieder der Kette einfach nicht. "Die Menschen" bilden sich einfach ein Urteil über Politiker, das dann sakrosankt ist - Lafontaine böse, Westerwelle überheblich, Steinmeier solide und unaufgeregt, Gabriel sprunghaft, von der Leyen hübsch und kompetent, de Maizière fleißig. Solche Bilder aber können letztlich nur durch die Medien vermittelt werden, denn die absolute Mehrheit der Bundesbürger informiert sich über Zeitung, Radio und Fernsehen über das politische Geschehen und ist elementar auf die Berichterstattung angewiesen. Wer könnte auch ernsthaft eine Zuschreibung wie "fleißiger Arbeiter" im Falle de Maizières selbst aus der Beobachtung von dessen öffentlichen Auftritten treffen? Für so etwas braucht es Journalisten, die ihn kennen und lange beobachtet haben - oder aber das Attribut einfach so zuschreiben. 
So oder so werden die Bilder von Politikern tatsächlich nicht von diesen selbst gemalt. Sie sind das Modell, und das Endprodukt liegt in den Händen des Malers. Das aber sind nicht die Bürger; die sind lediglich Galeriebesucher. Die Maler sind die Medien und die Spindoktoren, die versuchen sie zu beeinflussen. So zu tun, als ob eine magische Verbindung zwischen Politiker und Bürger bestünde, ist einfach unaufrichtig.

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