Mobile Payments: Wocheneinkauf per Handy

Das Cirquent Blog hat mit Manuel Ruano und Ralf Baust, Cirquent Experten für Mobile Payments, über das innovative Bezahlen per Handy, das Zukunftspotenzial und wichtige Standards gesprochen.

Cirquent Blog: Das Thema Mobile Payments ist ein Dauerbrenner. Schon vor zehn Jahren gab es erste Geschäftsmodelle. Was hat sich seitdem entwickelt?

Manuel Ruano: Die ersten Ideen, Handys auch für Bezahlvorgänge zu nutzen, entstanden in Deutschland Ende der 1990er. Und zwar mit dem Aufkommen von WAP und später nach den ersten großen UMTS-Auktionen. Dabei ging es zunächst um den Kauf von Klingeltönen oder Bildschirmschonern. Der Bezahlvorgang lief über die Telefonrechnung. Später wurden in Europa weitere Dienste entwickelt, etwa Paybox in Österreich. Das ist eine SMS-basierte Methode, mit der man an Automaten oder im Taxi zahlen kann. Ein neues Momentum gab es dann 2008 mit der Gründung von mpass, einem Konsortium von Vodafone und O2. Basis ist dort ein Konto, das auf einem sicheren Server hinterlegt ist. Wer etwas bezahlen möchte, muss eine PIN eingeben. Die Transaktion läuft ähnlich wie bei PayPal serverbasiert ab.

Ralf Baust: Wichtig ist es, zunächst die Begriffe zu klären. Mobile Payments ist nicht Mobile Banking. Es geht nicht darum, Bankgeschäfte mit dem Handy zu erledigen, sondern um das Bezahlen mit dem Handy, und zwar mit einer entsprechenden Technologie wie NFC direkt am Point of Sale.

Cirquent Blog: NFC, was bedeutet das?

Manuel Ruano: Die Abkürzung steht für Near Field Communication und bezeichnet einen Übertragungsstandard zum kontaktlosen Austausch von Daten über kurze Strecken, zum Beispiel zwischen zwei Geräten, die einfach aneinandergehalten werden – und das ohne besondere Anmeldung. Der Standard ist nicht neu, er wurde schon 2002 definiert. Unter anderem wurde hier auf Technologie wie Bluetooth oder RFID zurückgegriffen. Da sowohl Apple für das iPhone als auch Google für sein Android-Betriebssystem und andere Smartphone-Hersteller künftig NFC-Unterstützung angekündigt haben, dürfte die Verbreitung in den kommenden Jahren stark anwachsen. Mit NFC kann die Akzeptanz der Kunden erhöht werden, mit dem Handy zu zahlen. Die Vision: Sie können den Wocheneinkauf im Supermarkt bald mit dem Handy oder anderen mobilen Geräten erledigen.

Cirquent Blog: NFC ist also die Superapplikation, die Mobile Payments zum Erfolg führt?

Ralf Baust: Nein, NFC stellt lediglich sicher, dass der Kunde am Point of Sale direkt mit dem Handy bezahlen kann. Außerdem können auf das Handy geladene zusätzliche Dienste kombiniert werden, um den Kunden direkten Mehrwert zu bieten.

Cirquent Blog: Kannst du bitte ein Beispiel nennen?

Ralf Baust: Es könnten Coupon-Dienste auf das Handy geladen werden. Geht der Kunde zum Beispiel an einem Café vorbei, signalisiert das Handy dank der Kombination der auf dem Handy verfügbaren Dienste „GPS-Ortung“ und „Couponing“, dass der Kaffee hier und jetzt nur für ihn 2,50 Euro statt drei Euro kostet. Auch ist eine einfache Nutzung und Verwaltung unterschiedlicher Loyality-Programme für Unternehmen denkbar. Mit Mobile Payments hat der Kunde außerdem eine sogenannte Mobile Wallet, die ihm in Echtzeit einen detaillierten Überblick über seine Ausgaben anzeigt. Das ist ein Mehrwert für alle, die sonst ihre Abrechnungen über verschiedene Giro- und Kreditkarten oder Belege verfolgen müssten. Erfahrungen aus Japan zeigen: Nicht der Bezahlvorgang, sondern vor allem Mehrwertdienste haben Mobile Payments zum Durchbruch verholfen. Sie werden dort inzwischen auf mehr als 60 Millionen Handys bereitgestellt.

