Warum die Frauenquote ein Fehler ist und warum sie trotzdem kommen wird

Von Stefan Sasse
Die Frauenquote gehört zu den meist debattierten Reformen, die massiv in die Freiheit von Unternehmen einschneiden. Während aber jede noch so kleine Abgabenerhöhung oder Subventionsstreichung als Sozialismus gegeißelt wird, ist die Festsetzung, dass 40% der Unternehmensführung nicht ausschließlich unter den geeignetsten Kandidaten ausgewählt werden sollen, bislang auf heftigsten Widerstand direkt aus dem Kabinett gestoßen: Christina Schröder, die Familienministerin, hat sich am schärfsten dagegen verwahrt, während Ursula von der Leyen als Arbeitsministerin, die irgendwie nie so ganz mit ihrem alten Aufgabenbereich abgeschlossen hat und schon in ihrer Zeit als Familienministerin gerne mal ihre Kompetenzen kreativ erweitert hat (Stichwort Stopschild im Internet), die aktivste Befürworterin dieser Reform ist. Diejenigen, die davon betroffen wären - die großen DAX-Konzerne - sind in ein fast merkwürdiges Schweigen verfallen. Dieses Schweigen rührt sicherlich daher, dass die Frauenquote ein politisch extrem vermintes Terrain ist. Sich gegen sie auszusprechen kommt als Mann einem politischen Todesurteil gleich, und selbst als Frau ist der shitstorm, der unweigerlich losbricht immens, wie Christina Schröder bei ihrer Kritik erfahren musste. Trotzdem gibt es gewichtige Gründe, die gegen die Einführung einer Frauenquote sprechen.
Der erste davon wird auch häufig von betroffenen Frauen selbst vorgetragen. Wenn man eine quotierte Position inne hat muss man immer auch gleich gegen das Vorurteil ankämpfen, dass man sie nur besitze, weil sie eben einer Quote unterliegt. Selbst im deutschen Sprachgebrauch hat sich mittlerweile der "Quotenneger" etabliert, ein Produkt der amerikanischen "affirmative action", also dem Versuch, Afroamerikanern besseren Zugang zum Wirtschaftsleben zu verpassen. Ob dieses Vorurteil gerechtfertigt ist oder nicht ist dabei einerlei, denn belegen lässt sich meist weder das eine noch das andere, das liegt in der Natur der Sache. Gerade in Führungspositionen aber, wo Autorität gegeben sein muss und diese Autorität zumindest nach außen hin auf den eigenen Kompetenzen beruht, ist eine solche Festschreibung desaströs. Wie soll der Gleichberechtigung geholfen sein, wenn am Ende Männer durch ihre Leistung, Frauen aber durch die Quote aufrücken? Zwar mögen die Posten dann annähernd gleich verteilt sein; gleich behandelt werden würden sie deswegen aber nicht.
Natürlich hat das in den meisten Fällen keine realen Fundamente. Es gibt wirklich keinen Grund anzunehmen, dass Frauen in diesen Positionen schlechter sein könnten, nur weil ihr Geschlecht ein anderes ist. Die existierenden Frauen in solchen Positionen sollten diesem Mythos eigentlich ein für allemal den Boden entzogen haben. Legitimationsprobleme wie oben beschrieben werden jedoch nicht nur an Geschlechtergrenzen entlang laufen. Eine Frau, die in der internen Hierarchie aufsteigen will und über sich eine andere Frau hat kann das Quotenargument ebenso als Waffe einsetzen wie ein Mann, wegen der beschriebenen Implikation der politischen Kommunikation sogar noch vielseitiger und schlagkräftiger. Dieser Nebeneffekt ist sicher ungewollt, aber kaum zu vermeiden.
Ein weiteres Argument, das gegen die Frauenquote spricht, ist das demographische. Es wird in der Diskussion meist nicht beachtet, aber ich halte es für das Wichtigste. Menschen in Führungspositionen, egal welchen, sind im Normalfall zwischen 40 und 60 Jahren alt, häufig allerdings bereits über 50. Das bringen Spitzenpositionen so mit sich - man muss Erfahrungen sammeln und aufsteigen (Ausnahmen gibt es natürlich immer). Das bedeutet, dass das derzeitige Führungspersonal zwischen 1945 und 1965 geboren wurde, also vor der großen Frauenbewegung, die die Ideen vollständiger Gleichberechtigung mit sich brachte, und vor der neoliberalen Revolution der 1980er Jahre, die Karriere in technischen oder BWL-Berufen als erstrebenswert propagierte. Das Fakt, das Befürworter der Frauenquote immer wieder vergessen, wenn sie auf die geringe Durchsetzung der Vorstandsetagen mit Frauen verweisen ist, dass es schlicht nicht viele gibt.
