Unter’m Nachthimmel

Es ist tiefe Nacht. Und ich kann einmal mehr nicht schlafen. Gedankenschwanger ziehe ich alle paar Minuten durch die Wohnung. Alles hier schläft. Irgendwie.
Der Tee neben meinem Bett ist mittlerweile eiskalt. Schnee hat sich an meinem Fenster gesammelt. Bis vor ein paar Stunden hat es heftig geschneit.
Jetzt ist der Himmel klar.
Ich ziehe mir etwas über und gehe auf den Balkon. Ich fege mit der Hand eine Schneewehe vom Stuhl, der hier immer steht und setze mich. Die frische und kalte Luft umfängt mich; ich atme tief ein.
Ich höre die Stille. Kein Auto fährt mehr und jedes andere Geräusch wird scheinbar vom Schnee verschluckt. Ich mag den Winter nicht. Die Kälte nicht und auch nicht den Schnee. Doch jetzt, in diesem Augenblick, bin ich fasziniert und hingerissen von der Stille, die er bringt. Lange Zeit fühlte ich nicht mehr diese Ruhe.
Ohne es zu bemerken habe ich die Augen geschlossen um diese perfekten Stille in dieser perfekten weißen Pracht zu lauschen. Nun öffne ich sie wieder. Und schau in den klaren Himmel. Ein paar Sterne sind zu sehen, doch die meisten werden vom gelblichen Laternenlicht überstrahlt. Doch der Mond strahlt sein kühlen, weißes Licht auf die Straße herab. Es ist Vollmond. Vielleicht ist das der Grund, warum ich nicht schlafen kann. Aber eigentlich glaube ich das nicht. So etwas habe ich – wenn ich ehrlich bin – eigentlich nie geglaubt. So bin ich halt.
Ich denke an sie.
Denkt sie auch noch an mich? Vielleicht wenn sie in den Nachthimmel sieht? Vielleicht schauen wir auch beide mal zur selben Zeit in den Himmel. Derselbe Himmel. Wir gehen unter demselben Himmel, sehen denselben Mond und atmen – im Prinzip – dieselbe Luft. Manchmal gehen wir dieselben Wege. Und der Romantiker in mir sagt, dass wir sogar manchmal noch dasselbe denken und fühlen.
Ein Band, das uns verbindet ob unserer Vergangenheit.
Ein Band, das wohl für alle Zeit bleibt, egal, ob Erinnerungen verblassen, Einrichtungen ausgetauscht oder Wohnorte gewechselt werden.
Und wieder ist es der Romantiker in mir, der sich häufig und sehr gut versteckt – ja – zurückgezgen hat, der sich weigert, dieses Band loszulassen. Ich lasse ihn seinen Willen. Weil ich mir sicher bin, dass ich die Gewissheit brauche, da draußen jemanden zu haben, mit dem ich verbunden bin. Wenigsten ein wenig. Und ohne, dass wir diese Verbindung miteinander teilen.

Schwer atme ich aus. Nebelig steigt mein Atem auf in Richtung Himmel. Es kribbelt in meiner Nase und ich wische mir eine Träne aus den Augen.
Ich habe einmal die These verfasst, dass wir alle nie schlechte oder gute Entscheidungen treffen, sondern lediglich, wie in einem Kartenspiel, Karten aufnehmen oder ablegen müssen.
Ich stehe auf und gehe wieder in die Wohnung. Die Balkontür ist beschlagen. Ich schließe sie.
In meinem leeren Zimmer lege ich mich in mein leeres Bett. Es ist nicht mehr nötig, dass es ausgeklappt ist. Doch trotzdem ließ ich es so.
Und während ich das Nachtlicht ausschalte, das ich mit ihr kaufte, drehe ich mich zur leeren Betthälfte und denke ein letztes Mal in dieser Nacht, aber nicht zum ersten Mal, dass ich diesmal wohl Karten aufnehmen musste.

 



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