Schiermonnikoog

Schiermonnikoog

Foto copyright by Bert Kaufmann /piqs.de

In den nächsten Osterferien begann die Mutter-Kind-Kur. Das war gut, denn so verpasste Bianca nicht 4 Wochen den Schulunterricht, sondern "nur" 2 Wochen. Sie bekam von ihrer Lehrerin Übungs- und Lernmaterial mit und konnte so auch während der Kur lernen, so dass keine allzu große Lücke entstand.
Meine Eltern fuhren uns abends zum vereinbarten Abfahrtspunkt am Stuttgarter Killesberg. Dort warteten 2 Busse und viele Mütter mit ihren Kindern, die sich ebenfalls wie wir sehr auf die Kur freuten. Auf Schiermonnikoog erwartete uns eine reine Luftkur. Die medizinische Versorgung erfolgte durch den auf Schiermonnikoog ansässigen Inselarzt. Mit uns erholungsbedürftigen Müttern und Kindern fuhr außer dem Betreuungsteam noch eine examinierte Krankenschwester mit, die für die kleinen Unpässlichkeiten und Wehwehchen der Kurteilnehmer zuständig war.
Es waren keinerlei Anwendungen geplant, lediglich viel Freizeitangebot an der frischen Luft. Die Kinder waren morgens und nachmittags dem Alter entsprechend in Gruppen durch Zivi's und jungen Frauen, die ein freiwilliges soziales Jahr machten, betreut. Für uns Mütter standen Sozialpädagogen, Fitnesstrainer und Psychologen zur Verfügung.
Gegen 18 Uhr fuhren die 2 Busse los Richtung Holland. Noch nie zuvor war ich in Holland gewesen. Ich war gespannt, wie es uns dort gefallen würde.
Bereits im Bus bildeten sich die ersten Freundschaften zwischen den Kindern und auch wir Mütter kamen miteinander ins Gespräch. Es war eine turbulente Busfahrt, es waren deutlich mehr Kinder als Mütter, entsprechend hoch war der Geräuschpegel. Die ganze Nacht fuhren wir durch. Am frühen Morgen dann waren wir in Lauwersoog angekommen. Von dort setzten wir mit der Fähre über nach Schiermonnikoog. Die Überfahrt dauerte 45 Minuten und da meine Kinder und ich ausgesprochene Landratten sind, war uns das schaukelnde Unterfangen nicht ganz geheuer.
Als Schiermonnikoog in Sichtweite kam, ging gerade die Sonne wie ein Feuerball auf und es bot sich uns ein wunderschöner Anblick. Von diesem Moment an hatte ich mich in diese kleine Insel verliebt.
Die Fähre legte an und wir gingen an Land. Unser Gepäck wurde zum Erholungsheim gebracht, wir Mütter und Kinder mussten zu Fuss dahin gehen. Das war weiter nicht schlimm. Im Gegenteil. So sahen wir gleich den wunderschönen, alten Ortskern von Schiermonnikoog. Lauter kleine holländische Häuschen standen da. Die meisten hatten Butzenfenster, die mit romantischen Scheibengardinen verziert waren. Fast jedes Haus hatte Blumenkästen vor den Fenstern, wo man hinschaute blühte es. Vor der einzigen Bank des Ortes war ein kleiner Platz. Man musste durch einen großen Walkiefer, der wie ein Tor aufgebaut war, hindurchgehen, wenn man dort hin wollte. Einen kleinen Supermarkt gab es da, eine Pizzeria, ein Souvenirgeschäft und noch einige kleine weitere Krämerläden. Und natürlich gab es einen Fahrradverleih.
Wir durchschritten diesen Ort, an dem man meinen könnte, die Zeit wäre stehen geblieben. In Richtung  Dünen ging es, denn kurz vor den Dünen, etwas außerhalb des Ortes, lag das Erholungsheim St. Egbert. Es war ein modernes, großes, rotes, 2-stöckiges Backsteinbegäude mit Flachdach, das sich an den Rand der hohen Dünen schmiegte. Im Eingangsbereich gab es einen großen Platz, an dem abends vor dem Zu-Bett-Gehen mit den Kindern immer noch gesungen, gebetet und gespielt wurde. Rechts daneben war der große Speiseraum. Er verfügte über eine riesige Glasfront mit Blick in Richtung Dünen... herrlich.
Im ersten und zweiten Stock befanden sich die geräumigen und gemütlichen Gästezimmer. Die meisten der Zimmer hatten eine Galerie, die durch eine Holztreppe mit dem eigentlichen Zimmer verbunden war.Sofort war klar, dass die Kinder in den Betten auf der Galerie schlafen wollten. Ich schlief unten im Zimmer. Die Zimmerwände waren ebenfalls aus rotem Backstein, die Betten und Möbel aus hellem Kieferholz. Wir hatten einen schönen großen Balkon, von dem aus ich den großzügig angelegten Spielplatz sehen konnte.
