Was mich ermüdet

Ich bin in einer Grossfamilie aufgewachsen, was mir grundsätzlich sehr gut gefiel. Einzig die fehlende Privatsphäre fiel mir auf die Nerven. Ein Badezimmer für neun Personen, mehr brauche ich dazu ja wohl nicht sagen. Meine Mittelgrossfamilie – so richtig gross ist sie in meinen Augen nicht – sollte es einmal besser haben, das schwor ich mir. Darum wohnen wir heute ziemlich weitläufig – zu weitläufig in den Augen einer Bekannten, die schon angedeutet hat, sie würde gerne mit ihren zwei Kindern bei uns einziehen, wir hätten ja viel zu viel Platz. Weil ich jedoch sehr viel Wert darauf lege, dass jeder seinen Raum für sich hat, habe ich ihr gesagt, wir hätten nicht genügend freie Zimmer. Ihr seht also, ich gehe so weit, andere Menschen vor den Kopf zu stossen, um die Privatsphäre jedes einzelnen Familienmitglieds – auch meine eigene – zu garantieren. 

Und was machen die lieben Familienmitglieder mit dieser hart erkämpften Privatsphäre? Halten sie sie heilig und erbieten ihr die Ehre? Von wegen! Sie treten sie mit Füssen. Sie dringen in Zimmer ein, deren Türen ganz offensichtlich geschlossen sind und ich muss dann wieder den Streit schlichten. Sie vergreifen sich an fremden Musikinstrumenten, obschon sie schon hundertmal gehört haben, dass sich das nicht gehört. Sie toben sich heimlich in meiner Küche aus, obschon ich diese offiziell zu meinem Territorium erklärt habe. Das Putzen bleibt natürlich an mir hängen; ist ja meine Küche, nicht ihre. Sie durchwühlen Schubladen, die sie ganz eindeutig nicht durchwühlen dürften und stellen nachher indiskrete Fragen, die nicht mal ich, die ich doch eigentlich ziemlich offen bin, beantworten möchte. Sie vergreifen sich am Inhalt des väterlichen Kleiderschranks und empören sich, wenn der Herr Papa verlangt, dass die Kleider zurück an ihren angestammten Ort wandern. Sie stören unzählige Male den elterlichen Mittagsschlaf, obschon der Zeitrahmen klar abgesteckt und die Zimmertür geschlossen ist. Sie poltern unablässig an die verschlossene WC-Tür, auch wenn man schon zehnmal gebrüllt hat, man sei gleich soweit, sie sollten sich noch ein wenig gedulden, oder eines der anderen WCs aufsuchen, weil wir ja nicht bloss eines hätten. 

Als sie noch klein waren, konnte ich mit diesen ewigen Grenzüberschreitungen ziemlich gut leben. Sie wussten es halt einfach nicht besser. Jetzt aber wären sie eigentlich gross genug, um den Unterschied zwischen mein und dein nicht bloss zu erkennen, sondern auch zu respektieren. Aber sie tun es nicht und darum predigen “Meiner” und ich unablässig die gleiche Predigt: Anklopfen. Ein Nein respektieren. Die Finger von fremden Angelegenheiten halten. Fragen, bevor man sich im Zimmer eines anderen breit macht. Nicht einfach nehmen, was einem nicht gehört. Die anderen so behandeln, wie man selber auch behandelt werden möchte… Wir reden, sie tun so, als hätten sie verstanden – und überschreiten drei Minuten später die nächste Grenze.

Ach, wenn sie doch nur endlich begreifen würden, wie viel netter und geduldiger ihre Mama wäre, wenn sie endlich damit aufhörten, der armen Privatsphäre so viel Gewalt anzutun. 

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