Pflichtsieg ohne Fußballgott

Pflichtsieg ohne FußballgottWäre es nach den treuen Fans gegangen, hätte Hannover wie immer mindestens einen Punkt mit nach Hause genommen. Knapp 65 Minuten hatte der Hallesche FC sich und die 1500 Zuschauer im ungeliebten Ausweichstadion in Halle-Neustadt gegen die Reserve des Bundesligisten gequält, als Trainer Sven Köhler Routinier Ronny Hebestreit herbeiwinkte. "Jetzt bringt der den Opa!", empört sich ein Fan auf der Tribüne, "was soll denn das, will er etwa den Punkt festhalten?", nörgelt ein anderer. Halle, nach dem verlorenen Heimspiel gegen Chemnitz fürs Erste aller Aufstiegssorgen ledig, hatte gegen die Hannoveraner gut angefangen, dann aber wie immer zielstrebig den Faden verloren. Auf Chancen von Neubert und David folgt viel Quergeschiebe, ohne den gelbgesperrten Benjamin Boltze und den erkrankten Nico Kanitz findet das Mittelfeld mit Finke und den Ersatzleuten Hartmann und Neuzugang Stier eigentlich nur statt, wenn Toni Lindenhahn auf links ins Eins gegen Eins geht und an der Strafraumgrenze hängenbleibt.
Es ist ein Spiel auf ein Tor, das verdächtig nach Unentschieden riecht. Wegen des Schiedsrichters, nörgelt die Tribüne, die dem Unparteiischen aus Niedersachsen ankreidet, dass er einige Male zu früh, zu spät oder gar nicht pfeift. Es ist viel Zeit, den lauen Spätsommernachmittag zu genießen, denn auf dem Platz passiert nicht viel. Am lautesten ist noch die D-Jugend des SV Reideburg, die immer mal irgendetwas im Chor ruft. Eine Durchsage sorgt für Amüsement, nach der ein vor dem Stadion falschgeparktes Auto abgeschleppt werden soll, dessen Nummernschild verdächtig nach Ordnungsamtsnummer klingt. Noch fröhlicher wird das weite Rund, als wenig später Entwarnung kommt. Das Auto gehöre Halles Torwart Darko Horvat und könne natürlich stehenbleiben. Richtig Stimmung kommt im Stadion aber nur einmal auf, als sich der häufig reklamierende Hannoveraner Tim Wendel verletzt und mit dem Notarztwagen abtransportiert werden muss. Da ruft die spärlich besetzte Fankurve gewohnt feinfühlig "Liegenlassen, weiterspielen - Scheiße tritt sich fest".
Als Trainer Sven Köhler dann auch noch den Leichtathleten Angelo Hauk und Mannschaftskapitän Nico Kanitz für Stier und den von Teilen des Fanlagers seit Wochen als "Fußballgott" veräppelten kantigen Dauerstürmer Thomas Neubert einwechselt, ist für erfahrene HFC-Zuschauer klar, dass es wieder nichts werden wird mit einem Sieg gegen Hannover. "Der soll den Aydemir bringen", grollt ein empörtes Schwergewicht, auf dessen T-Shirt "Unbelehrbar" steht. Aber hier und heute kann der Mann doch noch etwas lernen: Kanitz ist es, der in der 82. Minute durch zwei Gegenspieler stolpert, zum Erstaunen aller nicht fällt, sondern flankt und mit dem Ball den bereits als Fehleinkauf geführten Sprinter Hauk am rechten Pfosten findet. Der hat in anderthalb Jahren beim HFC ein Tor gemacht, ein verzichtbares zumal. Jetzt aber verdoppelt der gebürtige Franke seine Trefferanzahl und wird zum ersten Mal zum Matchwinner: Weil er den Ball nicht richtig trifft, springt er unter großem Jubel ins Tor.
Die letzten paar Minuten versucht Hannover noch einmal alles, Falschparker Darko Horvat hingegen erteilt den Balljungen eine Lektion in Fußball-Taktik: Hatte er eben noch gefordert, ins Aus geschlagene Bälle möglichst schnell zurückzubekommen, lässt er den verdutzten Knaben wissen, dass es nun Zeit sei, sich richtig Zeit zu nehmen. Ronny Hebestreit, der entgegen den Erwartungen der Fans eine fehlerlose Leistung geliefert hat, lässt seine Mitspieler an den Erfahrungen seines langen Fußballerlebens teilhaben. Als Hannovers Torwart Zieler schon mitstürmt und Steve Finke im eigenen Strafraum zu Fall kommt, ist im aseptisch stillen Rund laut seine Anweisung zu hören: "Jetzt bleib doch erstmal liegen!"
So reicht es nach vier Nachspielminuten zum ersten Sieg überhaupt gegen die Niedersachsen. Jaja, das erwartet schwere Spiel, wird Trainer Sven Köhler anschließend wie immer analysieren. Der Taktikfuchs im "Unbelehrbar"-Shirt winkt ab. Aydemir hätte kommen müssen. Eine Doppelspitze hätte hergemusst. Nach drei Jahren Daueraufenthalt im Tabellenhöhentrainingslager ist der zuvor traditionell zur Bescheidenheit erzogene Fan in Halle überzeugt, Besseres als mit knapper Not errungene Punkte gegen Mannschaften aus dem Mittelbau der Liga verdient zu haben. "Das war das schlechteste Spiel, das wir je gewonnen haben", sagt sein Nachbar entschlossen. Aber immerhin war das erste, das im Neustädter Notstadion gewonnen wurde.


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