Ruhen in der Natur des Geistes (Semnyi Ngalso)

Das Ruhen in der Natur des Geistes“ (tib.,sems nyid ngal gso) ist der erste Teil der Trilogie von Longchen Rabjam über die drei Kreise des Ruhens in der Großen Vollkommenheit (tib., rdzogs pa chen po ngal gso skor gsum). Diese drei Kreise beschreiben Grund, Pfad und Frucht der Großen Vollkommenheit und behandeln das Ruhen in der Natur des Geistes, das Ruhen in der Meditation und das Ruhen in der Illusionsgleichheit der Dinge.
Die Vier Unermesslichen sind nicht nur Bestandteil grundlegender Übungen, sondern so zentral bedeutsam, dass die Frucht ihrer Praxis die Realisation der vier erleuchteten Dimensionen eines Buddha – die vier Buddha-Körper – sind. Deshalb sollten alle Praktizierenden ihre Tiefgründigkeit kennen und sie beständig ausüben.

Verehrung dem glorreichen Samantabhadra!

Die Vier Unermesslichen

Ruhen in der Natur des Geistes (Semnyi Ngalso)Wenn ein Mensch so durch die Zufluchtnahme zu einer Stätte des spirituellen Wachstums geworden ist, wird dieser seinen Geist zum Wohle der fühlenden Wesen kultivieren, indem man die Blume des Mitgefühls in der Erde der Liebe erblühen lässt und sie mit dem reinen Wasser des Gleichmuts im kühlen Schatten der Mitfreude hegt.
So lange diese vier grundsätzlichen wirksamen Mittel nicht mit dem Pfad der Befreiung verbunden sind, sind sie nichts anderes als Zustände übertriebener Begeisterung und bleiben die Ursache unwirkliches Sein. Aber wenn man den Pfad zu inneren Frieden mit ihnen ergriffen hat, dann sind sie die vier unermesslichen großen Reichtümer des wahren Seins, weil sie uns den Ozean des trügerischen Seins überqueren lassen.
Sie haben als ihren gegenständlichen Bezug die zahllosen fühlenden Wesen, sowie das absolut Wahre, während sich ihre eigene beobachtbare Eigenschaft sich in einer alles umfassenden Art sich auf sie bezieht und auch nicht.
Im ersten Fall sind sie streng auf eine Anzahl von Lebewesen begrenzt und ihre offensichtliche Haltung ist daher unrein. Sie beziehen sich (auf etwas) und sind der Grund für Zustände übertriebener Hochstimmung. Sie sind ohne Bezugspunkt, wenn sie auf Befreiung ausgerichtet angewendet werden und sie werden von jenen gemeistert, die selbst Mitgefühl sind.
Jene, die unglücklich oder von Enttäuschungen gequält sind oder von ihrem Glück und Reichtum in Beschlag genommen sind oder jene, die zutiefst anhaftend oder sich verbittert gegen jeden und alles wenden, seien sie nah oder fern, sind die Objekte von Liebe, Mitgefühl, Mitfreude und Gleichmut.
Ihre Geisteshaltung ist der Wunsch nach Glück und dass sie frei von Leiden sein mögen, sodass es keine Trennung von Freude gibt und der Geist bleibt somit in Ruhe. Auch wenn es in ihrer Praxis keine feststehende Reihenfolge gibt, sollten Anfänger zuerst Gleichmut entwickeln. Wenn sie dann teilnahmslos wegen jener nahestehenden und fernen gibt, dann sollen sie die anderen drei Verhaltensweisen entwickeln.

Gleichmut (tib., btang snyoms)

