So ticken Bomberpiloten – Ein Psychogramm des Tötens

So ticken Bomberpiloten – Ein Psychogramm des Tötens

F16- Pilot mit Nachtsichtgerät - Wikipedia

Jeder halbwegs normale Mensch, der die in Libyen verübten Greueltaten mitverfolgt, muss sich fragen, wie es sein kann, dass Menschen zu so etwas fähig sind. Vor allem Kampfpiloten, die als Massenmörder aus sicherer Höhe Bombenteppiche auf Zivilisten herabregnen lassen ohne selbst in Gefahr zu geraten, spotten jeder menschlichen Zivilisation.

Es ist nicht einfach, Menschen dazu zu bewegen, sich gegenseitig umzubringen. Im Gegenteil, es gibt unter allen Säugetieren eine starke Hemmung, Artgenossen zu töten. Beim Menschen ist die Hemmung sogar besonders stark ausgebildet und in die Kultur integriert. Dave Grossman, ehemaliger Oberstleutnant der US- Army und Psychologieprofessor an der West Point Militärakademie beschreibt das ‘Problem’ in seinem Standardwerk „On Killing“ wie folgt:

Sowohl im vorderen Teil unseres Gehirns, der uns menschlich macht – weil er für Vernunft, Ethik und abstrakte Vorstellungen zuständig ist– , als auch in den tieferen Schichten des Hirns, die bei Impulsen wie Angst, Aggression oder erotischen Reizen aktiviert werden, ist eine angeborene Tötungshemmung verankert. […] Menschliche Wesen sind von Natur aus keine Killer.“

und weiter

Der außerordentliche Mangel an Enthusiasmus am Töten eines Mitmenschen findet sich in der gesamten Militärgeschichte”.

Gemeint waren damit die Napoleonischen Kriege, der amerikanische Unabhängigkeitskrieg sowie der erste und zweite Weltkrieg.

Untersucht worden war dieses Phänomen erstmals während des amerikanischen Sezzesionskrieges, als sich herausstellte, dass die Mehrzahl aller beteiligten Soldaten bewusst über die Köpfe der Gegner feuerte. Die meisten Toten fand man demnach mit geladener Waffe. Wie sich ebenfalls herausstellte, waren lediglich 15 bis 20 Prozent der Beteiligten dazu bereit, mit Tötungsabsicht auf ihre Gegner zu schießen. Weder durch Drohungen noch durch Prügel konnten sie zum Morden animiert werden. [1]

Auch Erhebungen an Infanteristen des zweiten Weltkrieges ergaben ein ähnliches Ergebnis. Wie der amerikanische Brigadegeneral Samuel L. A. Marshall herausfand, waren auch hier lediglich 15 bis 20 Prozent der Soldaten dazu bereit, gezielt und mit Tötungsabsicht aufeinander zu feuern. Entgegen ihren Befehlen, obwohl darauf die Todesstrafe stand. In seinem nach dem Krieg erschienen Buch „Men Against Fire“ beschrieb Marshall seine Erkenntnisse:

Das durchschnittliche und gesunde Individuum hat einen derartigen inneren und normalerweise nicht wahrgenommenen Widerstand gegen das Töten eines Mitmenschen, dass er nicht willentlich töten wird, wenn es möglich ist, aus dieser Verantwortung herauszukommen … Am entscheidenden Punkt wird er zum Kriegsdienstverweigerer.”

Für die Armee der Vereinigten Staaten war diese Erkenntnis erschreckend, so dass sie damit begann, ihre Ausbildung dahingehend zu verändern, dass die Feuerkraft gesteigert, die Tötungshemmschwelle hingegen abgebaut werden sollte. Da es die Soldaten bis zum zweiten Weltkrieg gewohnt waren, auf die Ringe von Zielscheiben zu feuern, wurden sie zwar als Schützen geschult, nicht jedoch als Killer. Daher hat man im Laufe der Jahre neue Techniken entwickelt, durch die die Rekruten systematisch dazu gezwungen werden, auf Menschen zu feuern.

