Wenn der Steinzeitmensch zum Vorbild auserkoren wird. Oder: Über die Paleo-Diät.


Paleo… Als ich das erste Mal davon gehört habe, konnte ich mir darunter ehrlich gesagt überhaupt nichts vorstellen.
Paleo? Klang irgendwie komisch. Doch aber auch nichtssagend. Steinzeitdiät… Unter diesem Wort konnte ich mir dann schon mehr vorstellen. Menschen, die sich so ernähren wie der Steinzeitmensch. Logisch. Oder vollkommener Blödsinn?

Noch bevor ich Veganer war, habe ich oft gehört, dass sich Menschen nach Paleo besonders fleischlastig ernähren würden. So gäbe es morgens, mittags und abends Fleisch. Meist bestünde die Paleo-Ernährung meist nur aus Fleisch mit Gemüse- oder Salatbeilage. Ähnlich wie Lowcarb.
Bei mischköstlichem Lowcarb zum Beispiel scheint es oft egal zu sein, ob es sich um Tierprodukte aus Qualhaltung handelt. Es geht dabei auch wenig um Nachhaltigkeit. Wenn überhaupt. Und vielmehr darum Gewicht zu verlieren. Schlank zu werden. So werden dabei dann Kartoffeln, Nudeln und Brot verteufelt. Denn die machen ja bekanntlich dick. Nicht aber so Dinge sie Schokolade und Junkfood. Nein, das Problem ist auch nicht verarbeitetes Fleisch wie Bacon, das Problem sind Kohlenhydrate in Reis und Kartoffeln. Kurz gesagt: Kohlenhydrate sorgen dafür, dass wir Menschen immer dicker werden.
Auch bei Paleo werden Getreide und Milchprodukte stellenweise verteufelt. Denn Getreide genauso wie Milch hat der Steinzeitmensch nicht gegessen. Der lebte vor Viehzucht und Ackerbau. Und unser Organismus sei noch immer so wie der des Steinzeitmenschen damals. Folglich sind Getreide und Kuhmilch nicht gut für uns.

Bei Milch stimme ich den Paleo-Anhängern zu. Denn wozu sollten wir die Muttermilch einer anderen Spezies trinken? Bei Getreide betrachte ich das Ganze etwas anders. Doch erst einmal zu den Paleo-Basics:

Was ist Paleo?
Paleo oder auch Steinzeit-Diät genannt, ahmt das Ernährungsverhalten der Jäger und Sammler mit heute verfügbaren Mitteln nach.

Was darf man bei Paleo essen?
Gemüse, Obst, Nüsse & Samen, Fleisch & Fisch, Eier und gesunde Fette sind erlaubt.

Gemüse: Bildet die Basis der Paleo Diät und sollte reichlich konsumiert werden.

Fleisch: Fleisch gilt, laut Paleo, als Lieferant für wertvolle Proteine, gesunde Fette und auch einige Vitamine, welche nur aus tierischen Quellen bezogen werden können. Besonderen Wert legt Paleo hierbei auf die Herkunft des Fleisches. Denn die beste Qualität findet man bei Fleisch von Tieren, welche in ihrer natürlichen Umgebung mit natürlichem Futter aufgewachsen sind. Das bedeutet, Fleisch von weidegefütterten Rindern und Schafen, freilaufenden Schweinen und Hühnern, sowie natürlich jeglicher Form von Wild.

Fisch & Meeresfrüchte: Fisch und Meeresfrüchte gelten, laut Paleo, ebenfalls als guter Eiweißlieferant aber vor allem unsere wichtigste Quelle von essentiellen Omega-3 Fettsäuren.

Eier: Eier liefern, laut Paleo-Diät, wichtige Nährstoffe (gute Fette, Proteine, Vitamine) und machen lange satt. Desweiteren bestünde kein Zusammenhang zwischen Eierkonsum und einem Anstieg von Cholesterin und der Begünstigung von Herz-Kreislauf-Krankheiten. Vielmehr sind hierfür chronische Entzündungen im Körper, ausgelöst durch übermäßigen Konsum von Getreide und Hülsenfrüchten, verantwortlich. Nichts desto trotz sollte man auf jeden Fall auf Eier von freilaufenden Hühnern zurückgreifen.

Obst: Ist ein wichtiger Lieferant von Vitaminen und Ballaststoffen. Allerdings sollte Fructose nicht im Übermaß konsumiert werden. Daher sollte man den Konsum von Obst mit hohem Zuckeranteil beschränken wie z.B. Bananen, Mangos usw. beschränken und lieber auf Obst mit geringem Zuckeranteil wie z.B. Beeren zurückgreifen.