Cirquent Blog: Warum ist Japan bereits so viel weiter?

Manuel Ruano: Japan ist dem europäischen Markt in Sachen M-Commerce und Mobile Payments um Jahre voraus. Das liegt nicht nur an der Technikaffinität dort. Ein Treiber war auch das iMode Geschäftsmodell. Dieser Dienst hat schon vor zehn Jahren ein Modell entwickelt, das Inhalte-Programmierer direkt mit 90 Prozent an den Erträgen beteiligt. Wie erfolgreich das sein kann, hat Apple gezeigt. Neben einem Brand- und Usability-Vorsprung ist es auch das 70:30 Revenue Share Modell und das einfache Payment über iTunes. Es hat vielen Entwicklern Anreize geboten, Content und Apps zu produzieren. Hinzu kommt im Fall des stationären Handels, dass sich in Japan der Trusted Service Manager als neutraler Vermittler zwischen Banken, Telekommunikationsunternehmen und Handel herausgebildet hat. Das ist ein externer Dienstleister, der sich um die Registrierung und Freischaltung von Ticketing-, Payment und Couponing-Apps auf der NFC-Plattform kümmert und so alle wichtigen Applikationen koordiniert. Das war ein wichtiger Schritt für die Akzeptanz von Mobile Payments und Mobile Loyality in Japan – sowohl bei Kunden als auch im Handel.

Cirquent Blog: Und wie könnte die weitere Entwicklung in Deutschland aussehen?

Ralf Baust: Heute gibt es in Deutschland 800.000 Verkaufspunkte mit kartenbasierten Zahlverfahren – wo Kunden also mit Giro- oder Kreditkarte bezahlen können. Es gibt aber ungefähr 2,5 Millionen Verkaufspunkte, an denen sie nur mit Bargeld zahlen können. Aktuell werden noch knapp zwei Drittel aller Zahlungen im Handel bar getätigt. NFC ist ein Standard, mit dessen Hilfe auch kleinere Geschäfte mit wenig Aufwand eine Infrastruktur für bargeldloses Bezahlen etablieren können. Ein Smartphone genügt. Gerade beim Bäcker oder beim Metzger macht es Sinn, auf diese Weise zu zahlen, weil Bargeld auch unhygienisch sein kann.

Cirquent Blog: Cirquent hat über NTT Data Zugang zum Know-how des japanischen Telekommunikationsunternehmens NTT Docomo, einem der Pioniere in Sachen Mobile Payments. Was bedeutet das für die weiteren Schritte bei Cirquent?

Ralf Baust: Dadurch erhalten wir am Markt die erforderliche Akzeptanz und werden als wichtiger Player für Mobile Payments anerkannt. Auf der anderen Seite steckt eine branchenübergreifende Zusammenarbeit der wichtigsten Stakeholder – Telekommunikation, Banken und Handel – in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Deshalb wollen wir 2011 einen Mobile Payments Round Table etablieren, an dem sich alle Beteiligten austauschen können. Unser zweites wichtiges Thema ist die Etablierung eines europaweiten Standards in einem europäischen Forschungsprojekt. Hier sitzen insgesamt 40 große Player aus den genannten Branchen an einem Tisch. Unsere Vision: Als Teil von NTT Data möchten wir künftig in die Rolle des Trusted Service Managers hineinwachsen. Gerne auch mit anderen Partnern.

Manuel Ruano Das sehe ich auch so. Ich glaube, dass Deutschland einen Katalysten oder Enabler braucht, der als neutrale Instanz zwischen den Telekommunikationsunternehmen, der Bankenwelt und dem Handel vermittelt.

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