Verkürzte Kritik an der Gentrificationdebatte

Verkürzte Kritik an der GentrificationdebatteIm neuen AK – der Zeitschrift für Analyse und Kritik – findet sich ein Beitrag zur Gentrificationdebatte. Diese nämlich sei vor allem eins: verkürzt.

Im Text heisst es:

Der Wandel der Stadt ist ohne den Wandel der Arbeit nicht zu verstehen. Wenn man die Debatte über Gentrifizierung verfolgt, dann scheint sich die These vom Ende der Arbeitsgesellschaft zu bewahrheiten, zumindest in den innenstadtnahen Altbauquartierten. Die zentrale Forderung ist die nach bezahlbarem Wohnraum. Arbeit kommt, wenn überhaupt, nur am Rande vor. Doch ohne eine Betrachtung der Arbeit lassen sich die Umbrüche in den Zentren der Städte nicht verstehen.

Ich habe mich spontan gefragt, welche Debatten da wohl gemeint sein mögen. Die der Arbeitslosen- und Sozialinitiativen, die feststellen, dass es für Hartz-IV-Haushalte in bestimmten Vierteln keine Wohnungen mehr gibt, die Mieterorganisationen, die regelmäßig darauf verweisen, dass die Anteile der Mietkosten an den verfügbaren Einkommen schon wieder gestiegen sind, die Graffities gegen Yuppies (young urban professionals) oder Proteste vor neu eröffneten Galerien… In der Praxis wird die Auseinandersetzung in den Stadtteilen fast immer mit Fragen ungleicher Einkommen, und neuen Arbeitsverhältnisse verbunden.

Aber eine ‘Verkürzung’ aufzudecken ist offensichtlich publizistische reizvoller, als zu einer Vertiefung bereits bestehender Ansätze beizutragen.

Kritik an der Gentrifcation-Debatte als argumentatives Roll-Back 

Zumindest vor dem Hintergrund der Gentrification-Forschung liest sich der Beitrag wie eine Rolle rückwärts.  Gerade in den Anfangsjahren dominierte soziologische Erklärungsversuche, die den Wandel in den Stadtteil mehr oder weniger eindimensional auf veränderte Arbeitsverhältnisse, demographische Umbrüche und die Ausdifferenzierung der Lebensstile zurückführten. Der Nachbarschaftswandel selbst, war dann nur noch eine quasi naturalisierter Folgeeffekt dieser Veränderungen.

Kritische Geograph/innen wie Neil Smith
haben solche simplen Ableitungsvorstellungen  zurückgewiesen und die eigenständigen Inwertsetzungslogiken des Immobilienmarktes in den Blick genommen. Auch die sind unmittelbar mit den gesellschaftlichen Veränderungen und dem Übergang zu Postfordismus und Neoliberalismus verbunden – aber eben gerade nicht über eine einfache Angebots-Nachfrage-Kette veränderter Einkommensstrukturen. Neben der Flexibilsierung von Arbeitsverhältnissen und der sozialen Polarisieung von Einkommen und Vermögen ist eben auch die Entkopplung der Finanzmarkttransaktionen von der Realwirtschaft ein Element der Veränderungsdynamiken. Ein Teil dieses anlagesuchenden Kapitals strömt auch auf die Immobilienmärkte – Preissteigerungen und Aufwertungen sind gerade deshalb immer seltener Effekte von Stadtteil-Images, sondern vielmehr Folge von Ertragslücken, Zinskonditionen, staatlichen Investitionsanreizen etc.

Wer verkürzt hier eigentlich was?

Der AK-Artikel zu den angeblich verkürzten Gentrification-Debatten greift letztendlich ein arg beschränkte Perspektive auf Aufwertungs- und Verdrängungsprozesse auf:

 Der Begriff der Aufwertung beschreibt den Prozess, der der Verdrängung der ärmeren BewohnerInnen eines Stadtteils vorangeht. KünstlerInnen und StudentInnen ziehen in einen billigen Stadtteil; durch die neuen Lebensstile verändert sich das Image des Stadtteils, Immobilienfonds werden aufmerksam und beginnen, alte Häuser zu sanieren und Eigentumswohnungen neu zu bauen. Wer von Aufwertung spricht, spricht immer auch von einer Komplizenschaft zwischen KünstlerInnen, StudentInnen und ImmobilienspekulantInnen

Von Aufwertung gesprochen wird aber auch in staatlich festgelegten Sanierungsgebieten, in Teilen der privatisierten Wohnungsbestände, im Zusammenhang mit Neubaumaßnahmen wie HafenCity oder MediaSpree – alles Beispiele, in denen Aufwertung auch aus der Perspektive von Stadtteilbewegungen ganz offensichtlich ohne Galerien und studentische Cafes auskommt.  Auch an diesem Punkt erscheint die Beschreibung der ‘Gentrification-Debatte’ nicht wirklich umfassend, teffend und tiefgründig. Und das soll sie wohl auch nicht sein, denn dann würde ja die schöne polemische Argumentation gar keine Basis haben.

Der Aufruf am Ende des Textes gerät ein wenig kryptisch:

Gentrifizierung und prekäre Arbeit sind eng miteinander verknüpft. Dies in den Blick zu nehmen, ermöglicht ein genaueres Verständnis der gegenwärtigen Umbrüche in den Zentren der Städte. Aber vor allem ermöglicht es, die Konfliktfelder zu vervielfältigen. Und genau das ist nötig, um die wachsende Stadt mit Projekten zu umstellen.

Ja, die sozialen Ungleichheiten (z.B. prekäre Arbeit) sind Voraussetzung für die Gentrification, schon der Begriff verweist darauf, denn in einer egalitäten Gesellschaft gäbe es auch keine Gentry. Und ja, Gentrification beschreibt die Verdrängung von Armen durch Reiche (oder meinetwegen von denen die bessere Positionen in der Arbeitswelt erlangt haben und den dort Marginalisierten) – Aber dass ist selbst bei den aller kürzesten Verkürzungen der Gentrification so verstanden worden.

Warum und wie durch einen eigentlich altbekannten Hut jetzt plötzlich mehr Konfliktfelder entstehen, wird im Artikel leider nicht einmal angedeutet.  Mir zumindest ist das deutlich zu kurz gegriffen.



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