Wenn Rollstuhl einfach wäre … (11)

Wenn Rollstuhl einfach wäre … (11)Wie nach jedem Gespräch, wenn der hochkompetente Mitarbeiter des Sanitätshauses da war, hatte ich hier auch ein gutes Gefühl. Die Erfahrung lehrt mich allerdings anderes. Es blieben dann doch einzelne Fragen offen, wie zum Beispiel: Wird sich das Ganze so umsetzen lassen, wie er das versprochen hat? Bei den Gesprächen davor blieben ja auch nie irgendwelche Wünsche offen. Ein anderes Problem ist: Warum gehen mittlerweile überambitionierte Sicherheitsmaßnahmen von irgendwelchen Ingenieuren über den Nutzen und die Alltagstauglichkeit? Da sind wohl schon einige aus dem Rollstuhl raus gefallen und daher vordere Stützräder, die im Vergleich zu meinem jetzigen Modell nicht mehr am Fußbrett, sondern am Rollstuhl selbst befestigt sind. Der Laie denkt vielleicht: uninteressant! Aber ich muss mit der U-Bahn fahren und da wiederum haben andere Ingenieure es nicht hingekriegt Bahn und Bahnsteig auf eine Höhe zu bringen. Und das war ärgerlich, aber überwindbar. Dadurch dass ich meinen Rollstuhl nach hinten kippen konnte, gingen die Stützräder mit und ich konnte ohne Widerstand in die Bahn fahren. Es bremste mich gar nichts aus. Jetzt denkt vielleicht der Laie: es gibt doch diese Taxis für die Behinderten! Und die gibt es ja auch. Ob die so regelmäßig fahren können wie Bus und Bahn, ist auszuschließen. Und außerdem finde ich es toll, wie jeder andere auch mit der Bahn zu fahren. Mal von der Flexibilität abgesehen, Kosten sollen hierbei gar nicht erst erwähnt werden. Auf die TEILHABE kommt es hier an!

Es liegt in meiner Natur, die Sachen dann weiter zu spinnen. Kriege ich dann irgendwann einen drei Meter hohen Blitzableiter an den Rollstuhl gebaut, weil theoretisch könnte ja dieser Fall auch eintreten. Und dann ist es ja nur sekundär wichtig, dass ich damit durch die Türen fahren muss. Sicherheit geht vor! Kennt ihr das auch, wenn der Zufall die Komik macht? Am nächsten Tag gucke ich den Shopping Queen Marathon. Thema: romantisches Dîner auf der Yacht. Mein Sohn war der Meinung jede Kandidatin bräuchte eine Schwimmweste als Accessoire. Ja, das ist das Kind mit der pragmatisch geprägten Sichtweise. Aber im Grunde hat er Recht, wenn man es so betrachtet, hat er Recht. Macht aber keiner. Bei der Kalkulation von Sicherheitsmaßnahmen muss man viele Faktoren ins Boot holen. Die Wahrscheinlichkeit, aber auch der Nutzen, dürfen nicht nur im Rettungsboot hinterhergezogen werden, sondern brauchen ebenfalls erste Klasse Tickets. Oh Gott, ist das Thema ernst. Nein, Spaß bei Seite. Die Konsequenzen müssen auch bedacht werden und alle Faktoren müssen gegeneinander abgewogen werden.

Vielleicht wäre eine Sicherheitseinweisung prinzipiell eine gute Idee. Ich weiß noch nicht mal, wo der Schwerpunkt meines Rollstuhls liegt, aber wahrscheinlich zu hoch, um noch gesund zu sein. Ich bin immer leicht gekippt nach hinten gefahren, wenn es unebener oder steiler war, langsamer und wenn es gar nicht mehr anders ging, rückwärts. Damit bin ich immer gut gefahren. Ich bin davon ausgegangen, alle machen das so. Wenn das aber nicht alle so gemacht haben, denn irgendwie müssen die ja auf die verrückte Idee gekommen sein, finde ich es unfair, dass ich mich auch diesen seltsamen Maßnahmen beugen muss. Wenn einer besoffen irgendwo gegen fährt, hat das doch auch nicht automatisch Konsequenzen für alle Autofahrer. Sicher, die dürfen alle nicht trinken, aber nicht in jedes Auto wird von nun an eine Alkoholfahrsperre eingebaut. Weil der Nutzen einfach nicht den Aufwand rechtfertigen würde. Mal ganz davon abgesehen, dass man von der Autonomie des Verbraucher ausgeht, der eine gewisse Mündigkeit besitzt und man auch nicht alle unter Generalverdacht stellen will.

Ich habe aber auch schon mal etwas ähnliches mitgekriegt. Da ging es um die Einrichtung meines Arbeitsplatzes. Da waren sämtliche Berater, sämtliche Kostenträger bei mir im Büro. Sogar der Sicherheitsbeauftragte war da. Und irgendwann bin ich mit meinem Rollstuhl nach hinten gefahren, die Situation tut nichts zur Sache. Da sagte der Sicherheitsbeauftrage in die Runde: dass ‚das Ding‘ (damit war mein Rollstuhl gemeint), beim Rückwärtsfahren eigentlich piepen sollte. Da meinte ich ohne lange zu überlegen, sonst hätte ich es vielleicht nicht gesagt, dass kann nur der Sicherheitsbeauftragte sagen, der nicht den ganzen Tag in dem Ding sitzen muss, wenn es piept. Und man fährt in engen Räumen besonders oft nach hinten. Da war er platt. Er stimmte mir zu. Vielleicht konnte ich ihn zum Nachdenken bewegen. Und genau diese Fälle meine ich. Es ist schön, dass es Menschen gibt, die sich Gedanken über die Sicherheitsoptimierungen machen, keine Frage. Von Sicherheitsgurten profitiere ich ja auch. Dennoch plädiere ich dafür und appelliere an diese Menschen, nicht nur blinden Aktionismus bei der Sicherheit walten zu lassen, jenseits jeglicher Funktionalität, sondern in Abstimmung mit Betroffenen zum besten Ergebnis zu gelangen.

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