Die Nasszelle mussten wir uns mit dem Bewohnern des Nebenzimmers teilen. Aber das war kein Problem. Dort zog ebenfalls eine alleinerziehende Mutter zweier Mädchen ein, die etwas älter waren als Bianca.
Bianca, Marco und ich waren glücklich. So schön hatten wir uns unser Kurdomizil nicht vorgestellt. Es war einfach traumhaft.
Am ersten Tag konnten wir in aller Ruhe ankommen. Wir packten gemeinsam unsere Koffer aus um dann ganz schnell raus zu gehen und die Gegend zu erkunden. Zuerst gingen wir zurück ins Dorf, um Fahrräder für uns zu leihen. Marco konnte noch gar nicht Fahrrad fahren, trotzdem mietete ich für ihn ein 16-Zoll-Rädchen. Wir waren noch nicht wieder zurück bei St. Egbert, da hatte er bereits das Fahrradfahren gelernt. Er fuhr zwar noch sehr wackelig und man hatte den Eindruck, er würde jeden Moment vom Fahrrad fallen, aber er tat es nicht und blieb auf dem Sattel sitzen. Ach was war er stolz, dass er nun mit seinen mittlerweile 4 Jahren Fahrrad fahren konnte.
Das erste gemeinsame Mittagessen stand an. Wir saßen am Tisch der alleinerziehenden Mutter, die neben uns ihr Zimmer hatte. Auf Anhieb verstanden wir uns gut und auch die Kinder fanden schnell einen Draht zueinander.
Ich erinnere mich noch,dass das Essen manchmal eine Katastrophe war. Aber durch die viele Bewegung an der frischen Luft hatte man einen so großen Hunger, dass man das Essen trotzdem aß.
Nach dem Essen stellte sich das Betreuungsteam vor und die Kinder wurden ihrer Gruppe zugeteilt. Gleich am ersten Nachmittag unternahmen die Gruppen einen Ausflug zum Strand. Wir Mütter hatten frei und konnten das tun, wonach uns der Kopf stand. Ich setzte mich aufs Fahrrad und erkundete etwas die Insel. Ich fuhr am malerischen Leuchtturm vorbei, fuhr durch ein kleinesWäldchen, durch das ein Weg aus Muschelkalk führte, weiter ins Dorf und schaute mir die Häuser und Menschen genau an. Was ich sah gefiel mir. Alles war irgendwie entschleunigt, als ob die Uhren auf dieser Insel anders ticken würden. Irgendwie erinnerte mich das an das kleine, italienische Dörfchen San Marino, in dem ich vor wenigen Jahren gewohnt hatte.
Ich fuhr zum Fährhafen hinaus, schaute aufs weite, weite Meer, atmete diese wunderbare Luft ein und genoss die Brise, die durch mein Haar streifte.Die Möwen kreisten über mir, auch ihnen schaute ich zu. "Das ist Freiheit!" dachte ich und versuchte, diese Moment ganz tief in mir zu verewigen.
Irgendwann riss ich mich los und fuhr in Richtung Strand. Er übertraf meine kühnsten Erwartungen. Es war ein wunderbarer heller Sandstrand, der hinter den Dünen auf mich wartete, kilometerlang und mindestens hundert Meter breit. Er war so gut wie menschenleer, lediglich in der Ferne war eine Gruppe Kinder und noch etwas weiter draußen auf Sandbänken, die aus dem Meer ragten, sah ich Robben, viele viele Robben! Was für ein einmaliger Anblick das doch war! Auch hier konnte ich mich kaum losreissen, zu schön war es hier. Sofort wusste ich, dass ich hier viel Zeit verbringen würde, oft alleine herkommen würde, um einfach nur dieses Paradies zu genießen und Ruhe zu finden.
Mittlerweile war es später Nachmittag geworden und ich musste wieder zurück zum Heim.
Auch die Kinder waren von ihrem Besuch am Strand begeistert. Sie hatten mir Muscheln mitgebracht, die sie extra für mich gesammelt hatten. Ich sollte noch viele, viele, wunderschöne Muscheln von ihnen bekommen.
Nach dem Abendessen wurde noch ein Abendkreis im Eingangsbereich gemacht, die Kinder sangen und beteten gemeinsam und anschließend war Schlafenszeit. An diesem Abend gingen die meisten Mütter mit ihren Kindern frühzeitig schlafen, die anstrengende Reise steckte uns allen noch in den Knochen. Doch bereits am nächsten Abend sollte sich das drastisch ändern. Es waren ein paar junge, gutaussehende Muttis dabei, die Party machen wollten. Im UG des Hauses befand sich ein Partykeller, der benutzt werden durfte.
