Moskau-Potpourri

16:47 Uhr, Kolomenskoje, Moskau.

Hier sitze ich nun, auf einer Holzbank. Mir weht eine frische Brise um die Nase. Vögel zwitschern, Blätter rauschen. Sonst nichts.

Nein, es fühlt sich nicht wie Moskau an. Überhaupt nicht. Schreiende Metrozüge rasen wahrscheinlich gerade einige Dutzend Meter unter mir durch den Untergrund, beladen mit gestressten, schwitzenden Alltagsmenschen. Leise knatternde Blechlawinen wälzen sich wahrscheinlich gerade einige hundert Meter von hier über den heißen Asphalt. Ja, Moskau ist wie immer. Nur jetzt gerade nicht.

Ich bin in Kolomenskoje, einer alten Zarenresidenz südlich des Stadtzentrums. Heute ein Park, ist dieser grüne Fleck auf der Stadtkarte typisch für die Hauptstadt: ruhig, entspannt, erfrischend. Kurz: das Anti-Moskau. Solche Plätze gibt es hier überraschend viele. Man muss nur, wie man sagt, wissen wohin, um der Hektik zu entfliehen.

Gestern um 02:00 Uhr Ortszeit kam ich in der russischen Hauptstadt an. Nach einer Nacht im Flughafen, wo ich meinen Körper zwischen Wand und Fußboden schmiegte, fuhr ich in die Stadt. Es fühlte sich gewohnt ungewohnt an – der Geruch, der Lärm, das zu viel an Allem. Doch das anfängliche Gefühl des Fremdseins wich Stück für Stück. Und machte einer – zugegebenermaßen sehr überschwänglichen – Freude, ja Euphorie, platz. Freude darüber, lange nicht gesehene Freunde wiederzutreffen, das Lebensgefühl Moskaus zu spüren und endlich wieder eine russischsprachige Umgebung zu haben.

Das letzte Mal war ich Ende Juni letzen Jahres hier. Elf Monate ist das nun her. Seitdem hat sich vieles getan: Duma- und Präsidentenwahl, Proteste und Demonstrationen. Das russische Volk, so schien es, habe sich endlich dazu aufgerafft, sich gegen das herrschende System zu wehren. Über Erfolg oder Misserfolg kann allerdings gestritten werden; ebenso darüber, ob der sich auflehnende Teil der Bevölkerung angesichts ihrer Heterogenität und fehlender Lösungsvorschläge überhaupt in der Lage ist, einen politischen Kurswechsel herbeizuführen – oder ob es durch die Aktionen der so genannten “Opposition” lediglich zu einer Spaltung der russischen Gesellschaft kommt. Es entspricht den Tatsachen, dass es einen nicht zu vernachlässigenden Bevölkerungsteil gibt, der um die liebgewonnene putinsche Stabilität fürchtet und deswegen besonders jene Formen des Protestes der Opposition radikal ablehnt. Bei uns weiß man von dieser Bewegung natürlich nichts; so viel zum Thema permanenter Voreingenommenheit bei der Russland-Berichterstattung (dies soll jetzt natürlich nicht heißen, dass ich ein Befürworter Putins bin).

Aber gut, man könnte noch ewig über dieses Thema schreiben. Ich bin aber müde und möchte heute noch meine Moskau-Eindrücke in den Äther schicken. Wie ich schon anklingen habe lassen, ist die russische Hauptstadt so wie immer: protzig, verstopft und stickig auf der einen – aber anregend, aufregend und überraschend auf der anderen Seite. Beispielsweise ist mir in den letzten zwei Tagen eine neue Spezies auf Moskaus Straßen aufgefallen: Radfahrer. Chapeau vor all jenen, die mit dem Rad durch die Innenstadt fahren – einen Bungee-Sprung für den Adrenalin-Kick kann man sich dabei ruhigen Gewissens sparen. Und überhaupt habe ich seit meiner Ankunft die fast schon europäisch anmutenden Seiten der Hauptstadt entdeckt: Radwege (naja, einen), Strandbars, gepflegte Parks mit Live-Musik, kollektive Yoga-Stunden, ein riesiges Tanzparkett an der Moskva.

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Ehrlich gesagt müsste man mich nicht zwei Mal bitten, noch länger in Moskau zu bleiben. Doch morgen, um 15:00 Uhr Ortszeit geht es weiter, weiter in Richtung Süden. Voronezh wartet.



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