Rezension: Ihr Name war Tomoji

Mit "Ihr Name war Tomoji" legt Altmeister Jiro Taniguchi eine ruhige Alltagsballade vor, die sich mit dem Leben von Tomoji Uchida befasst, der Gründerin des buddhistischen Shojushin-Tempel von Takigawa. Thematisiert wird allerdings nicht ihre Lebenszeit, in der sie als Nonne zu einer kleinen Berühmtheit wurde. Vielmehr zeichnet Taniguchi ein lebendiges Bild von Tomojis Kinder- und Jugendjahren, die einmal mehr beweisen, dass man auch mit einer gewöhnlichen Hintergrundgeschichte im Leben einiges erreichen kann. Die Graphic Novel ist in einem Band abgeschlossen und seit Mai bei Carlsen Manga erhältlich.

Handlung

Manch schicksalshafte Begegnung kommt ganz unverhofft - und manche Begegnungen verpasst man wiederum um eine Haaresbreite. Auch die junge Tomoji muss diese Erfahrung machen: weil sie an einem schönen Sommerabend ihren Heimweg von der Schule für eine verirrte Nachbarskuh spontan im gemächlicheren Tempo fortführt, verpasst sie den Besuch ihres Cousins Fumiaki. Dieser ist Fotograf und besucht Tomojis Großmutter, um von ihr eine Fotografie anzufertigen.

So ziehen die Jahre ins Land und es muss einiges an Zeit verstreichen, bis sich die Wege von Tomoji und Fumiaki doch noch einmal kreuzen und sich herausstellt, dass Fumiaki in Tomojis Leben eine große Rolle spielen wird. Man begleitet die kluge Tomoji in verschiedenen Etappen auf dem Weg zum Erwachsenwerden und erfährt währenddessen einiges über das ländliche Leben in der Taishō-Ära. Tomojis Familie lebt in einfachen Verhältnissen, kann sich aber mit dem eigenen Gemischtwarenladen gut ernähren. Dennoch muss die Familie auch schwere Schicksalsschläge überstehen, weshalb Tomoji schon von Kind an im Laden aushilft und sich mütterlich um ihre Geschwister kümmert.

"Ich verspreche dir, dass ich mein Glück finden werde. Ein Glück, groß genug für dich und mich..."

Das harte Landleben prägt ihren Charakter merklich und lässt aus Tomoji eine bescheidene, aber selbstbewusste Frau werden. Sie ist eine wahre Kämpfernatur und hat die Gabe, auch in schweren Zeiten vorwärts zu blicken und im alltäglichen Leben kleine Momente des Glücks zu finden. Auch als sie ihre jüngere Schwester Masaji viel zu früh verliert, resigniert sie nicht. Vielmehr nimmt sie den Verlust von Masaji zum Anlass, sich besonders dabei anzustrengen, voranzukommen und ihren Weg zu finden - damit indirekt auch ihre Schwester ihren Frieden finden kann.

Wie für seine Werke üblich, lebt auch "Ihr Name war Tomoji" von Taniguchis bedachten und poetischen Blick auf das Alltägliche. Doch auch ohne Spannungsbogen wird man als Leser immer tiefer in die Geschichte hineingezogen und so verfolgt man voll Neugierde, wie es mit Tomoji weitergeht. Einziger Wermutstropfen dabei: wenn man von Tomoji Uchida zuvor noch nie etwas gehört hat, überrascht einem der Hinweis zum Ende des Comics, dass aus ihr eine buddhistische Nonne mit interessanter Karriere wurde. Dieser Teil ihrer Lebensgeschichte wurde aus erzählerischen Gründen bewusst außen vor gelassen, wodurch man leider ein bisschen unzufrieden zurückgelassen wird. Eine Fortsetzung hätte die Geschichte daher vermutlich noch runder abgeschlossen. Wertung 3,5

Zeichenstil

Jiro Taniguchi versteht es meisterhaft, die Magie des Augenblicks einzufangen. Die Hintergründe zeichnen sich durch hohe Detailverliebtheit und realitätsgetreue Abbildungen aus, die den Leser oft zum längeren Bertrachten der atemberaubenden Naturlandschaften einladen. Der Mangaka reiste sogar eigens in die Präfektur Yamanashi, nur um Tomojis Heimat so gut wie möglich wiedergeben zu können.

Die Gesichtsausdrücke der Protagonisten wirken im Vergleich zu anderen Mangastilen manchmal eher distanziert, aber auch das bringt in gewisser Weise das eher zurückhaltende, japanische Auftreten dieser Zeit zum Ausdruck. Dem Zeichner gelingt es, die Figuren durch ihre Interaktion mit der Umgebung auf überzeugende Weise zum Leben zu erwecken. Der gekonnte Einsatz von Rasterfolie unterstreicht die Stimmungen der einzelnen Panels. So fühlt man sich als Leser oft, als würde man direkt daneben stehen, wenn die kleine Tomoji über die sonnenbestrahlten Tatamimatten auf ihre Mutter zugeht oder wenn die Familie nach dem großen Kanto-Erdbeben sorgenvoll im Bambushain ausharrt und die Nachbeben abwartet. Wertung 5

Sprache

Ein Merkmal der Werke Taniguchis ist, dass die Figuren zu passenden Momenten gern einmal kleine Haikus, Gedichte oder Lieder anstimmen, wenn sie von einer Situation berührt sind oder sie durch den Genuss von Sake lockerer werden. Auch in "Tomoji" lernt der Leser dadurch ein paar schöne Phrasen kennen und kann sich das Lebensgefühl zu dieser Zeit noch besser vorstellen. Weiterhin fällt auf, dass sich Tomoji und Fumiaki trotz der zarten Gefühle, die sich zwischen ihnen anbahnen, eine sehr lange Zeit siezen. Durch solche kleinen, aber bewusst beachteten Details erhält man leicht einen Einblick in damalige Umgangsweisen. Wertung 5

Extras

"Ihr Name war Tomoji" wurde in Carlsens üblichen Graphic Novel-Format von 14,5 x 21 cm mit wertiger Klappenbroschur veröffentlicht. Ein schönes Extra an Taniguchis Erzählungen sind die Farbseiten, die meist den Beginn der Comics zieren. Bei "Tomoji" findet man diesmal sogar zu jedem Kapitelanfang liebevoll colorierte Seiten vor und steigt daher ganz leicht in die Geschichte ein.

Als weiteres Extra gibt es im Anschluss nach dem Comic ein achtseitiges Interview mit Jiro Taniguchi höchstpersönlich, in dem er Einblicke in die Entstehung des Comics gibt und erklärt, warum er sich besonders auf die Kindheit und Jugend von Tomoji Uchida konzentriert hat. Wertung 5

Fazit

Wer Slice of Life-Geschichten liebt und sich für das traditionelle Landleben in Japan begeistern kann, wird in Taniguchis neuem Werk eine wunderbare Lektüre finden. Anders als die meisten Biographien lenkt diese Graphic Novel den Blick auf die Charakterentwicklung, die nach und nach erahnen lässt, dass aus Tomoji eine bemerkenswerte Persönlichkeit wird. Der Buddhismus, der ihr späteres Leben so prägen soll, spielt hier allerdings noch kaum eine Rolle.


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