Ruhen in der Natur des Geistes (Semnyi Ngalso)Da der gegenständliche Bezugspunkt alle fühlenden Wesen sind, solltest du deinen Geist folgendermaßen prüfen: an Vater und Mutter und an Freunde festzuhalten und einen Feind zu hassen, wäre eine schlechte Haltung. Im Daseinskreislauf der weder Anfang noch Ende hat, ist sogar mein Feind einmal mein Vater oder meine Mutter gewesen und hat zu meinem Wachstum beigetragen. Wie könnte ich da Bösartigkeit hegen, um seine Güte zurückzuzahlen? Auch mein Freund hier war mein Feind und hat mir geschadet und sogar jetzt bin ich vom Elend betroffen, das er über mich gebracht hat. Wie vernünftig wäre es, ihm das mit gleicher Münze heimzuzahlen? Selbst neutrale Leute waren Freunde oder Feinde. Da es keine Gewissheit für Wachstum oder Schaden gibt, sind Anhaftung und Hass unvernünftig.
Gib daher zuerst das Festhalten an jenen auf, die deine Freunde sind und behandle sie neutral. Dann musst du aufhören, deine Feinde zu hassen und sie ebenfalls neutral behandeln. Beseitige den Unterschied zwischen jenen, die nahe sind, und jenen, die fern sind.
Um sich von geistigen Schleiern der Indifferenz zu befreien, kultiviere einen Geist, der die Emotionen beendet, die dich Wesen als Freunde oder Feinde betrachten lassen und lasse ihn frei von den Vorstellungen über die Welt. Habe nur den einen Wunsch, alle anderen mögen glücklich und frei von Elend sein. Andernfalls wirst du in deiner Unwissenheit die Grundlage für Leiden legen.
Ach! Würden doch diese Emotionen der Wesen, von denen sie so ausgelaugt werden, zusammen mit ihren Gewohnheitsmustern zur Ruhe kommen und sich der Geist beruhigen. Würden doch diese leiblichen Wesen, gequält von der Wildheit der Anhaftung und des Hasses ihren Geist beruhigen, sodass sie nicht länger zwischen den nahestehenden und fernen hin und her schwanken würden und frei von Anhaftung und Hass wären. Indem man so denkt, bewegt man sich in der Meditation von einem Wesen zu zweien, zu dreien, zu einem ganzen Land, zu einem Kontinent, zu vier Kontinenten und von einem zu zwei, drei tausend Welten aller Welten. Das Ausmaß dieses Kultivierens ist, sich selbst und andere, Freunde und Feinde, als gleich anzusehen.
Danach kannst du zu einem Gleichmut ohne Bezugspunkt weitergehen. Alles ist Geist und dieser Geist als solches ist wie der weite Raum. Lasse deinen Geist, frei von allen Vorstellungen darüber in dieser Sphäre ruhen, die letztendlich niemals ins Dasein trat und gänzlich offen ist.
Das Ausmaß dieser Kultivierung ist das Entstehen eines tiefgründigen und ruhigen Verständnisses. Das Ergebnis ist, dass der Geist ohne die geringste Nähe und Distanz die letztendlich spontane Präsenz ist. Wenn so der Geist in jeder Weise zur Ruhe gelangt ist, denke, dass alle Wesen auf dieselbe Weise wie du ihre Mutter glücklich machen möchten.

Liebende Güte (tib., byams pa)

Ruhen in der Natur des Geistes (Semnyi Ngalso)Der Bezugspunkt für Liebe sind alle fühlenden Wesen und ihre Qualität ist ein Geist, der beabsichtigt, sie vorübergehend das Glück der Götter und Menschen finden und sie letztendlich lichthafte Klarheit und durchdringenden Scharfsinn erkennen lässt. Kultiviere Liebe indem du dich in Gedanken von einer Person zu allen Wesen bis zu den äußersten Grenzen der zehn Richtungen bewegst.
Das Anzeichen ist eine überragende, alles umfassende Liebe, größer als die Liebe einer Mutter für ihr eigenes Kind. Wenn man danach alles in dieser Reichweite und dem Umfang der Gleichheit hat, ist dies die große Liebe, frei von Bezugspunkt. Ihr Anzeichen ist die Einheit von Liebe und Offenheit des Seins.
Das sichtbare Ergebnis ist Freundlichkeit und Edelmut. 

Mitgefühl (tib., snying rje)