Konditionierung durch Reflextraining

Im Training werden Bilder naturgetreuer Kampfhandlungen erzeugt. Die Schießscheiben sind durch menschliche Abbilder ersetzt worden, die bei einem Treffer umfallen oder sich in der Simulation auflösen. Durch die ständige Wiederholung dieses Vorganges werden einerseits die Tötungshemmungen abgebaut, andererseits wird das Töten selbst automatisiert. Wer heute als Soldat Menschen tötet, denkt nicht, sondern handelt. Reflektiert wird hinterher, mit allen möglichen Konsequenzen. Orginalton Dave Grossmann:

Wir sind extrem gut darin geworden, Menschen zum reflexhaften Töten zu erziehen und kaltblütige Killer zu schaffen,“ und weiter „Die Soldaten müssen verstehen, was sie tun. Man muss sie emotional vorbereiten, Akzeptanz und Schutzmechanismen aufbauen, damit sie den Akt des Tötens besser verarbeiten können. Viele Soldaten – und Polizisten – verhalten sich wie Cowboys, die nie darüber nachdenken, wer sie sind und was sie tun.[...] Außerdem finden Sie immer einen geringen Prozentsatz von Psychopathen, die gerne töten.“

Konditionierung durch Gruppenzwang

Selbst wenn ein Individuum keine Bereitschaft zum Töten aufweist, kann es durch entsprechende Gruppendynamik zum Killer gemacht werden. Dies gilt sogar für das Tierreich. So ist heute bekannt, dass Hyänen bei der Gazellenjagd im Rudel in einen regelrechten Blutrausch verfallen können und viel mehr Tiere zerreißen, als sie fressen können. [2]

Dies gilt auch für Menschen. Während des zweiten Weltkrieges beispielsweise köpften japanische Offiziere unter dem Gejohle der Umstehenden Kriegsgefangene und wurden dafür mit einem Galadiner belohnt. Dadurch wurde in Ihren Köpfen die Verankerungen Töten und Belohnung miteinander verknüpft, was deren Tötungshemmungen zusätzlich abbaute. Genauso wichtig für die Erziehung zum Killer ist die moralische und ethische Abwertung des Gegners. Für viele der Kampfpiloten werden die zerrissenen Leiber tief unter ihnen nicht einmal als menschlich wahrgenommen. Ähnlich als würde man der Reihe nach die Kerzen auf einer hübsch dekorierten Geburtstagstorte anzünden. Zudem steckt in jedem Menschen ein natürliches Gewaltpotential, welches durch nichts besser aktiviert wird, als durch Kriegssituationen. Gespräche mit deutschen Bomberpiloten aus dem zweiten Weltkrieg brachten ähnliche Ergebnisse. So bekannte ein Oberleutnant der Luftwaffe unter dem Synonym Prickelbomber:


„Es ist mir ein Bedürfnis geworden, Bomben zu werfen. Das prickelt einen ordentlich, das ist ein feines Gefühl. Das ist ebenso schön, wie einen abzuschießen.“ 17.7.1940 [Neitzel & Welzer (2011), S. 83.] [
3]

Ein weiterer Pilot Namens Pohl gab unter dem Decknamen ‘Vorfrühstücksvergnügen’ ähnliches zu Protokoll:

„Am zweiten Tage des Polenkrieges musste ich auf einen Bahnhof von Posen Bomben werfen. Acht von den 16 Bomben fielen in die Stadt, mitten in die Häuser hinein. Da hatte ich keine Freude daran. Am dritten Tage war es mir gleichgültig und am vierten Tage hatte ich meine Lust daran. [...]“
30.4.1940 [Neitzel & Welzer (2011), S. 84.] [3]

