Wenn Mütter bereuen - Das Interview

Wenn Mütter bereuen - Das Interview

Ich kenne sie seit Jahren und konnte immer nur bewundern, wie selbstständig und stark sie ist. Sie war schon immer eine gute Freundin für mich, eine starke Persönlichkeit und eine unabhängige Frau, deren Größe ich immer bewundert habe. Als sie mir erzählte, dass sie schwanger ist, erlebte ich sie zum ersten Mal in einem Tief, aus dem sie nicht so wirklich heraus zu können schien. Denn eigentlich wollte sie nie Kinder, eigentlich hatte sie so große Pläne … Nach meinen Recherchen zum Thema „Regretting Motherhood“ kam sie auf mich zu, weinte bitter und sagte mir über dieses Thema müsse man viel mehr reden. In diesem Zuge haben wir beide beschlossen, ein kleines Interview für Euch - meine Leser - zu verfassen. Dieses Thema ist nicht ohne Grund immer präsenter in den Medien - und immer mehr Frauen melden sich zu Wort, genauso wie Maria*. *Name geändertIch: Vielleicht beginnst du ganz am Anfang, mit dem positiven Schwangerschaftstest …Maria: Für mich brach eine Welt zusammen. Ich hatte gerade mal meine zweite Ausbildung beendet und wollte eigentlich noch mal zur Uni. Mein Freund und ich hatten gerade Urlaub in den USA gebucht … Ich starrte den blöden Test an und wusste nicht ob ich schreien oder weinen sollte. Es war nicht so, dass wir nicht verhütet hätten. Kinder waren noch gar kein Thema. Ich nahm die Pille und dachte diese „Tropis“ seien schuld der Frauen, die sich zu ungeschickt anstellten. Da war ich 29. Jetzt weiß ich es natürlich besser. 
Sie lacht etwas angespannt und reibt sich über die Unterarme. 
Ich: Trotzdem hast du nie daran gedacht, abzutreiben?
Maria: Doch habe ich, ziemlich oft sogar. Aber meine Mutter hat mich in diesem Punkt stark geprägt. Sie hatte eine Abtreibung, als ich im Teenageralter war und brach danach völlig zusammen. Für sie war es eine der schlimmsten Erfahrungen in ihrem Leben. Das sagt sie auch heute noch. 
Sie macht eine Pause und nimmt einen Schluck Kaffee. Ich habe mich sogar beraten lassen, bevor ich es meinem Freund und meinen Freunden erzählt habe. Aber ich konnte es einfach nicht. Es ist schwer zu erklären, ich wollte nicht Mutter sein - aber  ich konnte dieses kleine Ding in meinem Bauch auch nicht einfach die Toilette runterspülen. 
Ich: Also hast du dich für das Kind entschieden.Maria: Ja, das habe ich. Ich dachte, es wird schon nicht so schlimm werden - andere Mütter schaffen das doch auch! Ich nahm mir vor, einfach ich zu bleiben und mich als Frau nicht aufzugeben, meine Träume nicht aufzugeben. Während der Schwangerschaft half mir dieser Gedanke sehr. Ich hatte zwar Zweifel und Angst, aber nichts davon war so heftig wie die Realität in der ich gelandet bin. Ich: Kam das gleich nach der Geburt?Maria: Das Bereuen? Ja und nein, die Geburt war nicht halb so schlimm, wie ich erwartet habe, ich lag gerade mal 3 Stunden in den Wehen und auch danach ging es mir zumindest körperlich sehr gut, doch als sie mir meine kleine Tochter in den Arm legten dachte ich nur: „Und das soll jetzt der schönste Moment meines Lebens sein?“
Ich: Du warst also ernüchtert?Maria: (Lacht)Dass kann man so sagen, es war schlicht … wie soll ich sagen. Mein Kind war nun eben da. In meinem Kopf hat das nichts weiter ausgelöst. Ich war schon froh, dass die Schwangerschaft vorbei war, aber trotzdem kamen da keine nennenswerten Glücksgefühle auf. Bei meinem Freund war das ganz anders, er hat sich so wahnsinnig gefreut, dass ich mir richtig schlecht vor kam. 