Paleo_Food_Pyramide
Was darf man bei Paleo nicht essen?
Getreideprodukte, Hülsenfrüchte, Milchprodukte, Zucker, stark verarbeitete pflanzliche Fette und künstliche Zusatzstoffe

Getreideprodukte: Also Brot, Nudeln, Pizza etc. in jeglicher Form sind verboten. Im Grunde alles aus Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Mais, Reis, Hirse und Bulgur usw. Denn alle Arten von Getreide enthalten entweder Formen von Gluten, Lektine (pflanzeneigene Abwehrproteine), Phytate (verhindern die Aufnahme von wichtigen Mineralien) oder andere Antinährstoffe, welche für den menschlichen Organismus schädlich sind. Diese verursachen laut Paleo nämlich chronische Entzündungen im Darmbereich was zu Auto-Immunreaktionen führen kann. Darüber hinaus enthalten Getreideprodukte eine hohe Menge an leicht verwertbaren Kohlenhydraten, die unseren Blutzuckerspiegel schnell ansteigen und wieder abfallen lassen, was sich kurzfristig negativ auf Energie und Müdigkeit auswirkt, sowie langfristige Krankheiten wie Diabetes und Fettleibigkeit nach sich ziehen kann.

Hülsenfrüchte: Darunter fallen alle Formen von Bohnen , Erbsen und Linsen. Aber auch alle Formen von Soja. Denn Hülsenfrüchte enthalten ebenfalls großen Mengen an schädlichen Phytaten und Lektinen, sowie eine große Menge an Kohlenhydraten im Verhältnis zu anderen Nährstoffen.

Milchprodukte: Alle Michprodukte von Kuh, Ziege oder Schaf. z.B. Milch, Käse, Butter, Joghurt, Sahne, etc. Denn die sind für viele Mensche ungesund, da ihr Organismus nicht mit der Lactose zurecht kommt. Davon abgesehen spielt, nach Paleo, auch die in Milch enthaltenen Wachstumshormone (die für das Kalb bestimmt) eine Rolle. Denn die können den Hormonhaushalt des Menschen aus dem Gleichgewicht bringen , sowie mit einer starken Insulinreaktion dafür sorgen, dass Abnehmen nur schwer möglich ist. Besonders industriell verarbeiteten Milchprodukte können Nahrungsmittelunverträglichkeiten hervorrufen.
Nichts desto trotz macht Paleo hier eine Ausnahme: Ghee ist zum Beispiel aufgrund von nicht vorhandener Lactose erlaubt. Obwohl dieses wiederum aus Milch gewonnen wird. Davon abgesehen können Menschen, die keine Probleme mit Milchprodukten haben, ausgewählte qualitative (unverarbeitete) und fettreiche Rohmilchprodukte oder fermentierte Milchprodukte wie Kefir ab und zu dann doch einzuführen.

Zucker & künstliche Süßstoffe: Zucker hat einen starken Einfluss auf den Insulinspiegel und kann bei dauerhaft übermäßigem Konsum zu Gewichtszunahmen und/oder Diabetes führen. Alle Formen von raffiniertem Zucker und künstlichen Süßstoffen sollten aus der Küche verbannt werden. Auch Agavendicksaft und Zuckerrübensirup sind tabu.

Süßigkeiten:  Süßigkeiten wie Bonbons, Schokolade, Kaugummis sind zu meiden, denn die enthalten viel Zucker und zusätzlich noch chemische Zusatzstoffe.

Verarbeite Lebensmittel & künstliche Zusatzstoffe: Geschmacksverstärker, Konservierungsstoffe, etc. Hier sollte man genau auf die Zutatenliste auf den Verpackungen schauen und nach Wörtern suchen, die man nur schwer aussprechen kann. Genau diese Lebensmittel sollte man vermeiden.

Industriell verarbeitetes Fleisch: Herkömmliche Fleischwaren aus dem Supermarkt wie Würstchen, Hamburger, Salami, Mortadella, etc. sind oft mit Zucker und Geschmacksverstärkern versetzt. Außerdem werden die Tiere häufig mit Hormonen und Antibiotika vollgepumpt und mit Getreide gefüttert. Hier genau auf die Zusatzstoffe achten und diese Produkte nur aus vertrauenswürdigen Quellen beziehen.

Was verspricht Paleo?
Die Steinzeitdiät sei die beste Art wie sich der Mensch ernähren könne. So könne man mit Paleo langfristig schlank, fit und gesund bleiben, da der menschliche Körper während der 2,5 Millionen Jahre dauernden Evolution genau an die bei Paleo erlaubten Lebensmittel angepasst wurde.

Paleo verspricht also eine natürliche Ernährung, ideal angepasst an die evolutionäre Entwicklung des Menschen. Doch es geht noch weiter. Paleo verspricht auch verbesserte körperliche und geistige Energie, Verbesserung des Allgemeinbefindens, besserer Schlaf, niedrigerer Blutdruck, reinere Haut und gesünderes Haar, bessere Konzentrationsfähigkeit, bessere Stimmung, weniger Depressionssymptome, weniger Verdauungsschwierigkeiten, nachhaltiger Gewichtsverlust, besserer Muskelaufbau und Fitness, stabileres Immunsystem, verbesserte Blutzuckerwerte, verbesserte Allergiesymptome, weniger Entzündungen, weniger Atemprobleme wie Asthma usw.