Komplette psychische Verrohung

Wir haben keine Tötungskultur. Während viele Naturvölker ihre erlegte Beute um Verzeihung bitten und ihr dafür danken, dass sie sie ernährt, wird bei uns in anonymen Schlachtbetrieben ohne jeden Respekt industriell getötet. Das Thema Sterben und Tod wird bei uns verdrängt, folglich auch das Thema Töten. Dies wirkt sich letztlich nicht nur verheerend auf die Opfer aus, sondern auch auf die Täter. Die Teilnahme an Kriegshandlungen ist erwiesenermaßen extrem zerstörerisch für die Seele. In jedem Krieg des vergangenen Jahrhunderts war die Wahrscheinlichkeit, psychisch zu erkranken, signifikant höher als die Wahrscheinlichkeit, selbst getötet zu werden. So waren 1943, zwei Monate nach der Landung in der Normandie, 98 Prozent aller amerikanischen Soldaten psychisch krank. Wie die Täter mit ihren Taten weiterleben können, hängt vom Einzelnen ab. Während die einen eine dauerhafte Amnesie entwickeln, entwickeln die anderen ein posttraumatisches Stresssyndrom (PostTraumaticalStressDisorder PTSD), das für den Rest ihres Lebens zum dauerhaften Begleiter wird.

Krieger aller Naturvölker wurden nach der Schlacht schon immer einem Reinigungsritual unterzogen, um so deren Blutschuld zu tilgen. Anders im fortschrittlichen Amerika. Nach dem Vietnamkrieg überließ man die psychisch kranken, verrohten und gewalttätigen Soldaten einfach sich selbst in einer Gesellschaft, die sie zutiefst als Kindermörder verachtete und verurteilte. Auf einen Schlag hatte gefälligst Frieden zu herrschen. Einer der Vietnamveteranen beschrieb deren Situation in der Zeitungsreihe ‘NAM’ einmal (sinngemäß widergegeben) folgendermaßen:

Man hätte uns die Gewehre nicht wegnehmen dürfen. Im Gegenteil. Die Monate danach hätte man uns jeden Tag mit jeder Menge Munition auf dem Schießplatz ballern lassen sollen, soviel wir nur wollten. Das hätte uns eher geholfen als jeder Psychater.“

Stattdessen überließ man die Männer sich selbst mit der Folge von hohen Scheidungsraten, Sucht, Depression und zahlreichen Selbstmorden. Ungefähr 150 000 Vietnam- Veteranen nahmen sich im Anschluss an den Krieg in ihrer Heimat das Leben. Mehr als dreimal soviel, wie zuvor auf dem Schlachtfeld umgekommen waren. Einer der Gründe dafür, die Soldaten waren noch sehr jung, durchschnittlich gerade einmal 19 Jahre alt. In diesem Alter lassen sich junge Menschen zwar leichter zum Töten drillen, haben es jedoch anschließend sehr viel schwerer, das Erlebte zu verarbeiten und zu integrieren.

Es wird sicherlich eine Weile dauern, aber irgendwann wird sich in den Köpfen der heutigen Kampfpiloten über Libyen die Erkenntniss nach oben durcharbeiten, dass sie ungeheuerliche Greueltaten auf ihr Gewissen geladen haben. Die Konzernbosse, die diesen Krieg vorbereitet, angezettelt und finanziert haben um die Ölreserven des Landes zu rauben, kennen derartige Kalamitäten nicht. Deren Gewissen ist weder rein noch unrein, sie haben schlichtweg keines.

Quellennachweis und weiterführende Links:

  • http://kriegsursachen.blogspot.com/2008/10/inhaltsverzeichnis.html
  • http://www.greenpeace-magazin.de/index.php?id=3263
  • http://rs92a.forumup.de/about1501-rs92a.html
  • http://killology.com/MolloyGrossman2007.pdf
  • http://killology.com/article_psychological.htm
  • http://www.sgipt.org/politpsy/krieg/psytoet/psytoet0.htm
  • http://www.patiencepress.com/patience_press/samples/On%20Killin.pdf
  • http://thepiratebay.org/torrent/6279222/On_Killing_-_Dave_Grossman_Ebook__PDF_and_Kindle
  • http://nokturnaltimes.wordpress.com/2011/10/12/prof-welzer-totungsarbeit-zur-sozialpsychologie-des-massenmords/


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