"Schlaft ihr immer noch?" - Zwietracht und Angst im Iran

19.11.2016Politik & Gesellschaft

mehriran.de - Im Windschatten internationaler Krisen und politischer Verwerfungen verschärft sich auch im Iran das gesellschaftspolitische Klima. Die Mächtigen im Iran zeigen mit Fingern aufeinander und decken ungeheure Korruptionsskandale auf.

Sadegh Laridschani, finanzieller Nutznießer willkürlicher Verhaftungen im Iran

mehriran.de - John Bolton wird als Außenminister des neuen US Präsidenten Trump gehandelt. In einem Interview mit Trumps Hauspostille "Breitbart" besteht er auf einer Sicht auf den Iran, die er schon vor Jahren vertreten hat: im Iran muss ein Regime Change her. Er gilt als Unterstützer der Volksmudschahedin mit ihrer Anführerin Marjam Radschavi, einer im Exil operierenden Oppositionsgruppe, die bereits seit Jahren starke Kontakte zu Republikanern in den USA aufgebaut haben. John Bolton will diese Gruppierung bewaffnen, er glaubt an eine gewaltsame Intervention.

Währenddessen versucht der Oberste Führer Ali Khamenei die Bevölkerung für den Opferkult des Imam Hossein zu gewinnen. Sein Mausoleum liegt in der für die Schiiten heiligen Stadt Kerbela, im Irak. Sein Tod im 7. Jahrhundert gilt den Schiiten als Mahnung ihren Führer im Stich gelassen zu haben, als er im Angesicht übermächtiger Feinde mit einer kleinen Schar der Seinen niedergemetzelt wurde. Gläubige peitschen sich blutig und verletzen sich mit großen Messern, um ihre Schuld einmal im Jahr symbolisch abzugelten. Das Regime im Iran versucht diese volkstümlichen Feiern als Treubeweis für sich und als Existenzberechtigung zu inszenieren. Khamenei hat seine religiösen Stiftungen angewiesen jedem, der nach Kerbela reisen will, alle Kosten zu erstatten. Er hofft damit, bis zu 2 Millionen Anhänger zu mobilisieren, um der Welt zu zeigen, dass die Menschen das Regime unterstützen und durch ihre Anwesenheit legitimieren.

In Teheran sind in den letzten Monaten immer häufiger Demonstrationen vor dem Parlament, vor dem Evin Gefängnis oder an anderen Orten zu finden. Ein großer Teil Bevölkerung hat trotz der Gräuel in den Gefängnissen keine Angst davor verhaftet zu werden und zeigt sich widerspenstig. 

So hat eine große Gruppe - manche sprechen von 100.000 Menschen, andere von 1 Million - Iranerinnen und Iraner den großen König Kyros I an seinem Grab geehrt und ihn als Nationalheld gefeiert - sehr zum Missfallen Khameneis, der diese nationalistische Karte als Verrat an seinem religiösen Regime versteht. Die Einladung nach Kerbela kann als Gegendemonstration verstanden werden.

Wegen Korruption steht im Moment Sadegh Laridschani, der Chef der Justiz, am Pranger. Durch die Veröffentlichung einer gängigen Praxis im Justizapparat auf DorrTV, ist ein Stein ins Rollen gebracht worden, der viel Schande auf die Familie Laridschani bringt. Die beiden Brüder Sadeghs, Javad und Ali Laridschani, besetzen auch hohe Posten innerhalb des Regimes. Es finden im Iran häufig unerwartete Besuche der Geheimpolizei bei unbescholtenen Bürgern mit allerlei Vorwürfen statt. Sie werden verhaftet und gegen eine hohe Kaution bis zur Verhandlung wieder frei gelassen. Diese Kautionen wandern auf eines von 63 Konten, die der Justiz gehören und werden tatsächlich getreu der Bestimmung behandelt. Jedoch die Zinsen, die sich aus den Kautionen ergeben, wandern in die Taschen Sadegh Laridschanis. Man schätzt die monatlichen Zusatzeinkünfte Laridschanis aus diesen Zinsen auf 20 Millionen Toman (ca 600.000 €). Der Skandal wurde erst richtig zum Kochen gebracht als der Wirtschaftsminister im staatlichen Fernsehen Stellung zu diesen Vorwürfen beziehen sollte. Ali Tajebnia, der zum Kabinett Rohanis gehört, bezog Stellung dazu und bestätigte die Vorwürfe. Ein weiterer Ausdruck für die Verwerfungen zwischen dem Lager Khameneis zu dem Laridschani gehört und dem Lager Rafsandschanis, zu dem Rohani und seine Regierung im Wesentlichen gehören.

So prophezeite der Parlamentsabgeordnete Sadeghi: "Wir scheinen alle zu schlafen. Eines Tages werden wir alle aufwachen und es wird kein Regime mehr geben. Diese Zustände sind nicht weiter haltbar!" Und tatsächlich kann man die Zustände im Iran mit einem letzten Beispiel visualisieren. Verurteilte Verbrecher wie der ehemalige Staatsanwalt Saeed Mortazavi oder der pädophile Torsi Gandâmyieh werden von Khamenei protegiert und nach Kerbela geschickt, während der Arzt und Heiler Mohammed Ali Taheri sogar nach Abbüßen seiner Haftstrafe und internationalen Protesten noch im Gefängnis behalten wird, weil es einer Machtgruppe innerhalb der hinter Khamenei stehenden Pasdaran nicht in den Plan passt und sie seine Freilassung auf jeden Fall verhindern wollen.

© Helmut N. Gabel für mehriran.de 

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