Mach mich Masse

Lange vorher ist gewarnt worden, sogar sehr lange vorher. Holly Knight etwa dichtete schon 1983 "We are young heartache to heartache we stand" und "no promises no demands love is a battlefield", ohne Hoffnung, gehört zu werden jedoch denn: "noone can tell us we're wrong", weil "You're begging me to go then make me stay why do you hurt me so bad?" Berichte von der Rampe vor dem Tunnel in Duisburg, 27 Jahre vor der letzten Loveparade: "It would help me to know do I stand in your way, believe me believe me I can't tell you why but I'm trapped by your love and I'm chained to your side!"
Das Ende läuft auf allen Senden als Endlosschleife aus Youtube-Videos und Twitter-Statusmeldungen: "We're losing control will you turn me away or touch me deep inside and before this gets old will it still feel the same there's no way this world dies".
Die Welt überlebt, die Raver sind tot, wie es das Lied, das Pat Benatar zum Hit machte, vorhersagte: "But if we get much closer I could lose control and if your heart surrenders you'll need me to hold." Massenpanik an der Raverrampe, die dann gar keine war, der "Tunnel of Love", den Springsteen in einem schwachen Jahr beschwor - beide wussten sie: "love is a battlefield"
Doch was zieht sie dort hin, Menschen zwischen 14 und 45, was treibt sie, sich am liebsten in solchen Massen zu versammeln, ohne dass irgendetwas geboten wird. Von dem, was vorne auf der Bühne abgeht, sieht kaum einer etwas, der Reiz liegt allein darin, Teil des Massenauflaufes zu sein, Teil von etwas ganz Großem. Egal ob Papstbesuch, Fußball-WM oder öffentliches Techno-Zucken: der individualisierte Mensch der 2000er Jahre sucht die Begegnung mit sich selbst im Zusammentreffen mit anderen Gleichgesinnten. Je mehr, desto besser, denn: "noone can tell us we're wrong". Je Event, desto enger, denn "I'm chained to your side".
Die Generation Gegenwart, freigesprochen von Zukunftsvisionen, Ideologien und Freiheitswünschen, ist unterwegs zu sich selbst, unterwegs durch den Tunnel, festgepresst an Gleichgesinnte, während von hinten unablässig noch mehr Massen nachstoßen. Auf Youtube, der Schaltzentrale des Entsetzens über unfähige Veranstalter und verantwortungslose Politiker, ist zu sehen, wie die Menge aus lauter Einzelnen in den Minuten vor den ersten Toten wogt und atmet, als genieße sie die Ausnahmesituation als entgrenzte Erfahrung von Entbehrung und Mühsal. Es wird gesungen, es wird gewunken, es wird gefilmt und gescherzt. Der Weg ist das Ziel, das Wartekollektiv das Mittel zum Erleben, das hilft, den eigenen Körper zu spüren, den ausweglosen Alltag zu fliehen.
Die Loveparade ist nach der Katastrophe von Duisburg für immer beerdigt worden, doch die Sehnsucht des Menschen nach Entgrenzung in abgegrenzten Arealen bleibt. Die nächste Loveparade wird anders heißen und unter dem Motto "In Loving Memory Of Those Who Died" stehen. Tanzen für die Toten.


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