Klingt doch alles super, oder? Sollten wir uns nicht alle so ernähren wie unsere Vorfahren? Denn Paleo gibt ja auch vor keine Tierprodukte aus Qualhaltung zu konsumieren. Zwar vorrangig aus eigennützigen Gründen, doch immerhin.
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Im Grunde gibt es so etwas wie die Steinzeit-Diät nicht. Was hier also als die Steinzeit-Ernährung verkauft wird, ist im Grunde nichts weiter als die normale Mischkost-Ernährung, nur ohne verarbeitete Zuckerprodukte, Milch wie Getreide und Junkfood. Dass man beim Verzicht auf Junk langfristig seinem Körper was Gutes tut, ist im Grunde logisch. Und dass zu viel Zucker Übergewicht wie Diabetes begünstigt, ist auch richtig. Doch Getreide? Hülsenfrüchte?
An dieser Stelle muss ich ehrlich sagen, dass ich den Paleo-Anhängern in diesem Punkt nicht zustimmen kann. Es macht durchaus Sinn Weißmehlprodukte zu meiden. Doch bei Vollkorn sieht der Sachverhalt ein wenig anders aus.

Was mir bei näherer Beschäftigung mit der Paleo-Diät auch auffällt ist, dass hierbei oftmals von der Reduktion von Kohlenhydraten gesprochen wird. Ähnlich wie bei Lowcarb. Nun sagen Paleo-Anhänger jedoch oft, dass Paleo keine Lowcarb-Diät sei. Um ehrlich zu sein erweckt das bei mir einen etwas anderen Eindruck. Wenn geraten wird nicht zu viel Obst zu essen und bei der Wahl von Obst auf solche Sorten mit geringem Fructoseanteil zurück zu greifen, dann klingt das schon stark nach einer Form von Lowcarb.

Wenn man sich ein wenig mit der Ernährung des Urmenschen beschäftigt, so sind sich Wissenschaftler da bis heute noch nicht ganz einig wie sich der Urmensch wirklich ernährt hat. So heißt es u.a. der Urmensch soll sogar noch mehr Pflanzen gegessen haben, als der heutige Durchschnittsveganer. Oder aber: “Bis heute ist unklar, warum die Neandertaler (Homo neanderthalensis) vor etwa 30.000 Jahren ausstarben, nachdem sich der moderne Mensch (Homo sapiens) zunehmend in ihrem Lebensraum ausgebreitet hatte. Einige Wissenschaftler vermuteten, seine flexiblere Ernährung, die neben Fleisch zusätzlich vegetarische Kost umfasste, hätte ihn den Neandertalern überlegen gemacht: Durch die pflanzliche Nahrung habe der moderne Mensch mehr Energie aufnehmen können als die Neandertaler, die nahezu ausschließlich auf ihr Jagdglück angewiesen gewesen seien.” (mehr zu lesen hier: Quelle)

Paleo ist also nicht die Steinzeiternährung, sondern in meinen Augen mehr ein Versuch sich möglichst natürlich und unverarbeitet zu ernähren. Und dem spricht ja auch nichts dagegen. Zusatzstoffe, deren Namen man nicht aussprechen kann, sollten in der Tat nicht so oft konsumiert werden. Nichts desto trotz braucht man das dann nicht unter dem Namen Paleo labeln.
Desweiteren wird bei Paleo zwar davon gesprochen möglichst keine Produkte aus Massentierhaltung zu konsumieren. Das Wohl von Tieren ist hierbei jedoch eher sekundär. Auch der ökologische Aspekt bleibt bei Paleo außen vor.

Wie gesagt, es spricht nichts dagegen sich möglichst gesund und unverarbeitet zu ernähren. Nichts desto trotz sollte man sich nicht einreden lassen bei Obst wegen der darin enthaltenen Fructose Halt zu machen. Man sollte sich auch nicht einreden lassen, dass Getreide grundsätzlich schlecht sei. Das wird mir hier zu pseudowissenschaftlich erklärt. Besonders in Bezug auf Getreide und die Entstehung von Diabetes sowie Übergewicht. (Es ist ja nicht so, dass primär Junkfood und Süßkram dick machen würden. Ne, es ist das böse Brot.)

Insgesamt ist Paleo in meinen Augen einer dieser Ernährungstrends, die nach dem Lowcarb-Schema ticken und das Ganze zusätzlich noch mit dem Steinzeitmenschen zu erklären versuchen. Dabei frage ich mich dann immer wieder warum man sich ausgerechnet den Steinzeitmenschen, der eine durchschnittliche Lebenserwartung von 22 Jahren hatte, zum Vorbild nehmen will?


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