Lukas Bärfuss bekam den Preis der LiteraTour Nord 2018

Lukas Bärfuss hat dieses Mal den Preis der LiteraTour Nord bekommen. Am 12. April fand die öffentliche Preisverleihung in den Räumen der VGH Versicherungen statt; "wie gehabt", hätte ich beinahe gesagt - die Preisverleihung hat inzwischen ihr eingespieltes Ritual - aber eines war diesmal neu: es gab ein Filmporträt, das Student*innen der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover angefertigt haben. Es wurde nach dem Grußwort von Friedrich  von Lenthe (Vorstandsvorsitzender der VGH-Stiftung) gezeigt. Ein weiteres Grußwort kam von Professorin Sabine Doering für die Jury.

Lukas Bärfuss, 1971 in Thun geboren, lebt als freier Schriftsteller in Zürich. Er bekommt den von der VGH-Stiftung ausgelobten Preis (15.000 Euro) "für sein bisheriges Werk, insbesondere für seinen 2017 im Wallstein Verlag erschienenen Roman Hagard. Mit Lukas Bärfuss wird ein Autor ausgezeichnet, den wir heute lesen und der auch in der Zukunft gelesen werden wird, weil seine Romane begreiflich machen, was unsere Zeit und unser Leben ausmacht" (aus der Pressemiteilung). In der Begründung der Jury heißt es u.a.: "Lukas Bärfuss ist ein scharfer Beobachter, der mit wenigen Sätzen Atmosphäre erzeugt und der unbequeme Themen aufgreift ..." Er "bietet keine einfachen Einsichten. Er scheut kein Risiko und lässt dabei absichtsvoll die Grenzen zwischen Autor, Erzähler und Figuren ebenso verschwimmen wie zwischen Politischem und Privatem".

Die Lobrede hielt die Literaturkritikerin, Journalistin, Autorin Maike Albath. "Bei Lukas Bärfuss gibt es immer einen Rest", sagt sie. "Etwas Unerklärliches, ein Geheimnis, etwas, das an unser Innerstes rührt und sich gleichzeitig entzieht". Beim Versuch, trotzdem über den Preisträger zu reden, hält sie sich zunächst an die Figuren. Die Hauptfigur in "Hagard" ist Philip, "an sich ein wirklichkeitsgestählter Immobilienmakler" - während der Wartezeit vor einem Flug fallen ihm die "pflaumenblauen Ballerinas" einer Frau ins Auge; er folgt ihr, er folgt seinem Instinkt bis zur völligen Selbstaufgabe. "Dieser Instinkt ist so stark, dass er sämtliche Instanzen außer Kraft setzt und den kühlen homo faber in den nächsten 36 Stunden aus allen Koordinaten seines Lebens herauskatapultiert"."Wie weit ist der Mensch vom Tier entfernt?", fragt Maike Albath im weiteren Verlauf ihrer Rede. "Was lässt ihn zurückfallen in einen Urzustand, in dem es keine Sprache mehr gibt, die schließlich das ist, was den Menschen vom Tier unterscheidet? Genau diesen unheimlichen Zusammenhängen spürt Lukas Bärfuss nach, und er tut es auf bezwingende Weise". Und zum Abschluss: "Die Literatur ist Entdeckung, Intensivierung und Deutung von Wirklichkeit, die dunkle Mächte durchsichtig macht, wie es bei Ernst Cassirer heißt. Lukas Bärfuss unternimmt Tiefenbohrungen in diesen Schichten, er legt sie frei, erzeugt daraus eine gegenläufige Bewegung, umspielt einen Rest. Der uns, wie Philip, aus allem herauskatapultieren kann. Damit dringt Lukas Bärfuss in die innere Verfassung unserer Gegenwart ein und stellt sich der Selbstbefragung ... Er macht den Menschen in seiner Gesamtheit erfahrbar. Für seine Leser ist dies ein großes Glück".

Persönliche Nachbemerkung: Das Wort Stalking kommt bei Maike Albath nicht vor. Aber natürlich ist "Hagard" (auch) eine Stalking-Geschichte. Zwar halte ich seit längerem Stalking für ein wichtiges Thema (und habe auch schon darüber geschrieben), aber ich merke, ich habe es bisher aus der Opfer-Sicht betrachtet. Lukas Bärfuss schreibt hier jedoch aus Täter-Sicht, versetzt sich so in den Täter hinein, dass es unangenehm wird. Damit erklärt sich, dass ich zwar Bärfuss' Schreibqualität für herausragend halte (der Preis ist sehr angemessen), aber sympathisch sind mir seine Figuren nicht. Doch das dürfte der Absicht des Autors entsprechen.

Dem Brauch entsprechend las der Preisträger aus einem unveröffentlichten Manuskript. Zu dem Inhalt kann ich nicht viel sagen, dürfte ich wahrscheinlich gar nicht - aber ich erinnere mich, dass es zunächst um Erinnerung ging und ihr Verhältnis zur Wahrheit.

Die musikalischen Beiträge kamen an diesem Abend von Lars Stoermer (Saxophon, Bassklarinette, Loopstation).

Text: Dr. Helge Mücke, Hannover; Filmautor*innen: Sophie Apelt, Christopher Haar, Anna-Franziska Kaufmann / Hochschule Hannover

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