Triumph und Tragik der neuen Frauen

Das Frauenbild wird neu gemalt. Paula Modersohn-Becker und andere zeigen der Männerwelt, dass es die Frauen auch können.

Collage. Links und Mitte lizensiert unter Gemeinfrei, rechts Selb stbildnis Paula Modersohn-Becker, lizenziert unter Bild-PD-altCollage. Links und Mitte lizensiert unter Gemeinfrei, rechts Selb stbildnis Paula Modersohn-Becker, lizenziert unter Bild-PD-alt

Paula Modersohn-Becker hält es nicht mehr aus in Worpswede. Dort lebt sie mit ihrem Mann Otto, der es gerne ruhig hat. Die Vollblutkünstlerin Paula aber sehnt sich nach dem prallen Leben. Ein tristes Dasein irgendwo zwischen Heide und Moor ist ihr nicht genug. Unerhörtes geschieht: Sie trennt sich und geht nach Paris. Den Namen nimmt sie mit, der Gatte bleibt erst mal zurück. "Ich bin nicht Modersohn und ich bin auch nicht mehr Paula Becker. Ich bin ich, und ich hoffe, es immer mehr zu werden." Allein ist sie nur in Paris. Aber Frauen wie sie drängen um die Jahrhundertwende nach vorne. Die routinierte Biografin Barbara Beuys hat das neu entstehende Frauenbild nachgezeichnet - anhand von knapp drei Dutzend Frauenportraits.  

Triumph und Tragik der neuen Frauen

Neben oft genannten Vertreterinnen der neuen Frauen wie der Linkspolitikerin Clara Zetkin, der Dichterin Else Lasker-Schüler und dem Stummfilm-Star Asta Nielsen, die ihre weiblichen Reize selbstbewusst vermarktet (siehe Clip) stellt das Buch auch unbekanntere Revolutionärinnen vor. Ärztinnen und Lehrerinnen, die selbstbewusst und zielstrebig die Rolle der Frau im Beruf neu definieren. Die Frauenmbewegung nimmt Fahrt auf. Die Heldinnen des Alltags von denen Barbara Beuys berichtet legen den Grundstein für ein selbstverständliches Neben- und Miteinander von Frauen und Männern im Job. Neben- und miteinander stehen diese Frauen auch zwischen den beiden Buchdeckeln. 

Barbara Beuys findet ein spannendes Format, das nicht zwei Dutzend Porträts aneinanderreiht, sondern die Lebensgeschichten miteinander verwebt. Dadurch bringt sie neben den einzelnen Karrieren auch Leben und Situation der Frauen insgesamt zur Geltung. Dabei bleibt es nicht aus, dass neben den Triumphen der neuen Frauen auch die Tragik einzelner Schicksale zur Sprache kommt. Schmerzlich dringt ins Bewusstein, dass die Pinonierleistungen und Erfolge dieser Generation von Frauen teils hohe Preise forden: familiäre und gesellschaftliche Konflikte wollen durchgestanden werden, was leider nicht immer gelingt: Ein Beispiel dafür ist Clara Immerwahr. Die erste studierte und promovierte Chemikerin ringt ihrem Mann Fritz Haber, ebenfalls Chemiker, ab, dass sie selbst arbeiten darf und ein eigenes Labor bekommt. Dann aber startet ihr Mann durch - und zwar ohne sie. Dabei hatte er ihr zuvor versprochen, sie als gleichberechtigete Parterin zu achten, sogar ein gemeinsames Lehrbuch war geplant. Aber es kommt noch schlimmer: Fritz Haber geht einen Pakt mit dem Teufel ein und stellt seine Schaffenskraft um der Karriere willen in den Dienst des Todes: Er übernimmt im Ersten Weltkrieg die Entwicklung der Kampfgase, die Tausende von Soldaten elendig zugrunde gehen lassen. Clara hält das nicht aus und nimmt sich das Leben. Auch das Buch über die neuen Frauen kennt Triumph und Tragik. Denn leider ergeht es ihm der Frauenbewegung: Nach hoffnungsfrohem Start und lebendigen Skizzen schillernder Persönlichkeiten verläuft sich das ganze in einer Art von Kongress-Hopping. Statt Lebensgeschichten gibt's dann Tagungsgeschichten. Dennoch ist das Experiment mit dem Format ineinander verwobener Lebensgeschichten insgesamt geglückt und bereichert das Biografien-Regal. 

Barbara Beuys 2014: Die neuen Frauen. Revolution im Kaiserreich

Hanser, 384 Seiten, € 24,90. 

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