Reden, wir müssen reden

Reden, wir müssen reden Über Depressionen müssen wir reden. Jetzt! Das fand der »Stern« nachdem bekannt wurde, dass der Münchner Amokläufer psychische Probleme hatte. So müssen wir das also? Müssen wir wieder mal darüber reden, ja? Machen wir das dann so wie damals, als sich ein Nationaltorhüter das Leben nahm, indem er sich vor einen fahrenden Zug stellte? Da wollten wir auch reden, ganz viel reden. Jede Zeitung trug sein Scherflein dazu bei, dass diese kalte Republik sich endlich mal durch Reden therapiert von dem Vorurteil, dass Depressionen nur ein Ausdruck individueller Charakterschwäche seien. Nein, wir sollten darüber reden, dass wir es hier mit einer Krankheit zu tun haben. Mit einer, die Leidensdruck verursacht. Einer, die einer physischen Sache ebenbürtig ist. Und diese Kälte, der Leistungs- und Erfolgsdruck sollte auf den Prüfstand. Hierzu sollten wir über Depressionen reden müssen, hieß es auch damals. Nun ist es wieder mal so weit, wir sollten wieder mal darüber reden.

Alle sieben Jahre scheint das ein Thema zu werden. So lange ist es her, dass Robert Enke aus dem Leben schied. Zwischenzeitlich haben wir darüber wenig gesprochen. Selbst als ein Bundesliga-Schiedsrichter versuchte, sich aus dem Leben zu nehmen und später als Motiv Depressionen angab, haben wir nicht mehr darüber gesprochen. Wir hatten keine Zeit dazu. Der Druck auf den Märkten hat seither nicht abgenommen und wir haben sogar akzeptiert, dass der Markt ein Recht dazu hat, uns unter Druck zu setzen. Die Arbeitswelt brennt die Arbeitnehmer aus, psychische Erkrankungen sind massiv angestiegen, nur wer leistet, bekommt gesellschaftliche Anerkennung. Psyche hin, Psyche her. Wir haben, wenn überhaupt, so nur ganz kurz davon gesprochen - und es gleich wieder vergessen oder verdrängt.
Oder wo haben wir in all den letzten Jahren über Depression und psychische Erkrankungen geredet? Haben wir den Leidensdruck und mögliche Ventile besprochen? Suizid und letztlich erweiterten Suizid, wie in München geschehen? Als vor über einem Jahr ein Pilot offenbar einen solchen erweiterten Suizid begangen hatte, sprachen wir moralisch über seine Tat, über seine Erkrankung allerdings so gut wie nicht. Aber wir wollten doch darüber reden, sollten endlich eine aufgeklärte Gesellschaft in dieser Frage werden, nach Worten der Publikative. Schließlich war nach Enke nichts mehr so, wie es mal war. Jedenfalls für einige Tage. Danach war es freilich genau wieder so, wie es immer war: Aus den Augen, aus dem Sinn.
Nein, wir haben nicht darüber gesprochen. Und wir werden auch jetzt nicht darüber sprechen. Depressionen lenken ab, psychische Erkrankungen sind Langeweile. Was daraus werden kann, Skandalmeldungen und Eklats, das ist doch, worüber wir sprechen müssen, sollen, können. Und es reicht doch auch nicht, wenn Journalisten davon schreiben, wenn sich die Politik dieser Problematik nicht annimmt. Von der Leyen hat als Arbeitsministerin den zögerlichen Ratschlag an die Arbeitgeber erteilt, sie sollten ihr Personal nach Feierabend nicht mehr auf Bereitschaft halten. Alles kann, nichts muss. Gelobter Wirtschaftsliberalismus. Die Politik verschärft den Druck eher noch, erschwert das Reglement bei Hartz IV, behält alle in der ökonomischen Garotte. Was nützt es also, wenn wir immerzu müssen oder sollen, aber die Politik nichts muss oder soll?
Mich regt dieser Wichs vom »Wir müssen reden!« unsäglich auf. Immer wenn jemand in meinem Leben auf mich zu kam und sagte, wir müssen reden, kam nichts dabei heraus. Bloß mehr oder weniger Gedruckse und Wichtigtuerei. Man sitzt da und müssen reden und wissen nicht so recht, was wir reden können. Wenn man nicht redet, sondern ankündigt reden zu müssen, dann stimmt schon was nicht. Der letzte, der mit mir reden musste, kratzte irgendein Thema an, ich war so klug als wie zuvor und dann musste er eilig weiter. Nein, es handelte sich nicht um den Journalisten des oben zitierten »Stern«-Artikels. Er hätte es aber sein können. Ach komm, wir müssen doch gar nicht reden darüber, wir haben ja doch gar keine Zeit darüber zu reden. Wen kümmern denn die Nachrichten von gestern? Nur die Gestrigen! Aber wir leben doch in der Gegenwart. Und da sind die Olympischen Spiele.

Und ein Artikel ist wohl schon in jeder Redaktion vorbereitet, für den Fall, dass die deutschen Leichtathleten mal wieder versagen. Dann waschen sie ihnen den Kopf. Dann sagen sie, wir müssen reden, wir müssen nämlich über das Versagen sprechen. Und zwar jetzt! Über psychische Belastungen sprechen wir dann synchron dazu - unausgesprochen und zwischen den Zeilen. Nur beanstandet es dann keiner.

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