Fast jeden Abend wurde dort gefeiert bis in die Puppen. Ich war auch ab und zu dabei, doch meist zog ich unseren Balkon der Feierei um UG vor.
Es wurde eine unvergessene Zeit für Bianca, Marco und mich. Die Kindergruppen wurden toll geleitet, meist waren die Kinder draußen, entweder am Strand, um Strandspiele zu spielem, oder im Dörfchen. Dort wurde ab und zu in der einzigen Eisdiele des Örtchens Eis gegessen. Es gab einen Streichelzoo mit Ziegen, Schafen und einem Esel, den meine Kinder besonders ins Herz geschlossen hatten und ihn Benjamin tauften. Mal machten sie eine Radtour, mal besuchten sie eine Aussichtsplattform. Und als das Wetter wärmer wurde, da badeten sie auch schon mal in dem kleinen Süßwassersee, den es auf der Insel gab. Es wurde selbstverständlich eine Wattwanderung gemacht, es wurden Wattwürmer ebenso bestaunt wie Ebbe und Flut, was sehr, sehr eindrucksvoll war.
An den Wochenenden fand die Kinderbetreuung nur eingeschränkt statt und so unternahmen wir 3 zusammen etwas. Der Leuchtturm hatte es uns angetan und wir fuhren leidenschaftlich gerne mit dem Fahrrad über die Insel.
Es gab auch Radwege mitten durch die Dünen, die waren manchmal sehr steil. Eines Tages fuhren wir eben einen solchen Radweg entlang, als ich plötzlich Marco hinter mir schreien hörte: " Hilfe! Mama hilf mir!" schrie er. Erschrocken drehte ich mich um. In diesem Moment sah ich nur, wie Marco mit einer extrem hohen Geschwindigkeit den Weg durch die Düne hinunterfuhr. In Nullkommanix hatte er mich schreiend überholt! "Du musst bremsen, Marco! Du musst bremsen!" rief ich ihm erschrocken nach. Aber es war zu spät. Irgendwie hatte er vergessen wie man bremst. Durch den abschüssigen Weg war sein kleines Fahrrad immer schneller und schneller geworden. Der arme Junge bekam es natürlich mit der Angst zu tun. Er hatte aber auch eine enorme Geschwindigkeit drauf, die man dem kleinen Fahrrad gar nicht zugetraut hätte. Es kam was kommen musste, er verlor gänzlich die Kontrolle über das Fahrrad und überschlug sich! Weinend blieb er neben dem Fahrrad liegen.
Erschrocken eilten Bianca und ich zu ihm. Zum Glück hatte er sich nichts gebrochen. Aber er hatte schmerzhafte Schürfwunden auf der Stirn, auf dem Nasenrücken und auf dem Kinn.
So kam es, dass wir unsere Krankenschwester besuchen mussten. Die säuberte seine Wunden und desinfizierte sie. Zwei Tage wollte Marco vom Fahrrad fahren nichts mehr wissen, doch dann überwand er seinen Schock über den Sturz und fuhr wieder damit, als wenn nichts gewesen. wäre.
Dies war der einzigste Unfall, der in der Kur passierte. Zwar wurden noch fast alle Kinder durch das Reizklima krank und bekamen eine fieberhafte Erkältung, aber das war ganz normal.
Marco tat diese Kur sehr gut. Die Pseudo.Krupp-Anfälle verschwanden für ein ganzes Jahr. Bianca blühte auf, genoss diese Kurferien in vollen Zügen. Die Kinder sahen zum ersten Mal in ihrem Leben ein Osterfeuer, nahmen an einem Gottesdienst am Strand teil, ließen Drachen steigen und feierten mit den holländischen Insulanern gemeinsam am 30. April den traditionellen Königinnentag.
Ich selbst hätte für mich keinen besseren Platz finden können, an dem ich so zur Ruhe gekommen wäre wie auf Schiermonnikoog. Der Aufenthalt dort war Balsam für meine Seele. Ich konnte täglich die Kraft schöpfen, die ich brauchte, wenn ich wieder in meinen anstrengenden Alltag zurück kehren würde.
Heute noch  erinnern sich Bianca, Marco und ich sehr gerne an unsere Kurferien auf Schiermonnikoog.
"Weisst Du noch? Die Goldfasane, die da frei lebten und unter unserem Balkon balzten..." oder "...die Wattwanderung war das Beste..." sind nur einige beispielhafte Erinnerungsfetzen, die wir dann miteienander teilen.
Noch einmal sollten wir die Möglichkeit bekommen, auf diese uns so lieb gewordene Insel zurück zu kehren. Wie es dazu kam, berichte ich im nächsten Kapitel.
Für Interessierte poste ich  HIER einen Link zu einer Fotostrecke über Schiermonnikoog von Spiegel-online, die sehr sehenswert ist. Ich bin mir sicher, Ihr werdet mir recht geben, es ist ein kleines Paradies dort.


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