The Half Naked Truth – Gregory La Cava

The Half Naked Truth – Gregory La Cava

THE HALF NAKED TRUTH
USA 1932
Mit Lee Tracy, Lupe Velez, Eugene Palette, Frank Morgan, Shirley Chambers, Franklin Pangborn, u.a.
Drehbuch: Gregory La Cava und Corey Ford
Regie: Gregory La Cava
Studio: RKO
Der Film kam im deutschsprachigen Raum weder in die Kinos noch wurde er im Fernsehen gezeigt.
Dauer: 77 min

Vorspann:
The Half Naked Truth – Gregory La Cava
Revolverschnauze Jimmy Bates, ein zwieliechtiger Künstler-Agent, plant den Aufstieg seiner Freundin, der Jahrmarkt-Tänzerin Teresita zu Broadway-Starruhm. Mittels Schlagfertigkeit, verbaler Überzeugungskraft und einiger gewitzter Tricks gelingt es ihm, Teresita in die Broadway-Produktion und das Privatleben eines angesehenen Regisseurs hineinzuschmuggeln.

Der Film:
Gregory La Cava ist einer jener bekannten Regisseure, die nur einen Film gedreht zu haben scheinen – in diesem Fall My Man Godfrey (1936). Mehr kennt man nicht von ihm, eingefleischen Hollywood-Fanatiker ist vielleicht noch Stage Door (1937) ein Begriff, jedenfalls dem Namen nach.
Natürlich hat La Cava weitere Filme gedreht (IMDB listet deren 37 auf – die Cartoons und Kurzfilme seiner Anfangszeit nicht mitgezählt), doch die sind schlichtweg vergessen gegangen.

The Half Naked Truth etwa war bei uns noch nie zu sehen, obwohl es sich dabei um eine beachtliche Komödie von hohem Unterhaltungswert handelt. Der heute ebenfalls vergessene Schauspieler Lee Tracy spielt darin einen aggressiv-gewitzten Agenten, der die Leute, einem menschlichen Megafon gleich, mit stakkatoartig vorgetragenen Argumenten überrollt wie eine Dampfwalze. Ihm zur Seite stehen zwei ideale Gegenparts, einerseits das mexikanische Temperamentsbündel Lupe Velez, deren impulsive Ausbrüche zu ihrem Markenzeichen gehörten, und der dicke Eugene Pallette, der hier mit unnachahmlicher Begriffstutzigkeit Bates stoischen Partner gibt. Ergänzt wird das Trio mit Frank Morgan, der als gehuldigter Broadway-Regisseur zwischen sensibler Künstlerseele und aufbrausendem Despot changiert.

Der Film ist keine cinèastische Grosstat. Kaum ist er vorbei platzt die schöne Seifenblase und man hat ihn schon vergessen. Und Lee Tracy mit seinem aggressiven Spiel nervt mehr als dass er begeistert. Doch The Half Naked Truth erfreut mit einigen überaus verrückten Sequenzen, welche die Spinnereien der Screwball-Comedy vorwegnehmen. Ein inszeniertes Nudisten-Happening mitten in New York etwa. Oder eine Löwenfütterung in einer noblen Hotelsuite. Noch verrückter ist, dass ausgerechnet diese Teile nicht erfunden sind. Harry Reichenbach, ein Künstler-Agent der Zwanzigerjahre, das reale Vorbild für die Figur des Jimmy Bates, beschreibt ähnliche Tollheiten in seinen biografischen Notitzen. Trotzdem wären sie nicht halb so gelungen ohne La Cavas Talent für die Komödie. Der Anblick der Nudisten, die von einer Polizeieskorte durch New Yorks Schluchten kutschiert werden, ist dank der grotesk angeklebten Kunst-Bärte und dem Understatement der Inszenierung schlichtweg göttlich. The Half Naked Truth – Gregory La Cava

Und da sind wir beim Kern der Sache: The Half Naked Truth ist eine perfekt getimte Komödie, die den Händen eines weniger talentierten Regisseurs schnell zu Ermüdung geführt hätte. Nicht weil das Drehbuch zuwenig taugt – La Cava, der seine Drehbücher nicht selten selbst verfasste, hat sich selbst eine sehr schöne Steil-Vorlage geschaffen. Sondern wegen Lee Tracy, der die Nervensäge derart glaubhaft verkörpert, dass man ihn als Zuschauern am liebsten aus dem Film entfernen möchte. La Cava lässt nur soviel davon zu, wie gerade noch erträglich ist und kontrastiert ihn mit subtileren Charakteren und Akteuren.