Ich: Und nach der Geburt?Maria: Ich blieb nicht länger als nötig zu Hause. Stillen kam für mich nicht in Frage. 
Ich: Sicher keine einfache Entscheidung?Maria: Für mich schon, aber der Gegenwind war recht heftig. Ich durfte mir oft anhören, wie schlecht das für mein Kind ist und was für eine Rabenmutter ich bin. Aber ich konnte das einfach nicht. Sie hat trotzdem Muttermilch bekommen, nur eben aus dem Fläschchen. 
Ich: Und dein Freund blieb zu Hause?Maria: Wir teilten es auf. Ich ging morgens zur Uni, er Nachmittags arbeiten. Das klappte auch ganz gut, zumindest von außen betrachtet. Jedes zweite Wochenende ging ich nebenher jobben. Ich wollte mein eigenes Geld verdienen und nicht nur von seinem und dem Staat leben. Ich hatte mir ja immerhin vorgenommen, meine Unabhängigkeit zu bewahren und das tat ich auch. Egal, ob das bedeutete, dass ich in manchen Nächten nur 3 Stunden schlief. 
Ich: Von außen betrachtet schienst du also alles im Griff zu habenMaria: Das habe ich auch, immer noch. Darum geht es auch gar nicht. Ich arbeite, ich verdiene mein eigenes Geld, bilde mich weiter, gehe meinen Hobbys nach - und ja, ich bin auch eine gute Mutter. Aber ich bin nicht gerne eine Mutter, auch wenn ich mein Kind liebe. 
Ich: Was genau ist es, was dich am Muttersein stört?Maria: Ich bin nicht mehr Ich, ich bin mein Mutter-Ich. Obwohl ich versuche, mir alles zu bewahren, was ich auch vor der Geburt war, klappt genau das nicht. Alles ist viel mehr geplant. Mir fehlt es, spontan zu sein, kreativ zu sein, ich zu sein. Wenn die Kleine im Kindergarten ist, bin ich arbeiten oder in der Uni. Wenn sie da ist, bin ich Mutter - und Nachts wäre es ratsam, etwas mehr zu schlafen. Dazu kommt der ständige Druck von außen: Du bist eine Rabenmutter hier, du bist eine Rabenmutter da. Bei Müttern (und einigen Vätern) gibt es feste Rollen und wenn man denen nicht entspricht, wird man verteufelt. 
Ich: Welche Rollen genau meinst du?Maria: Da gibt es so einige. Zum Beispiel, dass einer von uns beiden Zuhause bleiben muss. Das kam für uns als Paar gar nicht in Frage. Wir teilen alles 50/50 - sowohl Geld, als auch Arbeit, als auch Verantwortung und Erziehung. Von außen hieß es gerne, dass wir unser Kind so vernachlässigen, dass unsere Beziehung zum Scheitern verurteilt ist und eben solche Dinge … Es scheint immer noch der normal zu sein, sich in einer Beziehung finanziell vom Partner abhängig zu machen. Nicht nur in den Spielgruppen oder im Freundeskreis, auch in der Familie. „Wie Maria stillt nicht? Dann liebt sie euer Kind wohl nicht!“„Maria geht arbeiten, warum das denn?“„Trennt ihr euch das sie ihr eigenes Geld haben will?“  Ich will mein eigenes Geld verdienen - und nicht nur von meinem Freund leben. Das scheinen viele nicht zu verstehen. Da heißt es schnell wir hätten irgendwelche Probleme in der Beziehung und ich würde mein Kind vernachlässigen.Solche Sprüche darf ich mir heute noch anhören, dass es meinem Kind gut geht, ist dabei kein Argument, denn ich entspreche nicht der Übermutter oder jemanden, der in dieser Rolle voll aufgeht. Ich mag es nicht auf Spielplätzen zu sein, andere Kinder nerven mich. Mein eigenes Kind nervt mich auch ab und an …Und das sind nur einige Punkte, wenn es um Themen wie Ernährung und Erziehung geht wird der Spielplatz zu einer Raubtierfalle. 
