Schon wieder Köln

Den folgenden Beitrag habe ich für den Ohrfunk am 3. Januar 2017 veröffentlicht und stelle ihn jetzt in diesem Blog zur Verfügung.

Ich muss zugeben: Die Polizei hat es nicht einfach, schon gar nicht in der Silvesternacht, und erst recht nicht in Köln. Um der heftigen Kritik vom letzten Jahr diesmal zu entgehen, als man ihr vorgeworfen hatte, hunderte Frauen nicht vor dem räuberischen Antanzen junger Männer geschützt zu haben, bot sie in dieser Silvesternacht alles auf, um ihren Ruf wiederherzustellen. Fast 2000 Beamte trennten die jungen, arabischen und nordafrikanischen Männer von den Deutschen, sperrten sie zum Feiern in einen Polizeikessel und reduzierten die Anzahl der Straftaten damit deutlich. Und wäre dieser Erfolgstweet nicht gewesen, man hätte die Operation womöglich als gelungen bezeichnet. Doch in genau dem Tweet, in dem der Welt der Erfolg der Einkesselungstaktik mitgeteilt wurde, stand das seltsame Wort “Nafris”, und schon war die Polizei wieder der Prügelknabe der Nation.

Um es gleich vorwegzunehmen: Auch ich habe Kritik an der Polizei. Dabei geht es mir nicht um den Tweet, der “mögliche Straftäter nordafrikanischer Herkunft” durch den begriff Nafris abkürzt, sondern es geht mir um die Einstellung, die dahinter steht. Dabei muss man, um der Wahrheit die Ehre zu geben, stark differenzieren. In Köln gibt es nun einmal eine große Gruppe organisierter Kleinkrimineller, deren Mitglieder vornehmlich aus den Staaten an der afrikanischen Mittelmeerküste stammen. Dies ist ein seit Jahren bekanntes Phänomen und Teil der kölner Polizeiarbeit. Das an sich hat mit Rassismus nichts zu tun. Dass man in der internen Sprache einer Behörde oder eines Betriebs Abkürzungen für Abläufe, Personengruppen oder Arbeitsmittel erfindet, die dann allgemein und ziemlich lässig Verwendung finden, ist ebenfalls nichts neues und normal, solange und soweit man sich in der Abgeschlossenheit der eigenen Betriebs- oder Behördenwelt befindet. Schwierig wird es, wenn man vergisst, dass es sich um einen lässigen, internen Sprachgebrauch handelt, und wenn man ihn nach außen bringt, weil man eben für den Erfolgstweet nur 140 Zeichen zur Verfügung hat. Und wenn man dabei gar nicht einmal merkt, dass eine solche Bezeichnung für Außenstehende diskriminierend wirken kann, dann ist das Kind in den Brunnen gefallen.

Doch die Kritik, die ich an der Arbeit der Polizei habe, beginnt eigentlich erst hier. Die Selbstverständlichkeit, mit der Racial Profiling, also die generelle Verdächtigung nichtdeutscher Bevölkerungsgruppen, in der Silvesternacht angewandt wurde, und die unbedachte Art, in der potentiell rassistische Begriffe ungefiltert in der Öffentlichkeit verwandt wurden, zeigt mir, dass im Fahrwasser der Terrorangst und der gesellschaftlichen Unsicherheit und Ungerechtigkeit der Alltagsrassismus immer stärker wird. Er schleicht sich nach und nach und kaum merklich in alle Bereiche des täglichen Lebens, und weil die Polizei immer mit Straftätern arbeitet, ist sie auch besonders Anfällig dafür. Dass man dafür auf der Kommandoebene und in der Pressearbeit offenbar keinen Blick hatte, ist meine Kritik am konkreten Vorgehen in der Silvesternacht in Köln. Racial Profiling zerstört die Kultur der Aufgeschlossenheit, der Toleranz und des Miteinander, auch wenn es der Polizei selbst die Arbeit erleichtern mag. Es bringt genau die Verbitterung hervor, die zu Wut und vielleicht auch zu Terror führt.

2017 ist ein entscheidendes Jahr für Deutschland und seine Nachbarländer. In diesem Jahr werden wichtige Weichen für den Kurs gestellt, den wir in Europa zukünftig fahren wollen. Wahlen in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden bestimmen mit, ob unsere Gesellschaften sich weiter nach rechts entwickeln, und ob dieser Rechtsruck künftig auch durch Regierungshandeln sanktioniert werden wird. Wenn unsere pluralistische, demokratische und mitmenschliche Gesellschaft überleben soll, müssen wir endlich einen Weg finden, mit der Wahrheit umzugehen, die Angst zu besiegen, uns mit allen Gutwilligen zusammenzuschließen und zu verteidigen, was wir als unsere Lebensart, unsere Werte verstehen. Unsere Großeltern haben erfahren, was Vertreibung, Flucht, Repression ist, aber sie haben auch erfahren, was Mitmenschlichkeit bedeutet. Die hervorragende amerikanische Zeitung “The New Yorker” nennt Deutschland das einzige Land der Welt, das aus seiner Geschichte gelernt hat. Lasst uns dafür sorgen, dass dieses Lob berechtigt bleibt. Racial Profiling und Generalverdacht sollten sich in einer weltoffenen Gesellschaft von selbst verbieten, ohne dabei die kriminellen Banden zu verschweigen, weil wir Angst davor haben, den Rechten Argumentationshilfe zu geben. Die Polizei sollte, überall in der Republik, der Freund und Helfer aller Bürger sein, ganz gleich, wie sie aussehen, woher sie kommen, und zu wem sie beten.

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