Mehr Planwirtschaft wagen

Wagenknecht nennt das Unumgängliche "kreativen Sozialismus" - auch um sich vom real existierenden Sozialismus abzugrenzen. Der hatte sich nicht, wie Marx ankündigte, aus dem industrialisierten Kapitalismus verwirklicht, sondern "aus einer Krise der Unterentwicklung an der Peripherie des Weltmarktes" heraus und baute deswegen auf "Regimes der nachholenden Modernisierung". So hat es damals Robert Kurz in seinem Ein Abgesang auf die Marktwirtschaft geschrieben. Gleichwohl sieht er im realen Versuch des Sozialismus nicht mehr als eine Warenwirtschaft, die "von Anfang an keine historische Alternative, sondern immer nur eine gröbere, eher mickrige und auf halbem Weg steckengebliebene Billigversion des Westens selbst" war.
Nun besteht die historische Chance, die Episode des autoritären Sozialismus, der als Folge seiner apriorischen Unterentwicklung einen erzwungenen Schnelldurchlauf zur Industrialisierung unternahm, um einen demokratischen Sozialismus zu bereichern. Einen, der bereits industriell gediehen ist, ökonomisch gereift genug. Der Name ist hierbei zweitrangig. Ob nun demokratischer oder kreativer Sozialismus - ob überhaupt Sozialismus als Wort: Notwendig scheint nur, dass die freie Marktwirtschaft an Ketten gelegt werden und dass es wieder einen gesellschaftlich verordneten Plan des Wirtschaftens geben muss.

Das bedeutet freilich nicht, dass die Preise für Brötchen und Socken diktiert werden müssten. Viel mehr ist es so, wie es Gregor Gysi schon 1994 dem Spiegel erklärte: "Die Mechanismen der Marktwirtschaft lehnen wir keineswegs ab, wohl aber die radikale Durchsetzung. Es gibt fünf Bereiche, die sich marktwirtschaftlich gar nicht sozial gerecht und ökologisch organisieren lassen: Kunst und Kultur, Bildung, Gesundheitswesen, Wohnen und Nahverkehr." Die Marktwirtschaft regelt durchaus viele Bereiche besser als eine Planwirtschaft je könnte. Ein neuer Sozialismus muss sich das auf die Fahne schreiben. Aber es gibt Bereiche, in denen keine freien Spieler des Marktes wirtschaften dürfen, in denen die Rendite kein Kriterium sein darf. Vielleicht war 1994 die Energiefrage noch nicht akut genug, vielleicht hat Gysi jedoch einfach nur den Energiesektor vergessen. Auch der gehört planwirtschaftlich organisiert, der Marktwirtschaft entrissen.
Die großen Fragen des menschlichen Zusammenlebens, der sozialen Gestaltung und der Sicherung der Lebensqualität des Gemeinwesens, sind nicht vom Markt aus regulierbar. Selbst ein vom Staat regulierter Markt sieht zum Beispiel im Gesundheitswesen immer noch einen Sektor zur Profitmaximierung. Er kann gar nicht anders, das ist sein Prinzip. Die Bereicherung der Marktteilnehmer in den Bereichen Kultur, Energie, Bildung, Gesundheit, Wohnen und (Nah-)Verkehr ist aber kein Zukunftsmodell. Es geht nicht um die Bedienung des Marktes und die Sicherung eines Geschäftsfeldes, sondern um die Sicherstellung existenzieller Prämissen einer Gesellschaft, um freien Zugang zu öffentlichen Gütern. Die Marktwirtschaft kann das nicht garantieren.
Planwirtschaft wird innerhalb der Marktwirtschaft verteufelt und als nicht überlebensfähig deklariert. Das liegt im Wesen des Systems. Es muss den Gegenentwurf diffamieren. Der real existierende Sozialismus starb nicht an planwirtschaftlichen Aspekten, sondern an einem planwirtschaftlichen Totalitarismus. Brötchenpreise gehören nicht behördlich geplant. Strompreise aber schon. Der Preis für Schuhe muss optional sein. Die gesundheitliche Versorgung nicht, sie muss grundsätzlich gratis zu haben sein.
Eine friedliche und soziale Gesellschaft der Zukunft darf sich nicht alleine an Nachfragen oder von der Werbung auferlegten und suggerierten Nachfragen orientieren, sondern an den existenziellen Notwendigkeiten, die das moderne Leben an die Menschen stellt. Man kann freilich von einer Marktwirtschaft träumen, die sich qua Regularien ethische Normen auferlegt. Ob das dann aber noch eine Marktwirtschaft im klassischen Sinne ist, bleibt fraglich. Ihrem Wesen nach wird sie aber immer danach streben, die verordnete Ethik aufzuheben. Der Profit bleibt einzige Moral. In manchen Sparten braucht es aber Menschlichkeit und Hilfsbereitschaft als Moral, eine Ethik der Sicherstellung individueller Alltäglichkeiten. Wenn wir nicht mehr Planwirtschaft wagen, sind wir bald völlig planlos.

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