Ich: Also ist es weniger das Muttersein an sich, als das, was von außen verlangt wird?Maria: Sie überlegt kurz und dreht ihre Kaffeetasse etwas hin und her. Ich bin unsicher, wie ich das erklären soll, könnte ich die Zeit zurückdrehen, würde ich es tun. Ich liebe meine Tochter, aber mein Leben vor ihr war perfekt. Diese Perfektion wird es nicht mehr geben- aber das ist nun einmal so. Ich habe mich dafür entschieden, sie zu bekommen und lebe mit den Konsequenzen.Eine davon ist, dass ich es im Job schwerer habe, kommt das Thema Kind auf, sind viele Arbeitgeber alles andere als begeistert. In der Uni ist das noch ganz human, doch die ist bald vorbei und es war schon schwer, eine Halbtagsstelle zu finden. Genau das kann ich auch verstehen, eine Mutter ist eine schlechtere Arbeiterin - wenn etwas mit ihrem Kind ist, geht sie nach Hause. Das ist eben die „Natur“ einer Mutter, dass ich dann lieber erstmal versuche, meinen Freund anzurufen und ihn zu bitten, zu unserer kranken Tochter zu fahren, ist auch so ein Knackpunkt. Andere Mütter verstehen nicht, dass ich keine Glucke bin. Ich raste nicht aus, nur weil mein Kind von Rad fällt oder eine Grippe hat. Solche Dinge sind für mich einfach ein Teil des Lebens und natürlich muss sich darum gekümmert werden - aber um meine Arbeit eben auch und gebe zu das ist mir meist lieber. 
Ich: Dein Freund nimmt dir also vieles ab?Maria: So würde ich das nicht sagen, er erfüllt seinen Teil der Verantwortung genauso gut und schlecht wie ich. Nur ist er in Sachen Beschäftigung etwas mehr mit dem Herz dabei. Er kann Stunden damit verbringen mit Puppen zu spielen und im Garten Kissenhäuser zu bauen - mich langweilen diese Dinge. Ich würde in dieser Zeit lieber Dinge tun, die ICH gerne mag. Zeichnen, Lesen oder etwas etwas ganz anderes. Aber das geht nicht, denn meine Tochter will eben spielen. Ich mach es dann nur, damit meine Kleine ihren Spaß hat, aber ich bin froh wenn sie müde wird. 
Ich: Warum glaubst du, ist diese Bewegung #regretting motherhood aktuell wieder so in Schwung?
Weil viele denken, Feminismus und Frauenrechte seien durchgesetzt - wir wären schon alle gleichberechtigt. Das stimmt so aber nicht. In den letzten Jahren hat sich sehr vieles getan, aber wir (die Gesellschaft) Idealisieren noch immer ein Mutterbild, das keiner Frau gerecht werden kann. Bei Vätern ist das nicht anders, mein Freund sieht es ähnlich wie ich, er wollte ja damals auch noch kein Kind. Aber er liebt sie, inzwischen sagt er immer: „10 Jahre später, wäre besser gewesen“ und ich weiß, was er meint. Er weiß auch, dass ich diese Rolle komplett ablehne, ich bin mehr als eine Mutter und ich bin nicht nur auf mein Geschlecht ausgelegt - ich will ich sein dürfen, dass ist noch immer so eine Sache in unserer Gesellschaft … Und als Mutter ist das doppelt schwer.“
Ich: Ich denke einen besseren Schlusssatz gibt es nicht. 

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