|Rezension| "Grave Mercy: Die Novizin des Todes" von Robin L. LaFevers

Ich habe eine dunkelrote Narbe, die sich von meiner linken Schulter zu meiner rechten Hüfte zieht.
Als die junge Ismae Rienne von ihrem eigenen Vater zwangsverheiratet wird, nachdem sie jahrelang mit dem Hass und der Angst ihrer Mitmenschen leben musste, da sie eine Tochter Mortains ist – der Gott des Todes -, kann sie ihre Qualen nicht mehr ertragen. In einer Nacht und Nebel Aktion wird sie in das Kloster von St. Mortain gebracht, wo sie zur Meuchelmörderin ausgebildet wird und Mortains Werk verrichten soll. Bevor sie ihr Gelübde ablegen darf, muss sie drei Aufträge erfüllen, die ihr Pflichtbewusstsein des Klosters gegenüber zeigen sollen. Einer dieser Aufträge führt sie schließlich an den bretonischen Hof, an dem die junge Herzogin Anne zur Königin gekrönt werden und einen passenden Ehemann bekommen soll. In einem Netz aus Intrigen, Geheimnissen und Verrat muss Ismae herausfinden, welche Rolle sie spielen will – die Tochter der Rache oder die Tochter der Gnade, denn schließlich ist da noch Duval, Annes Halbbruder, der in den engen Kreis der Verdächtigen gestoßen wird. Doch Duval ist mehr als Ismae sich eingestehen will…
Normalerweise birgt ein schnörkelloser Schreibstil einige Gefahren, denn obwohl man prinzipiell nicht viel damit falsch machen kann, kann ein solcher schnell langweilig und platt wirken. Die ersten Seiten über war ich irritiert: Kurze, abgehackt wirkende Sätze. Beschreibungen ohne ausschweifende Details. Eine völlig unblumige Sprache. Unpassend? Keinesfalls, denn erst im Laufe der Geschichte wird klar, dass dieser Schreibstil ideal zur Protagonistin passt, die zu Beginn des Buches sehr kühl und eben schnörkellos wird. Nach einigen Seiten wird jedoch schnell klar, dass eine starke Entwicklung stattfindet, die sich ebenfalls im Schreibstil wiederspiegelt (ob das nun Einbildung ist oder tatsächlich gewollt lasse ich mal so stehen). Weiterhin wäre eine blumige Sprache wohl etwas zu viel des Guten gewesen, spielt die Geschichte doch im Mittelalter, wo das schwülstige Gerede eigentlich schon blumig genug ist. Kitschige Beschreibungen hätten wohl  viel von der Atmosphäre eingebüßt, so wird einem jedoch eine atmosphärisch dichte und spannende Geschichte präsentiert.
Der Gott des Todes hat Töchter, die in einer Klosterschule zu Auftragsmörderinnen ausgebildet werden und in seinem Namen Aufträge erfüllen. Klingt komisch?
Ist aber so. Und noch dazu origineller, als es sich anhören mag. Dazu ein mittelalterliches Setting in der Bretagne zur Zeit der Erbfolgekriege und eine düstere, atmosphärisch dichte Story um eine Auftragsmörderin, die erst noch zu ihrer wahren Berufung finden muss und sich plötzlich mitten im bretonischen Hofadel wiederfindet. Ein historischer Roman verwebt mit sanften Fantasyelementen, die den Leser in eine ganz besondere Welt mit realem Hintergrund und romantischer Lovestory entführen. Holt euch eure Kuscheldecke, einen Tee, hofft auf Regen und Sturm und verliert euch in diesem tollen Schmöker – denn ganz ehrlich: Genau so sollte ein guter Roman sein.
Zugegebenermaßen sind historische Romane nicht das, was ich sonst so lesen würde (zumal „Grave Mercy“ ja durchaus auch phantastische Elemente beherbergt!) – nach diesem Buch aber könnte ich mir vorstellen, mal in einen richtigen Roman mit historischem Setting reinzuschnuppern, denn Grave Mercy hat mich von vorne bis hinten überzeugt. Und das obwohl die Geschichte seitenlang sehr politisch ist, über Strategien und Intrigen berät. Doch gerade dieser Handlungsstrang hat mich unheimlich interessiert und an den Seiten kleben lassen, zumal es nicht so ist, dass die Geschichte nur so dahinplätschern würde – viel mehr geschieht auf jeder Seite eine neue Wendung, ein schlimmer Schicksalsschlag oder eine schlechte Nachricht, sodass man durchweg fasziniert ist. Auch moralische Fragen und Problematiken werden (indirekt) angesprochen, sodass das Buch definitiv auch zur Tiefgründigkeit neigt – jedoch auf eine unaufdringliche und unterschwellige Art und Weise.
