Madrid: 1.400 Polizisten schützen die Volksvertreter vor dem Volk

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In Spanien wird es jeden Tag schwieriger, mehr Demonstranten aufzubieten als die Polizei Polizisten! In diesen Minuten beschützen 1.400 bewaffnete Uniformierte die Volksvertreter vor dem Volk, das Parlament vor seinen Wählern, die Abgeordneten vor dem Souverän – alles “im Namen des Volkes”, was sonst?!  Die Generalsekretärin von Rajoys Partido Popular entblödet sich nicht, angesichts einer Demonstration nahe des Parlaments von einem “Staatsstreich” zu reden.  Wie viel Angst kann man haben, wie dumm kann man sein, um sich so zu äussern?

Wie viel Angst kann eine Regierung haben, die heute Polizisten in etliche in Madrid ankommende Busse schickt, um jedem einzelnen Passagier die Personendaten abzufordern und sie zu registrieren?  “Vorsichtshalber, falls später etwas passiert”, na sicher, was denn sonst.  Aus Granada, Valladolid oder Bilbao sind sie heute angereist, um den Senado de Diputados, das Parlament Spaniens zu umringen. Viele Stunden im Bus haben sie verbracht, um symbolisch zu verdeutlichen, dass sie die Politiker nicht mehr für legitime Volksvertreter halten sondern für geknebelte Lobbyvertreter, die ihre Interessen auf dem Rücken des Volkes austoben. “Wenn sie nicht operativ sind und nichts lösen können, sollen sie einfach abhauen, die Politiker”, sagt ein Demonstrant.

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Wenn man Bilder wie diese sieht, drängt sich die Parallele zu dem gestern veröffentlichten Cartoon geradezu auf!

Ab 19 Uhr: Polizei prügelt auf Dutzende von Demonstranten auf der Plaza Neptuno und hat fünf Personen festgenommen, die versuchten, die erste Sperre zum Parlamentsgebäude zu überwinden. Mindestens neun Verletzte.
Bilder davon (öffentlich-rechtliches TV wohlgemerkt!): Klick

Ab 21 Uhr: Die bisher relativ friedlich verlaufende Demo droht jetzt – kurz vor dem staatlich verordeneten Schluss um 21.30 h – doch noch auszuarten. Der Stockeinsatz der Polizei potenziert sich, Gummigeschosse fliegen. Mehr als ein Dutzend Festnahmen inzwischen.

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Die deutsche “Tagesschau” bezeichnet die Kommentare ihrer Zuschauer auf Facebook als “Shitstorm”, nachdem unter etlichen Artikeln Beschwerden erschienen waren, weil die Tagesschau die Demo in Madrid mit keinem Wort erwähnt hatte. “Shitstorm” sorgt für mehr Demokratie und Verhindert Manipulation durch Verschweigen, mehr davon! Die Tagesschau-Redaktion schrieb uns nach einer Beschwerde lapidar: “Liebe/r Uhupardo, wir berichten auch über die Proteste in Spanien. Nach unseren Informationen sind diese allerdings deutlich kleiner ausgefallen als erwartet. Gruß aus Hamburg, Ihre Tagesschau”

Die Behörden beziffern die Zahl der Demonstranten mit 6.000, geradezu lächerlich. Da muss das Computer-Keyboard bei einige Zahlen Aussetzer gehabt haben.

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Während draussen vor der Tür die Strassenschlacht tobt, debattieren die Parlamentarier im Senado in aller Ruhe, als wäre nichts passiert. Sie werden sich etwas einfallen lassen müssen, sobald es mit “mehr Polizei” nicht mehr zu regeln ist. Die Szenen “Gruppen spanischer Polizisten jagen Spanier” in den Strassen von Madrid sind wirklich unerträglich. (21.23 h).

Die Polizei hat offensichtlich den Befehl bekommen, die Demo pünktlich zum von den Behörden verordneten Schluss (21.30 h) aufzulösen. Das soll ihnen schwerfallen. Die Menschen wollen ihren Protest nicht aufgeben, weil es die Regierung sagt. Auf der Plaza Neptuno, nahe des Parlaments, setzen sich immer wieder grosse Gruppen von Demonstranten friedlich auf den Boden und rufen Parolen. Immerhin erstaunlich: Das öffentlich-rechtliche Fernsehen berichtete nicht nur in den Abendnachrichten halbwegs ausführlich – auch deren Livestream läuft immer noch.

Es sieht hier nicht so aus, als würde es so schnell Ruhe geben (21.37 h). Die Sprechchöre “Schau nicht zu, mach mit” fordern Umstehende auch um diese Zeit noch auf, sich mit der Sache zu solidarisieren. “Regierung: Rücktritt!” wird gefordert.

Hier ist noch lange nicht Schluss. Auch die Prügelszenen der Polizei gehen weiter. (22:07 Uhr). Noch jetzt sind es in etwa die 6.000 Demonstranten, die die Behörden für die gesamte Zeit angegeben hatte – weit nach offiziellem Schluss. Vorher war es ein VIELfaches davon.

