OTELLO von Verdi an der Semperoper Dresden – Auch nur mit Wasser

OTELLO von Verdi an der Semperoper Dresden – Auch nur mit Wasser

Manchmal habe ich das Gefühl, ich müsse raus. Raus aus dem sogenannten Provinztheater, hinein in die große Opernwelt. In solchen Momenten bin ich sehr froh und dankbar, dass ich als Theaternomadin auch die Möglichkeit bekomme, über Vorstellungen an der Semperoper zu berichten. So war ich am vergangenen Sonntag wieder aufgeregt und voller Vorfreude auf Vincent Boussards Inszenierung von Giuseppe Verdis Otello, die im letzten Jahr bereits bei den Osterfestspielen in Salzburg zu sehen war.

Düstere Kunstinstallation

Das Bühnenbild von Vincent Lemaire und Rena Donsbach ist hochästhetisch. Dabei wirkt der sehr kontrastreiche und gleichzeitig kalte und düstere Raum eher wie eine große Kunstinstallation als ein Ort, an dem sich Theater entfalten könnte. Ein riesiger hauchdünner Schleier, der den ganzen Portalrahmen ausfüllt und durch sanfte bis mittelstarke Winde hochdekorativ bewegt wird, ist zu Beginn der Vorstellung ein sinnfälliges Symbol für "il fazzoletto", für das bekannte verhängnisvolle Taschentuch, das Desdemonas scheinbare Untreue bezeugt. Das Bild dieses feinen Tuchs wird immer wieder in den minimalistisch-schönen Videoprojektionen von Isabel Robson aufgegriffen.

Insgesamt ist es eine Ästhetik von Materialität und Fläche, die Lemaire offenbar angestrebt hat. Der ganze Boden und manche Seitenwände spiegeln; ein breiter Rahmen und der lange Tisch bzw. Altar glüht manchmal aus sich selbst heraus; eine große weiße Fläche, dient erst als Rückwand, dann als betretbarer Boden. Das Umfallen von letztgenanntem Objekt passiert pünktlich zu einem Wutausbruch des Titelhelden und ist damit zwar logisch, aber auch banal. Hinzu kommt ein Lichtdesign, das ebenfalls herzlich wenig für Darsteller gemacht ist. Guido Levi arbeitet hier mit viel Seitenlicht und steilem Licht von oben. Das schafft zwar viel Kontrast und Stimmung, aber lässt deutlich zu wünschen übrig, wenn man als Zuschauer auch an Figuren interessiert ist.

Ästhetischer Verschiebebahnhof

Aber daran scheint Regisseur Vincent Boussard selbst nicht sonderlich interessiert zu sein, denn dass es in Verdis Otello um Eifersucht, Leidenschaft, Wut und Verzweiflung geht, muss man sich als Zuschauer immer wieder selbst ins Bewusstsein rufen. Seine Personenführung ist schlichtweg grob und beschränkt sich im Wesentlichen auf ein paar Positionswechsel und große Operngesten. Da wird dann szenenweise nur gestanden und gesungen. Ja, das sind teilweise schöne Bilder - aber sonst auch nichts. Dass Boussard eine zusätzliche Figur erfunden hat, kann dieser Tatsache ebenfalls wenig helfen. Ein schwarzer Engel ist immer wieder präsent. Ist es der Todesengel? Racheengel? Schutzengel? Seine (bzw. ihre) Aktionen sind rätselhaft und schön und lenken von dem ab, worum es eigentlich gehen sollte.

Ich verließ die Semperoper und Dresden mit ungeahntem Optimismus. Denn ein solches Scheitern auf hohem Niveau macht mir eins wieder bewusst: In allen Theatern wird nur mit Wasser gekocht. Und das sogenannte Provinztheater macht daraus manchmal weitaus mehr, als die große Oper.

Otello. Dramma lirico in vier Akten von Giuseppe Verdi (UA 1887 Mailand)

Semperoper Dresden
Musikalische Leitung: Christian Thielemann
Regie: Vincent Boussard
Mitarbeit Regie: Heiko Hentschel
Bühne: Vincent Lemaire
Mitarbeit Bühne: Rena Donsbach
Kostüme: Christian Lacroix
Mitarbeit Kostüme: Robert Schwaighofer
Licht: Guido Levi
Video: Isabel Robson
Choreographie: Helge Letonja
Dramaturgie: Stefan Ulrich

Besuchte Vorstellung: 26. Februar 2017


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