Doch es geht nicht nur inhaltlich rund – auch die Charaktere wissen zu überraschen und machen so einige Entwicklungen durch, die sie dem Leser und sich selbst näher bringen. Allen voran Protagonistin Ismae, die nach und nach nicht nur ihr eigenes Handeln, sondern auch das des Klosters immer mehr in Frage stellt und immer mehr Steine aus ihrer Schutzmauer herauszieht. So bleibt sie stetig interessant, greifbar und dreidimensional. Hinzu kommt ihre sympathisch und liebenswerte Art, ihre nachvollziehbaren Gedanken und dieses klischeefreie Verhalten, was mich unheimlich erfrischen konnte. Neben Ismae glänzt natürlich auch Duval, ihr männlicher Gegenpart, der mit seiner herben und dunklen Ausstrahlung sicherlich jede(n) in seinen Bann zu ziehen vermag und auch insgesamt ein tiefgründiger und interessanter Charakter ist. Hinzu kommen die obligatorischen Lieb-Habe-Figuren, die einem vom ersten Moment an sympathisch sind und das auch bis zum Ende bleiben – in diesem Fall
beispielsweise Louyse, Anne und die Bestie de Waroch (Was ist jetzt eigentlich mit dem?).
Leise, sanft und überraschend entwickelt sich auch die Liebesgeschichte, die zwar durchaus vorhanden und auch sehr romantisch und einfühlsam ist, insgesamt aber eine vergleichbar kleine Rolle einnimmt. Angenehm und nicht aufdringlich bekommt man so immer mal wieder kleine „Liebeshäppchen“ hingeworfen, die für eine vielschichtige Handlung sorgen. Durch die vielen Überraschungen und Wendungen wird die Spannungskurve konstant aufrecht erhalten, folgt aber insgesamt doch einer ruhigen Atmosphäre, sodass man zwischendurch erst einmal alles ein wenig sacken lassen kann. Besonders die liebevoll ausgearbeiteten Details haben es mir angetan. Es sind diese Kleinigkeiten, wie Informationen über die verschiedenen Gifte, geschichtliche Hintergründe, aber auch Informationen über die verschiedenen Figuren, so unwichtig sie auch erscheinen mögen, die die Geschichte derart greifbar und glaubwürdig machen konnten. Die mittelalterliche Stimmung wird nie unterbrochen, spiegelt sich in der Mann/Frau Beziehung, in der Art zu reden und generell in dem Verhalten der Menschen wieder.
Manchmal sollte man Bücher lesen, die zu einem Genre gehören, was man sonst nicht unbedingt anfassen würde, denn nur allzu oft wird man von einer tollen Geschichte überrascht. Gemeinsam mit der „Novizin des Todes“ wird der Leser in ein mittelalterliches Setting entführt, das vor Dunkelheit und Geheimnissen nur so wimmelt und noch dazu von einer Auftragsmörderin erzählt wird, die sympathischer nicht sein könnte. Liebevoll ausgearbeitete Details geben der Geschichte die notwendige Glaubwürdigkeit und der Tod wird zu einer Persönlichkeit, die geheimnisvoller und mysteriöser nicht sein könnte. Spannend, historisch, politisch UND romantisch – eine rasante und „schmökerige“ Mischung, in der man nur allzu gut verschwinden kann. Einige offenen Fragen bleiben obwohl das Buch prinzipiell in sich geschlossen ist, aber ich bin mir relativ sicher, dass diese im Folgeband geklärt werden. Absolut lesenswert!

Robin LaFevers wuchs auf mit Märchen, Bulfinchs Mythologie und der Dichtung des 19. Jahrhunderts. Kein Wunder, dass aus ihr eine hoffnungslose Romantikerin wurde. Sie hatte das Glück ihre große Liebe zu finden und lebt heute mit ihrem Mann in Südkalifornien. [via RandomHouse]
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