Mamasein ist kein Zuckerschlecken

 Foto Anna Daki

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In meinem Umfeld sind die Mütter fast alle Supermütter. Was das heißt? Sie übernehmen alle Fahrdienste, stehen regelmäßig am Spielfeldrand oder zählen Punkte bei Turnieren. Sie backen Brot und Kuchen, ach, was sag’ ich? – sie backen ganze Buffets, fädeln Haloumi-Mango-Spieße auf und lesen Gute-Nacht-Geschichten vor. Sie ernähren ihre Kleinen nach den neusten Erkenntnissen der Clean-Food-Bewegung und töpfern die Snack-Boxen selbst. Sie sind niemals zu müde, um zuzuhören, sie tricksen das Internet aus und halten strikt die Regeln ein, wenn es darum geht, wer wie lange was an Serien gucken darf. Sie machen als Letzte das Licht aus und verteilen milde lächelnd Küsschen auf die Wangen ihrer zufrieden schlafenden Kinder; selbstverständlich schläft jedes in seinem eigenen Bettchen und wird nachts nie wach. Kein einziges iPhone ist in den Haushalten der Supermütter in Bett-Nähe platziert, alle Geräte schlafen brav in den gemütlichen Küchen, in denen bereits das demeter-Müsli vorweicht.

Wo bleibe ich da bei diesem Role-model-Spiel? Immerhin ja auch seit 15 Jahren Mutter. Und immer noch auf der Suche nach meiner Job-Description auf diesem herausfordernden Feld. Meine Tränen und Wutausbrüche und meine verzweifelten Telefonate mit gleichgesinnten meiner Spezies sind nach so vielen Jahren unzählig. Ich weiß, dass ich meine Kinder von Herzen liebe, ich weiß aber auch, dass ich der Norm einer idealen Mutter nicht entspreche und das vermutlich auch in diesem Leben nicht mehr schaffen werde. Da kann ich noch so viel um die Alster rennen und Selbstgespräche führen. Und mittlerweile dämmert es mir, dass vielleicht mal einer anfangen sollte zuzugeben, dass Muttersein totaler Stress bedeuten kann. Kein Job ist so anstrengend wie dieser und niemand bereitet einen wirklich darauf vor (sonst würde man es vielleicht sogar lassen). In unserer Gesellschaft hängt als gute Mutter die Latte nahezu unerreichbar hoch und ich freue mich über jede Mutter und auch jeden Vater, der oder die mal zugibt, dass Zweifel und Verzweiflung auf der Tagesordnung stehen können. Zumindest bei mir. Und dass die Kinder einem nicht nur im Längenwachstum über den Kopf wachsen, sondern heutzutage argumentieren wie Rhetorik-Nerds. Wo lernen sie das bloß, gibt es das auf Musically oder üben sie das in der Schule? Ich für meinen Teil bin manchmal echt sprachlos und spüre, dass meine Kinder mich erziehen oder zumindest um den Finger wickeln.

Aber in unserem Familienleben hat es eine Zäsur gegeben, die ich nicht wollte, aber auch nicht verhindern konnte: seit nunmehr drei Jahren leben wir wie tausende andere Trennungsfamilien in zwei Wohnungen mit Patchwork-Realität. Das will ich an dieser Stelle nicht bewerten. Aber ich habe meine Spielräume als Mutter überdacht und nun laufen ein paar Sachen anders, lockerer, und irgendwie kommt dadurch Entspannung ins Miteinander. Mein Perfektionismus hat sich zusammen mit dem Kummer verdünnt. Vielleicht werde ich in zehn Jahren sagen gut, dass mir das passiert ist, denn so wurde ich ein zweites Mal Mutter.

Wenn ich also morgens so in Jogging-Trance um die Alster laufe und innerlich Zwiesprache halte, überdenke ich viele Situationen mit meinen 3 Kleinen Tick, Trick und Track.

Habe ich vielleicht am Morgen übertrieben, als ich meine Große aufforderte den baustellenlauten Thermomix nicht immer mit ihren Superfood Körner zu malträtieren und einfach mal ein Toast zu essen. Oder Abends, wenn ich mich mit den Mädchen ins Bett lege, eine riesen Tüte Süßigkeiten dabei und wir gemeinsam den pädagogisch wertvollen Bachelor glotzen, versuche ich als ehemalige TV-Journalistin die Sendung einzuordnen, erkläre also meinen Lieben, das alle Dialoge geschrieben sind, die Protagonisten gecastet und wirklich gar nichts dem Zufall überlassen wurde.

Dabei puhle ich genüsslich meiner Kleinen die Nüsse aus der Schokolade – angeblich hat sie eine Nuss-Allergie, aber unangeblich warten wir noch immer auf den Ausbruch. Dabei fühle ich mich wie eine Vogelmutter, die ihr Junges aus dem Schnabel füttert. Und wehe es ist zu viel Mama-Spucke an der Schoki – dann gibt’s Schelte und sie verzieht das Gesicht so angewidert, dass ich mich wie die böse Hexe aus Hänsel und Gretel fühle, deren Mundflora bestimmt verseucht ist, nach Krötenschleim schmeckt und nicht weniger unappetitlich riecht.

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Gern schlafen wir bereits während der zweiten Werbepause ein und leider kommt es auch mal vor, dass wir das Zähneputzen verschlafen und die teuren Zahnklammern woanders übernachten. Selbst wenn wir am Ende bei der Rosenverteilung wieder aufwachen, erleben wir das meist leicht benommen, zuckersediert und ich bin schon froh, wenn ich auf der Fernbedienung noch die Aus-Taste finde.