Unmittelbar nachdem du die fühlenden Wesen mit Liebe aufgenommen hast, solltest du Mitgefühl entwickeln, indem du ihr Leiden bedenkst, genauso wie die selbst unfähig bist, das Leiden deiner Eltern zu ertragen.
Ruhen in der Natur des Geistes (Semnyi Ngalso)Wie erschöpft sind meine Eltern, die so viel für mich getan haben, von ihren Enttäuschungen. Sie haben mir zum Wohle Negativitäten begangen und werden nun von Hitze und Kälte, von Hunger und Durst und der Vollstreckung bedroht. Sie wurden in den stürmischen Ozean von Geburt, Alter, Krankheit und Tod geworfen.
Wie bedauernswert sie sind, umhertreibend in der endlosen zyklischen Existenz, begierig, von ihr befreit zu werden, aber keinen Frieden im Geist. Es gibt keine freundlichen Helfer, die ihnen den rechten Weg zeigen. Wie könnte ich, nachdem ich dies erblicke, sie verstoßen?
Du solltest aus deiner Herzenstiefe und mit Mark und Bein denken: Mögen alle Wesen in einem Augenblick durch das Gute der drei Zeiten vom Leiden befreit sein und durch mein Dasein und meinen Reichtum.
Man sagt, dass die Unfähigkeit, das Leiden der Lebewesen zu ertragen, das Anzeichen (für Mitgefühl) ist. Der Hinweis darauf, dass man durch grenzenloses Mitgefühl in einen Zustand der Gelassenheit eingetreten ist, der sich in seinen nachfolgenden Zustand ausdehnt, ist die Einheit vonOffenheit und Mitgefühl.
Wenn dann jedes Lebewesen glücklich ist, indem es von Mitgefühl durchtränkt ist, dann sollst du Freude kultivieren.

Freude (tib., dga‘ ba)

Ruhen in der Natur des Geistes (Semnyi Ngalso)Der gegenständliche Bezug sind alle fühlenden Wesen und du solltest Freude kultivieren, indem du denkst: „Ach, es besteht keine Notwendigkeit für mich, alle diese Wesen glücklich zu machen. Jedes von ihnen hat sein Glück schon gefunden, mögen sie von nun an bis sie von lichter Klarheit und vollkommenem Scharfsinn durchdrungen sind, niemals von dieser Freude und dem Glück getrennt sein. Das Zeichen ist die Geburt von Freude ohne Eifersucht.
Danach kommt eine Freude wie in der reinen Konzentration auf. Körper, Rede und Geist werden mühelos ruhig und glücklich. Das Ergebnis ist Beständigkeit und Freude durch diesen inneren Reichtum.

Reihenfolge

Nachdem du damit vertraut geworden bist, solltest du eine Reihenfolge kultivieren, die mit Liebe beginnt. Dadurch wird die Abhängigkeit zu diesen vier unermesslichen großen Geisteshaltungen stufenweise beendet.
Wenn durch das Kultivieren von Liebe du an jedem als deinen Freund festhältst, dann wird durch Mitgefühl die Beschäftigung mit der Beziehung zwischen Ursache und Resultat des Leidens beendet.
Wenn du durch ein mangelhaftes Mitgefühl im gegenständlichen Bezug stehenbleibst, dann geschieht es durch Freude ohne Bezugspunkt, die den Überdruss beendet.
Wenn durch Freude der Geist aufgeregt und überdreht ist, dann musst du Gleichmut kultivieren, der frei von Anhaftung ist an jene, die nah und fern sind.
Wenn Gleichmut ein untätiger, neutraler und indifferenter Zustand wird, dann musst du wie zuvor Liebe und die anderen unermesslichen Geisteshaltungen kultivieren. Dadurch wird das Kultivieren leicht und beständig.

Vorläufige Resultate

Ruhen in der Natur des Geistes (Semnyi Ngalso)Ein Praktizierender, in dem dieser Vorgang zu einer beständigen Methode geworden ist, kann dann die unermesslichen großen Geisteshaltungen in ihrer Reihenfolge, abseits ihrer Reihenfolge, in vermischter Weise oder sprunghaft kultivieren. Dadurch gewinnt das Verständnis an Frische und seine Stabilität wird noch besser.
Unter den vier Ergebnissen solch einer Pflege ist die Realisation höherer Lebensformen und des letztendlich Guten die Reife. In der Welt der Sinne findest du ein Dasein als Gott oder Mensch und erlebst Wohlstand und Glück.
Das Ergebnis im Einklang mit der Ursache ist, dass du nicht anders als auf diese Weise handeln kannst und als seine Erfahrung empfindest du ein Glück, das frei ist von allem, was es stören könnte. Der vorherrschende Effekt ist, dass du in einem angenehmen, glücklichen und freudvollen Land geboren bist, dass die Leute freundlich sind, und dass du mit Besitz gesegnet bist.
Die vollständige Auswirkung ist, dass die vier unermesslichen, großen Geisteshaltungen immer mehr anwachsen und sich weithin ausbreiten. Und der zweifache Nutzen des Seins ist spontan erfüllt.

