LUISA MILLER von Verdi am Staatstheater Kassel – Ausgebuht

LUISA MILLER von Verdi am Staatstheater Kassel – Ausgebuht

Es gibt ja immer noch Leute, die gerne in die Oper gehen. Diese Menschen wählen eine bestimmte Vorstellung aus, die ihnen interessant erscheint. Sie lesen vorher den Wikipedia-Artikel über das betreffende Werk, sie lesen vielleicht das Libretto, sie googeln vielleicht die Namen der Beteiligten. Dann freuen sie sich tage- oder auch wochenlang auf dieses besondere Ereignis. Vielleicht kaufen sie sich sogar ein neues Kleidungsstück, das sie zu diesem Anlass zum ersten Mal tragen wollen. Ein Opernbesuch ist für diese Menschen ein Erlebnis, in welches sie Geld, Zeit und intellektuelle Bereitschaft investieren. Umso bedauerlicher ist es, wenn dann an diesem betreffenden Abend von Seiten des Regieteams nicht die entsprechende Investition geleistet wird. So wie am vergangenen Samstag bei der Neuinszenierung von Luisa Miller am Staatstheater Kassel.

Futurismus trifft auf Minimalismus trifft auf Kindermärchen

Im Zentrum des Bühnenbildes von Roland Olbeter hängt eine mit weißem Nessel bespannte Metallkonstruktion. Ansonsten stehen da noch schwarze lange Bänke, deren Sitzplätze mit Namen versehen sind und die unterschiedlich arrangiert werden - teilweise ganz offen von Technikern. Die Seitenbühnen sind komplett einsichtig. Die Kostüme von Ursina Zürcher zeigen eine ähnlich heterogene Ästhetik: Die Mitglieder des Chores sind entweder als grüne putzige Waldmännchen verkleidet oder als Jäger mit Geweih auf dem Kopf. Dieses Geweih scheint ein Symbol für die höhere gesellschaftliche Klasse zu sein. Daneben gibt es noch Luisa im neckischen Blümchenkleid und Wurm, der in einem Plüschstrampler steckt und statt Händen und Füßen schwarze Krebsscheren vorweist. Außerdem gibt es noch zahlreiche Videoprojektionen von Esterina Zarrillo, welche sowohl auf einen vorderen weißen Schleiervorhang fallen, als auch auf das große leuchtende Konstrukt. Während der Ouvertüre beobachtet man beispielsweise das Aufblühen eines Zweigs, zum Schluss wird der Baum dann gefällt als Symbol für die Zerstörung des Vertrauens und der Liebe. Zwischendurch gibt es Blumen, Feuer, Schnee, Rehe, Glocken, Tauben, Würmer... Mit Requisiten hingegen wird sehr minimalistisch gearbeitet. Das Schreiben des Briefes geschieht komplett ohne Papier und Stift und auch das Gift existiert nur rein textlich.

Auch wenn es gerade so klingen mag: Ich habe überhaupt nichts gegen Abstraktion. Ich habe auch nichts gegen futuristische ausgeklügelte technische Konstruktionen. Ich habe nichts gegen eklektische Ästhetik, und auch nichts gegen ein ungewöhnliches Regiekonzept, das eine andere Geschichte erzählt oder eine andere Perspektive einnimmt, als man gemeinhin erwartet. Nur wäre es an dieser Stelle schon zu viel, überhaupt von einem Konzept zu sprechen. Es gibt keine erkennbaren Querverbindungen - weder zwischen Verdis Oper und dem Dargestellten, noch zwischen den dargestellten Elementen selbst. Und ich glaube nicht, dass Dominique Mentha eine Zusammenhanglosigkeit darstellen wollte, geschweige denn, dass so ein Konzept irgendetwas mit Luisa Miller zu tun hätte.

Park and bark

Leider vermisst man in dieser Inszenierung auch noch jegliche Personenführung oder Figurenzeichnung, die über leere Gänge und Klischees hinausgeht. Da heißt es größtenteils nur "park and bark", was nicht den Sängern anzulasten ist. Selbst eine fantastische Nicole Chevalier kann da nicht retten, auch wenn sie sich 'nen Wolf spielt - und das nicht nur für ihre Luisa, sondern für die anderen Charaktere gleich mit. Eine Regieidee ist, dass Luisa auf eine mir unerklärliche Art und Weise in Szenen anwesend ist, in denen sie eigentlich nicht anwesend sein sollte. Die anderen Figuren bemerken sie gar nicht, behandeln sie wie Luft - ist nur ihr Geist anwesend? Bildet sie sich alles nur ein? Ist alles nur ein Traum? Leider ist es unfreiwillig komisch, wenn sie mit telekinetischen Kräften versucht, ihren geliebten Rodolfo und die Konkurrentin auseinander zu schieben. Und schlüssig ist es obendrein auch nicht.

Ich könnte hier fortsetzen über die Verweigerung von Dominique Mentha, den Chor zu inszenieren (er wird größtenteils durch Hubpodien ins Bild gefahren oder tritt durch das Öffnen eines Vorhangs auf), über die inkonsequente Abstraktion von im Text beschriebenen Vorgängen (der Brief wird nicht von Luisa geschrieben, sondern die Worte werden an die Rückwand projiziert - nachher zerknüllt sie aber ein Stück Papier), über die absurden Auftritte von Figuren aus Versenkungen oder Flugwerken. Aber alles in allem bleibt nur zu sagen, dass es nicht nur schade, sondern auch ärgerlich ist, weder gutes Handwerk, noch Originalität präsentiert zu bekommen. Das Publikum des Staatstheater Kassel quittierte dies dann auch mit sympathisch leidenschaftlichen Buhrufen.

Luisa Miller. Melodramma tragico in drei Akten von Giuseppe Verdi (UA 1849 Neapel)

Staatstheater Kassel
Musikalische Leitung: Anja Bihlmaier
Regie: Dominique Mentha
Bühne: Roland Olbeter
Video: Esterina Zarrillo
Kostüme: Ursula Zürcher
Dramaturgie: Ursula Benzing

Besuchte Vorstellung: 17. Dezember 2016 (Premiere)


wallpaper-1019588
LUCK LIFE: Band feiert Europapremiere auf der Connichi
wallpaper-1019588
Wind Breaker: Deutscher Simuldub bei Crunchyroll gestartet
wallpaper-1019588
Kizuna no Allele: Erste Staffel erscheint auf Disc
wallpaper-1019588
Acro Trip: Promo-Video verrät Startzeitraum