In einem marktwirtschaftlichen System macht es praktisch keinen Sinn, eine Hälfte der potenziellen Arbeitnehmer bei gleicher Befähigung entweder auszuschließen oder schlechter zu bezahlen. Im ersten Fall würde das erste Unternehmen, das sich nicht an diese informelle Absprache hält, ein gigantisches Reservoir billiger und kompetenter Arbeitskräfte erhalten. In einer Marktwirtschaft aber würde das irgendwann passieren. Im zweiteren Falle würde irgendein Unternehmen nur Frauen einstellen, da diese bei gleicher Befähigung um (angeblich) rund ein Drittel billiger sind. Beides ist nicht passiert. Da  die Marktwirtschaft es profitorientierten Unternehmen aber problemlos erlaubt, für Dividenden eine Hungersnot in Afrika hervorzurufen, sollte die Einstellung von Frauen wahrhaftig kein solches Hindernis darstellen. So stark kann der Machoismus gar nicht sein.
Das heißt, dass die derzeit geringe weibliche Besetzung von Vorstandsetagen ein demographisches Problem ist. Ein einziger Blick in die Realität bestätigt dies. Ob an Universtäten in BWL-Studiengängen, auf den BAs oder in den Büros von Unternehmen und Banken, die 20-40jährigen haben eine wesentlich größere Durchmischung von Männern und Frauen als die Alterskohorten über ihnen. Warum? Weil diese Frauen in eine Zeit hineingeboren wurden, die völlig andere Prinzipien für Erziehung und Lebensgestaltung vorgab (richtigerweise). In spätestens 10 bis 20 Jahren wird deswegen, ganz von alleine, der Anteil von Frauen in Führungspositionen der realen Verteilung weitgehend entsprechen. Das ist ein Prozess, der durch die marktwirtschaftliche Dynamik vorgegeben ist. Auf Dauer kann die Hälfte der Bevölkerung, wenn sie gleich qualifiziert und willens ist, niemals von der Macht abgehalten werden.
Dazu kommt, dass es bereits Antidiskriminierungsgesetze gibt. Wenn der Verdacht besteht, dass aufgrund des Geschlechts eine Beförderung zurückgehalten wird, kann jederzeit beim firmeninternen Gleichstellungsbeauftragten oder vor Gericht geklagt werden - und die Erfahrung zeigt, dass die Erfolgswahrscheinlichkeit relativ hoch ist. Ich bin deswegen der Überzeugung, dass eine Frauenquote mehr Schaden als Nutzen bringen würde. Frauen, die ihre Positionen bisher erreicht haben, würden mit dem Stigma der Quote belegt werden.
Die Frauenquote in DAX-Unternehmen (und möglicherweise auch weitergehend) ist jedoch ein quasi gesetztes Ereignis. Es gibt nur eine Partei, die kategorisch dagegen ist - die FDP - und diese wird ab 2013 erst einmal keine Rolle mehr spielen. Die CDU ist in der Frage gespalten und wird sich mit einem Koalitionspartner SPD oder Grüne kaum dagegen stellen. Und SPD, Grüne und LINKE sind dafür. Da die Notwendigkeit einer solchen Reform durch jahrelange Lobbyarbeit der feministischen Gruppen, deren Ziele und Betätigungsfelder sich wie bereits dargestellt längst von ihren emanzipatorischen Wurzeln entfernt haben, zur politischen Notwendigkeit für alle politischen Kräfte geworden ist, die sich als progressiv begreifen, wird ihre Einführung kaum zu verhindern sein. Einmal eingeführt wird sie auch nicht wieder abgeschafft werden, da eine Abschaffung als frauenfeindlich gelten würde; ein Image, das kaum eine Partei sich aufzukleben bereit sein wird.

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