Tag 13 – Von Alston nach Greenhead (26.5 Kilometer, 610 Meter Anstieg)

Heute heißt es Abschied nehmen von den Pennines, deren massige, steile Hügelkette ich nun etwas wehmütig hinter mir lasse. Es geht weiter
Richtung Schottland, das allerdings nicht weniger bergig ist. Doch zuvor muss ich noch ein legendäres römisches Bollwerk überwinden: Hadrians Wall. 117 Kilometer lange Abwehrfestung gegen die wilden Schottenstämme des Nordens und Vorlage für meine Lieblingsserie: Game of Thrones.

Mein morgendlicher Weg führt mich wieder mehrere Meilen weit quer durch Schafsweiden und dann kreuzt der Pennine Way einen anderen Trail, den South Tyne Trail, was zwischendurch zu so manch navigatorischen Unstimmigkeiten führt. Mein Guidebook witzelt zudem: “Schau mal kurz zum anderen Trail rüber und blicke neidisch auf Wanderer in bester Verfassung, mit sauberen Schuhen und keinerlei Orientierungsproblemen.” Pah, diesen langweiligen, aalglatten Wanderweg will ich überhaupt nicht gegen meinen rauen und abwechslungsreichen Pennine Way eintauschen, dessen abenteuerliche Hindernisse und knifflige Tücken ich längst schätzen und lieben gelernt habe.

Außerdem steckt er voller Geschichte. So laufe ich heute ein ganzes Stück auf dem berühmten Maiden Way, der wichtigsten römischen Versorgungsstraße für den Hadrianswall. Viel ist nicht mehr zu sehen vom antiken Pflasterstein, aber allein das Gefühl, auf solch historischem Boden zu wandeln ist dennoch spektakulär.

Seit Tagen habe ich keine anderen Hiker mehr gesehen, doch als ich mich zur Mittagsruhe niederlasse, biegen drei schwer bepackte Wanderer um die Ecke. Jane und Yvonne aus Genf und Brian aus London sind seit 2 Wochen auf dem Pennine Way unterwegs und sehen dafür echt ziemlich fit und unversehrt aus. Wir kommen ins Gespräch und aus dem Trio wird kurzerhand ein Quartett. Wir wollen gemeinsam eine der unangenehmsten Routen stemmen: die unberechenbare Schlammhölle von Blenkinsopp Common.

Das golden im Sonnenlicht schimmernde Moor hat es in sich. Zunächst einmal verliert sich der Pfad hier völlig und Navigationskünste sind gefragt. Und als wäre das nicht genug, ist es hier so moddrig, dass man schon gern mal knietief ins Schlammloch rutschen kann. Wir versuchen unser Glück zu viert, doch nach ein paar hundert Metern brauche ich erstmal eine Verschnaufpause. Ich versichere meinen flotten Gefährten, dass sie beruhigt weiterziehen können und wir treffen uns dann abends im Pub. Ich greife zu Chips (Kernbestandteil eines englischen Lunchpakets) und Starbucks Kaffee. Hm. Und dann muss ich mich allein durchschlagen.

Meine Angst ist unter Kontrolle, aber dennoch spürbar. Ich setze jeden Schritt bedacht und als ich schließlich durchs Gröbste durch und den Abstieg von Black Hill beginne, blicke ich mit völlig anderen Augen aufs Moor. Plötzlich ist es keine Bedrohung mehr, sondern durch und durch magisch und zauberhaft. Das hellbraune, hüfthohe Gras funkelt bronzen in der Nachmittagssonne. Es hat mich gelehrt, mich selbst am Schlaffittchen zu packen, meine eigenen Kräfte sinnvoll zu nutzen, mich trotz aller Widrigkeiten immer sicher an mein Ziel geführt. Nie wieder will ich es mit Unbehagen betrachten. Es ist einzigartig und seine Schönheit liegt gerade in seiner Unberechenbarkeit. Wenn ich eine Dichterin wäre, ich würde glatt eine Ode auf’s englische Moor  verfassen.

Und als ich am Abend Greenhead erreiche und mich in die heimelig dörfliche Pubatmosphäre begebe, fühle ich mich das erste Mal rundum pudelwohl und eins mit meiner Umgebung. Und ich merke: Ich bin erst jetzt wirklich angekommen auf meinem ganz persönlichen Pennine Way.

Und nun noch die Bilder des Tages:

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