Ja, richtig mitbekommen... obwohl meine Kinder durchaus schon laufen können und auch sonst nicht auf den Mund gefallen sind, schläft mindestens ein Exemplar immer gern mal bei Mama. Früher habe ich mir deswegen immer Sorgen gemacht, habe sie in ihre Betten zurückgeschleppt und haufenweise Literatur (z.B. „Jedes Kind kann schlafen lernen“) gelesen – jetzt erpresse ich sie und verlange das gleiche Recht für mich, wenn sie später Familie und einen Partner haben! Dann nämlich ist Payback –Time und ich bestehe auf meinen sicheren und warmen Platz in der Mitte! Von wegen „unconditional love“ und so....!

Ich gebe zu, es gibt viele Momente, die ich jetzt –geschieden mit meiner Meute – als inkonsequent-konsequente Mutter neu entdecke. Endlich (!) kann ich während der Mahlzeiten alle – und ich meine alle! - stets und ständig ermahnen, beide Hände auf dem Tisch zu lassen, gerade zu sitzen und erst aufzustehen, wenn alle fertig sind. Schön ist es auch, wenn sie noch ihre Teller wegbringen – aber ach, irgendwann macht meckern dann doch nicht mehr so viel Spaß. Ansonsten ist es aber wie bei „und täglich grüßt das Murmeltier“ und ich habe es längst aufgegeben, mich über die gebrochene Schallplatte aufzuregen und mich zu fragen, was an meinen Anweisungen denn so schwer zu verstehen ist. Mein neues Motto also „ich meckere – also bin ich....“ Das ist wie Ächzen im Gebälk und gehört offenbar zu mir ... und es ist ja nun auch keiner mehr da, der das unsexy findet oder gar sabotiert.

Früher gab es nur Gesundes auf den Tellern und großes Geschrei, wenn es Porridge gab – jetzt regiert auch mal Weizen oder Schoko-Kram unser Frühstücksritual. Bilde ich es mir ein oder sind meine Kinder in diesem Winter so wenig krank gewesen, wie nie zuvor? Anstelle des üblichen Morgenstreits begrüßt uns jetzt das Frühstücksfernsehen am Tisch und wie hypnotisiert vom Bewegt-Bild wird auch schön aufgegessen. Der Vorteil: Meine Kinder wissen schon morgens, was in der Welt passiert - und seien es nur die Fußballergebnisse - und sie gehen mit einem gefüllten Bauch in die Schule.

Warum sich das Leben schwer machen, wenn es auch anders geht?

Früher dachte ich, ich bin der Chef und muss ein allwissendes Vorbild sein. Klar, dass man am eigenen Anspruch irgendwann scheitern muss. Am Wochenende begebe ich mich in die Flussströmung ihrer Termine und Wünsche. Eben kommt meine Mittlere aus dem Jumphouse und schreit zur Begrüßung? „Mama, wo bist du? Leg Dich schon mal hin – ich will mit dir Kuscheln“. Der Kleine wünscht sich, dass wir in der Pizzeria bei dem Vater seines Freundes mal Essen gehen und die Große will in „Bibi und Tina – Teil 3“, weil da so coole Jungs mitspielen. Ja, ok – ich mache fast alles möglich, solange ich beim Monopoly weiterhin schummeln kann und ich noch wenigstens bei Skippo (einem Kartenspiel) Vorne liege. Die Zeiten, wo ich die Kinder gewinnen lasse sind endgültig vorbei. Schon schlimm genug, dass ich bei meinem geliebten Memory mit dem kleinsten Stapel ende und ich meine Große nach meinen unzähligen Passwörtern für meine Apps und Computerprogramme fragen muss.

War Erpressung früher das allerletzte Erziehungsmodul, hält sich mein schlechtes Gewissen diesbezüglich heute in Grenzen. Für eine Handvoll Cents schicke ich meinen Jungen mit den So-Sue-Paket-Bestellungen zum Kiosk wo sein Salär sofort in Fußballkarten umgesetzt wird.

Wenn ich sie dann doch ab und zu in eine Ausstellung zwingen kann, muss ich zugeben, dass ich ihren Protest heimlich genieße (aber auch weil ich weiß, dass sie es meistens doch ganz interessant finden). Vergangenen Winter habe ich alle eine halbe Stunde zum Schlittschuhlaufen überredet. Eigentlich ein Unding, bedenkt man, das solch tolle Aktivitäten viel Geld kosten. Ich kam dabei voll auf meine Kosten und bin ihnen immer schön tanzend davongeflogen. Das Kind in mir fuhr Pirouetten und hat sich ordentlich ausgetobt. Das war dann leider aber auch das letzte Mal, dass sie mit mir aufs Eis wollten. Dafür hat mein Kleinster entdeckt, dass ich was am Ball kann. Ich darf beim Fußball jetzt immer in seiner Mannschaft sein und wenn ich es schaffe ein Tor zu schießen oder ihm einen guten Pass liefere bekomme ich zur Belohnung einen Kuss. Das hat er sich ausgedacht, weil er weiß, dass ich das genieße. Früher habe ich ihm weißgemacht, dass man durch viel Schmusen und Küssen besser und schneller wächst. Ganz schön fies eigentlich – was würde wohl mein Therapeut dazu sagen?


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