Die Vier Unermesslichen und die vier Kayas

Wenn Liebe gegenwärtig ist und Hass beseitigt, dann tritt an seine Stelle ein reines Erkennen, das wie ein Spiegel ist und der Dharmakaya ist gegeben. Der Dharmakaya ist mit den Haupt- und Nebenmerkmalen der Buddhaschaft geschmückt.
Wenn Mitgefühl vorhanden und Begierde beseitigt, dann tritt an ihre Stelle ein reines Erkennen, dass individualisierend ist und der Sambhogakaya. Der Sambhogakaya besteht aus den Buddha-Qualitäten, wie seinen Kräften usw.
Wenn Freude vorhanden ist und Eifersucht beseitigt, dann tritt an ihre Stelle ein reines Erkennen, das die Dinge kennt, wie sie sind und der Nirmanakaya ist gegeben. Der Nirmanakaya ist nicht festgeschrieben, sondern erscheint in verschiedenen Formen. Diese spontanen Verkörperungen sind seine erleuchtete Aktivität.
Wenn Gleichmut vorhanden ist und Stolz und Täuschung beseitigt, dann tritt an ihre Stelle das zweifache reine Erkennen der Gleichheit und Reinheit und der Svabhavikakaya ist gegeben. Dieser Svabhavikakaya ist die Erfahrung, die jeden Behauptungen über sie trotzt.

Geschicktes Mittel

Daher hat der Lehrer der Götter und Menschen Liebe und die anderen Mittel als weitreichende Qualitäten gepriesen und gesagt, dass nichts ihnen gleich kommt.
Ein Pfad, der diese [Mittel] nicht besitzt, ist ein falscher Pfad. Zuflucht zu anderen Lehrern nehmen, ist ein negativer Pfad, aber ein Pfad, der [die Vier Unermesslichen] hat, ist eine Schnellstraße, auf der alle früheren und zukünftigen Buddhas der drei Zeiten zur makellosen Befreiung gereist sind und reisen werden.
Ruhen in der Natur des Geistes (Semnyi Ngalso)Während im Ursachen basierenden Bestreben behauptet wird, dass ein Same seine Frucht hervorbringt, dass passende Handlung und anerkennende Unterscheidung die zwei Buddhakayas hervorbringen, wohingegen durch das Ergebnis basierende Bestreben beide als die notwendigen Bedingungen anerkannt werden, die die zwei Schleier der Buddhanatur beseitigen, sagen sie im Grunde dasselbe, weil tugendhaftes Handeln selbst vom Pfad abhängt, der von unermesslichem Mitgefühl gekennzeichnet ist. Sowohl die Erfahrung des Ursachen basierten Strebens wie auch des Ergebnis basierten Strebens gleicht der Offenheit des Seins, da es das Merkmal des Mitgefühls besitzt.
Weiters wurde in den Sutras gesagt, dass seit anfangsloser Zeit das absolut Positive schon immer seit allem Anfang an als Same ungeschaffen vorhanden war. Mit dieser Aussage stimmen die Tantras überein, und beanspruchen, die Schleier zu verbrennen, die vorübergehend seit allem Anfang an die drei Buddhakayas verschleiert haben. Kurzum, die Weisen und Heiligen haben einen äußeren und einen inneren Aspekt des gemeinsamen Ziels der Pfade von Sutra und Tantra dargelegt. Daher bemühen sich die würdigen Nachfolger des Buddha eifrig in der Praxis der vier unermesslichen, großen Geisteshaltungen.
Wenn durch diesen wohl erklärten inneren Frieden der geistige Sumpf aller Lebewesen bereinigt wurde, möge der Geist, müde und erschöpft von seinem Verfolgen falscher Pfade und ihrem Fall in niedere Bereiche, heute Ruhe und Gelassenheit finden.

Mein Dank gebührt der Chagdud Khadro (Jane Tromge), die vom 9. – 11. Dez. 2016 im Ngakpa-Zentrum unermüdlich die Vier Unermesslichen lehrte und zur Übersetzung des Lehrtextes inspirierte. Möge es von Nutzen sein! SARWA MANGALAM.

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