Tracy übrigens, der offenbar genauso gelebt hat, wie er im Film spricht und agiert – auf Speed – war im Filmbusiness bald einmal unten durch. Und das nicht einmal wegen seiner notorischen Sauferei. Den Kopf gekostet hatte ihn eine Episode am Rande der Dreharbeiten zum Wallace Beery-Film Viva Villa, wo Tracy während einer mexikanischen Militärparade öffentlich uriniert haben soll – zum unbändigen Ärgernis der mexikanischen Regierung, die darauf beim Studio interveniert hatte. Sofort wurde Tracy vom Set geschmissen und aus dem Film herausgeschnitten. Der 1934 eingeführte Hays-Code tat das übrige, dass amoralische Charaktere wie die von Tracy verkörperten im Filmbusiness nicht länger toleriert waren. Tracy verschwand sehr schnell von der Bildfläche und tauchte aber später in Fernseheserien regelmässig wieder auf.
Der gestisch und akustisch verwandte Jimmy Durante mauserte sich im Kino zu Tracys Zensur-kompatiblem Ersatz.

Nachspann:
Lee Tracy spielte vorher die Hauptrolle in James Cruzes Satire Washington Merry-G-Round (gedreht ebenfalls 1932 – im Deutschsprachigen Raum als Das Washingtoner Karussell aufgeführt). Nachher war er in Clear all Wires zu sehen, einer von George W. Hill 1933 gedrehten Komödie (im deutschsprachigen Raum nicht gezeigt). Tracys bekannteste Rolle ist die von John Barrymore Agenten in George Cukors Gesellschaftsdrama Dinner at Eight von 1933 (dt.: Dinner um acht). Berühmt wurde er 1925, als er am Broadway im Theaterstück “The Front Page” die Rolle des Hildy Johnson verkörperte.
Lupe Velez war die heisse Nummer jener Tage. Ihr heute bekanntester Auftritt stammt aus dem Film Hollywood Party, wo sie mit Stan Laurel und Oliver Hardy eine lupenreine Tit for Tat-Nummer (mit rohen Eiern) abliefert. Vor The Half Naked Truth konnte man sie in William C. Cowens Horror-Drama Kongo bewundern, danach in der Titelrolle von John G. Blystones Komödie Hot Pepper. Beide Filme waren bei uns nie zu sehen. Lupe Velez drehte 1944 ihren letzten Film; nach einer Serie von professionellen und persönlichen Misserfolgen nahm sie sich im Alter von 36 Jahren das Leben.
Gregory La Cava begann seine Filmlaufbahn mit Cartoons. Über die Kurzfilmkomödie kam er zum Langfilm. Vor dem hier besprochenen Film drehte er 1932 The Age of Consent, danach 1933 Gabriel over the White House. Beide Werke sind Dramen, letzterer lief 1933 auch in deutschen Kinos, unter dem Titel Zwischen heut und morgen.
La Cava war eng mit W.C. Fields befreundet und soll mehrere Sequenzen in dessen Langfilmen inszeniert haben – immer dann, wenn Fields mit dem ihm zugeteilten Regisseur nicht klar kam.

Im deutschsprachigen Raum ist The Half Naked Truth weder auf Blu-ray noch auf DVD verfügbar. Auch auf VHS ist er hierzulande nie erschienen. In den USA ist er als “DVD on demand” innerhalb der Reihe Warner Archive Collection erschienen.


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