“Mythos und Kulturtransfer”

Mythos und Kulturtransfer_BuchcoverEin gigantischer, fast das ganze Cover ausfüllender Minotaurus ziert das Titelbild der neuesten Ausgabe der Reihe Metabasis aus dem Bielefelder transcript Verlag. Nicht ohne Grund ist die Wahl auf diese Sagengestalt gefallen, heißt es in dem knapp über 350 Seiten starken Werk von Brigitte Krüger und Hans-Christian Stillmark doch: Mythos und Kulturtransfer. Neue Figurationen in Literatur, Kunst und modernen Medien. Widmete man sich in vergangenen Veröffentlichungen Themen wie Freeze Frames, dem Verhältnis von Fotografie und Film, der Raumdeutung oder der Wiederkehr des 3D-Films, so wirft man nun eben einen Blick auf die Neufigurationen von Mythen in ihren verschiedenen Repräsentationsformen, beschäftigt sich mit mythentheoretischen Ansätzen. Die Reihe Metabasis entsteht dabei am Institut für Künste und Medien an der Universität Paderborn, wo man mit dieser Reihe sowohl mediale als auch künstlerische und gesellschaftliche Umbrüche und Veränderungen in Narration und Fiktionalisierung beobachten möchte, wo man ein Auge auf die Übersetzungen zwischen verschiedenen Genres und ihren Darstellungsweisen hat – das und noch viel mehr kann dann in den jeweiligen Publikationen nachvollzogen werden.

In diesem inzwischen 14. Band der Reihe geht es nun also um die Mythenrenaissance im 21. Jahrhundert, hervorgerufen, wie sollte es anders sein, durch die mediale Ausweitung. Hierzu wird eingangs auf die interdisziplinäre Konferenz Mythenfiguren und Kulturtransfer hingewiesen, die am 15. und 16. September 2011 an der Universität Paderborn abgehalten wurde und diesem Band mit zu Grunde liegt. Dort diskutierten Teilnehmer aus drei Generationen, ein Sinnbild für das immer präsente Interesse an Zugängen und Werten von traditionell überlieferten Mythenmaterialien. Es sollte aber nicht nur über die positiven Aspekte gesprochen werden, auch Fragestellungen wie mögliche, radikale Grenzüberschreitungen, die das Ende des Mythos bedeuten könnten, standen im Fokus und finden dementsprechend ihren Weg in diese Publikation.

Mythen gibt es in vielerlei Manifestation: als Erlösungs-, Opfer-, Rache- oder dem vielleicht populärsten Vertreter, dem Heldenmythos. Die Begrifflichkeit wurde auf der genannten Konferenz wie auch in dem Buch Mythos und Kulturtransfer von unterschiedlichen Seiten betrachtet: aus der Sicht der Germanistik, der Romanistik und Slawistik, ebenso wie der Anglistik, der Philosophie oder den Medienwissenschaften. Die große Schwierigkeit bei diesen unterschiedlichen Herangehensweisen liegt sicherlich in der Definition des Begriffs Mythos, der aber ausführlich und umfassend erklärt wird. Kurz sei gesagt, dass es sich dabei – zumindest bei dieser Betrachtung – um eine narrative Struktur handelt, um bestimmte wiederholbare Ereignisse, die außerhalb von Raum und Zeit liegen, also einen immer währenden Bestand haben. Durch das Erzählen von Mythengeschichten kann laut dem Buch Wissen über Generationen hinweg bewahrt werden. Und genau darum geht es: was in der heutigen Generation noch überliefert ist und ob es Gefahr läuft zu verschwinden. Wie sehr hat sich der Mythos, haben sich einzelne Mythen mit dem kulturellen Transfer von Generation zu Generation gehalten und werden sie auch noch weitere Generationen überdauern. Das wird in Mythos und Kulturtransfer anhand von Einzeluntersuchungen beobachtet, es werden neue Zugangsweisen zu bereits bestehenden Theorien gesucht und auch Fragen quer zu konventionellen Herangehensweisen gestellt – und versucht zu beantworten.

Die Autoren beschäftigen sich in vier Untergebieten mit dieser Thematik. Christoph Jamme (Professor für Philosophie in den Angewandten Kulturwissenschaften der Universität Lüneburg), Peter Tepe (Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Philosophischen Fakultät der Heinrich Heine Universität in Düsseldorf) und Herwig Gottwald (Professor für Neuere deutsche Literatur an der Universität Salzburg) haben ein drei Texte starkes Sammelsurium zum Mythosbegriff und der modernen Mythentheorie zusammen gestellt. Im zweiten Teil folgen drei weitere Texte zur Repräsentation und Inszenierung des Mythos in der bildenden Kunst und in den neuen Medien – verfasst von Heinz-Peter Preußer (Universität Bremen), Hans-Christian Stillmark (Universität Potsdam) und Jan Kostka (Freie Universität Berlin).

Weitere Bereiche sind Mythische Denkfiguren und narrative Strategien in der Literatur des 20. und 21. Jahrhunderts (stark fokussiert mit fünf Texten zur Thematik) sowie der Mythosbegriff im Spannungsfeld von Politik und Geschichte, mit sieben Beiträgen der stärkste Anteil von Mythos und Kulturtransfer.

Das Buch schafft es allemal, die Mythen, die heutzutage gerne als Antik abgetan werden, doch wieder in ein gegenwärtiges, gar zukünftiges Licht zu rücken. Die Beschäftigung mit dem Mythosbegriff und wie sein Kulturtransfer mit den Generationen einher geht, wird relevant dargestellt und von allen Autoren gleichermaßen tiefgründig abgearbeitet. Dabei fasziniert vor allem, dass trotz der Fülle an vorliegenden Informationen eine klare Linie zu erkennen ist und keine erwähnenswerten Wiederholungen stattfinden – was dann auch für das breite Feld der Mythenforschung spricht, in der es eine Menge zu entdecken gibt. Vieles davon befindet sich in dieser Publikation.

Brigitte Krüger, Hans-Christian Stillmark (Hg.)
Mythos und Kulturtransfer
Neue Figurationen in Literatur, Kunst und modernen Medien

Link zum transcript Verlag


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