Wie gerade bekannt wird, hat sich Argentiniens Regierungschefin Kirchner soeben bei der UN über die Repressalien in Madrid beschwert.

“Ich glaube an mich, an mein Land, ich will nicht im Elend landen, weil ihr das so bestimmt”, schreit ein Demonstrant und erntet den Applaus der Menge.” Inzwischen gibt es etwa zwei Dutzend Verletzte und ebenso viele Festnahmen mindestens. Davon gab es auch in den “Tagesthemen” kein einziges Wort, wie man uns soeben sagt. Wundert das jemanden?

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64 Verletzte und 35 Festnahmen sind das zählbare Ergebnis der vergangenen Nacht. Die Regierungsdelegierte in Madrid, Cristina Cifuentes, die die Demonstration schon im Vorfeld als “Staatsstreich” eingestuft hatte, verteidigte am Mittwoch die Massnahmen der Polizei. Sie beglückwünschte die Einheiten ausdrücklich für ihren Einsatz, “die sich einem unverhältnismässigen Angriff nmit Steinen, Flaschen, Schrauben” und anderen Gegenständen ausgesetzt sah, wusste Rajos Vertreterin in der Hauptstadt zu berichten. Die vorherfreidliche Demonstration sei erst durch “radikale Systemgegner” aus dem Ruder gelaufen, behauptete Cifuentes.

Systemgegnerwie diese? Die Polizei schlägt einen Mann, reisstihn zu Boden. Und er ruft “Hey, ich bin euer Kollege” – ein infiltrierter Polizist in Zivil unter den “Gewaltbereiten”.

Auch Innenminister Jorge Fernández Díaz verteidigte die Aktionen der Polizei und beklagte die “extreme Gewaaltbereitschaft” einiger Demonstranten: “Wenn die Polizei zuschlägt, dann nur deswegen, weil man sie dazu zwingt.” – Diejenigen, die gestern die Bilder der Live-Streams verfolgten, könnten möglicherweise zu ganz anderen Schlussfolgerungen gekommen sein.

Dazu sollten Sie dieses Video unbedingt gesehen haben, wenn Sie es bis zum Schluss aushalten, was nicht einfach ist. Die Polizei verfolgt Demonstranten bis in die U-Bahn-Station von Atocha, um … ? Journalisten werden bedroht, gezwungen, die Kamera auszumachen, am Ende wird das Mikro aus der Kamera gerissen.

Ganz zum Schluss der Demonstration wurde übrigens dazu aufgerufen, sich heute ab 19 Uhr an selber Stelle zu versammeln angesichts der gestrigen Vorfälle und die Proteste fortzuführen. Es ist damit durchaus möglich, dass es heute Abend zu weiteren Zusammenstössen kommt, denn Cifuentes warnte schon in der Nacht: “Am Mittwoch wäre die Demonstration illegal und wir werden mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, dagegen vorgehen.”

Mittwoch 21:30 Uhr
Wieder sind Tausende von Demonstranten im Zentrum von Madrid versammelt. Bisher ist alles friedlich, begleitet von einem riesigen Polizei-Aufgebot. Vermummte Demonstranten kommen nicht weit. Andere Demonstranten ziehen ihnen die Kapuze vom Kopf. Niemand hat Lust auf infiltrierte Polizeibeamte, die den Krawall beginnen, wie es gestern passiert war (siehe oben). Live-Bilder finden Sie hier: Klick

Während der spanische Regierungschef Mariano Rajoy heute In New York “die schweigende Menge der Spanier” lobte, “die keine Schlagzeilen produzieren und Nachrichtensendungen eröffnen”, also die Schafe, die keinen Ärger machen, protesieren Tausende in Madrid, skandieren Parolen wie “unnütze Politiker können weg”und “El Pueblo unido jamás será vencido”. Bisher bleiben Zwischenfälle aus – Rajoy wird es freuen: Weniger Präsenz in den Nachrichtensendungen. 22:30 h

23:10 h: Die Diskussionen unter den Demonstranten vor diesem riesigen Polizei-Aufgebot drehen sich oft um dasselbe Thema. Das lässt sich etwa so zusamenfassen: “Wenn wir hier friedlich demonstrieren, erreichen wir kaum oder gar keine Präsenz in den Nachrichtensendungen und Zeitungen in Europa und anderswo. Ja, natürlich ist Gewaltfreiheit richtig, aber solche Veranstaltungen bewirken kaum etwas …”

Dennoch dürfte der heutige Abend friedlich zu Ende gehen, wie es aussieht. Die Menschen gehen langsam nach Hause. Die Demonstration löst sich nach und nach auf. Wir bedanken uns sehr für die grosse Aufmerksamkeit, die unsere Berichterstattung gezeitigt hat und verabschieden uns damit. Buenas noches, Uhupardo-Leser!


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